AboFreeskier Andri Ragettli ganz privat«Mich nähme wunder, was einer Frau so alles geschrieben wird»
Er joggte im Lockdown mal kurz 100 Kilometer, wird getrieben von einer grossen Angst und wäre gern acht Zentimeter kleiner. Der 23-jährige Andri Ragettli im etwas anderen Interview.

Wer sind Sie?
Ich bin Andri Ragettli, ein professioneller Freeskier. Ich liebe es, Ski zu fahren, bin sehr ehrgeizig und liebe den Wettkampf.
Was ist das Verrückteste, was Sie je getan haben?
Als ich während des Lockdown 100 Kilometer joggte, von Flims bis kurz vor Schmerikon am Zürichsee. Irgendwann konnte ich den Hometrainer und die Yogamatte nicht mehr sehen, also ging ich die ganze Zeit joggen. Ich hatte in Büchern von Ultra-Marathons gelesen, und irgendwann sagte ich: So, jetzt laufe ich die 100 Kilometer! Die ersten 50 gingen recht gut, dann wurden meine Beine müde. Ab Kilometer 80 schmerzte mein ganzer Körper. Ab da wurde es zur mentalen Herausforderung. Ich zog es durch, brauchte zehneinhalb Stunden. Das war schon ziemlich naiv und verrückt. Ich war zuvor nie länger als 40 Kilometer gejoggt.
Wie lange halten Sie es ohne Handy aus?
Ich habe es noch nie ausprobiert. Wahrscheinlich nicht sehr lange. Das Handy ist für mich auch ein Arbeitsgerät, ich teile über die sozialen Medien meine Videos. Ich versuche, aktiv zu sein auf den Plattformen. Da gehört das Handy dazu. Ich höre auch immer Musik, wenn ich am Skifahren bin oder im Kraftraum. Wie lange ich es ohne aushalten würde? Eine Woche wäre schon recht heftig.
Was bringt Sie zur Weissglut?
Ich versuche, immer cool zu bleiben, tief durchzuatmen. Aber ich habe es noch nicht ganz unter Kontrolle. Am meisten ärgert mich, wenn ich Fehler mache, die nicht sein müssten. Im Wettkampf beispielweise, wenn ich den Lauf nicht so runterbringe, wie ich könnte. Ich bin sehr streng zu mir.
Was ist der Sinn des Lebens?
So nahe wie möglich an die beste Version von sich selber heranzukommen. In allen Bereichen, sei das mental oder körperlich. Wenn man das schafft, macht das einen auch glücklich, denke ich.
Was hat Sie zuletzt zu Tränen gerührt?
Das ist einfach: der vierte Platz an den Olympischen Spielen. Ich hatte so hart für mein Comeback gearbeitet und verpasste die Medaille trotzdem. Da flossen schon Tränen. Aber es ist kein Weltuntergang.
Wieso möchten Sie gern Ihr Freund sein?
Weil es mit mir nie langweilig wird. Ich bin immer bereit, etwas zu unternehmen, und animiere auch meine Freunde. Und weil man es mit mir auch megalustig haben kann.
Welches Lied können Sie auswendig?
«Get Free» von Major Lazer. Der Song begleitete mich mit 14 zum Start meiner Profikarriere. Ich höre ihn heute noch, weil er mich an damals erinnert.
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Ihre schönste Kindheitserinnerung?
Mit 10 lief ich an der Fussball-EM 2008 in der Schweiz mit der holländischen Mannschaft zum Spiel gegen Frankreich ins Stadion in Bern ein. Ich spielte damals auch noch Fussball und träumte neben dem Skifahren auch davon, Fussballprofi zu werden. Es war so crazy, die Musik aus den Lautsprechern und über 30’000 singende Fans, als wir auf den Rasen liefen. Das gab mir richtig Adrenalin, obschon ich ja gar nicht spielte.
Sind Sie ein Mami- oder Papi-Kind?
Logischerweise ein Mami-Kind, weil ich meinen Vater verlor, als ich ein Jahr alt war (er kam bei einem Arbeitsunfall ums Leben). Bis zur ersten Sekundarschule war ich ein ausgeprägtes Mami-Kind, danach ging ich an die Sportmittelschule in Engelberg und musste selbstständiger werden.
Wann hatten Sie so richtig Glück?
Mit 17 am letzten Weltcuprennen in Silvaplana. Der Norweger Oystein Braaten war im Gesamtweltcup vorne, ich ihm dicht auf den Fersen. In Silvaplana führte ich, Braaten war Zweiter, als ihn Fabian Bösch noch auf Rang 3 verdrängte und ich so auch Gesamtweltcupsieger wurde. Ich war so nervös bei Fabians Run!
Gibt es einen Gott?
Ich glaube, dass es da draussen eine höhere Macht gibt. Ob es Gott ist, Allah oder wie auch immer, da hat jeder seinen eigenen Glauben.
«Wenn ich in Amerika Videos drehe, sagen die Leute: ‹Yeah, so cool!› In der Schweiz schauen alle komisch.»
Was stört Sie an der Schweiz?
Wenn ich in Amerika Videos drehe, sagen die Leute: «Yeah, so cool! Darf ich auch mitmachen?» Wenn ich in der Schweiz eine Kamera hervornehme, schauen alle komisch und sagen: «Ich möchte auf keinen Fall im Bild sein!» Das entspricht so typisch dem Klischee der verschlossenen Schweizer. Da denke ich manchmal: «Come on!»
Was haben Sie in der Corona-Zeit gelernt?
Dinge zu akzeptieren, die ich nicht beeinflussen kann. Es wäre gelogen, zu sagen, es habe in der Corona-Zeit nicht mehr Energie gebraucht als sonst. Das ganze Testen war mühsam. In Amerika musste ich am Morgen vor dem Wettkampf, der schon um 7.30 Uhr begann, noch einen Corona-Test machen im Dorf. Gerade für mich, der sehr, sehr strukturiert ist, war das nicht einfach. Ich musste flexibler werden.
Wenn Sie eine Kristallkugel hätten, was würden Sie wissen wollen?
Nichts! Ich möchte auf keinen Fall eine Kristallkugel haben. Es macht das Leben ja so interessant, dass man nie weiss, was passieren wird. Das treibt einen an, weiter seine Träume zu jagen. Ich will rein gar nichts wissen über die Zukunft.
Was ist das Ekelhafteste, was Sie je gegessen haben?
Mich ekeln Crevetten. Nur schon beim Zusehen, wie sie jemand isst, wird mir fast schlecht. Und wenn ich in ein Gummibärchen beisse und es sich als Lakritz herausstellt.
Ihr Serientipp?
«Vikings». Ich habe schon viele gute Serien geschaut, aber diese hat mich auch inspiriert. Die Hauptfigur, Ragnar, imponierte mir. Er arbeitete sich hoch, war ein guter Leader und blieb auch ruhig, wenn es aus dem Ruder lief.
Wovor haben Sie Angst?
Dass ich mit 70, 80 auf mein Leben zurückschaue und bereue, dass ich zu wenig für meine Ziele gearbeitet habe. Das will ich mir nicht vorwerfen müssen. Das ist eine Angst, aber auch eine grosse Motivation. Ich versuche, jeden Tag zu nutzen.
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Wie oft sind Sie umgezogen?
Einmal, als ich eins war. In Flims von einer Wohnung ins Haus, wo ich noch heute wohne bei meiner Mama. Es lohnt sich für mich nicht, eine eigene Wohnung zu haben, weil ich sehr oft weg bin. Und ich komme immer gern nach Hause.
Sie wären für einen Tag eine Frau. Was würden Sie tun?
Wenn eine Frau gut aussieht und Fotos auf Instagram postet, kriegt sie sicher unzählige Nachrichten. Mich würde wundernehmen, was ihr da so alles geschrieben wird.
Was ist der grösste Quatsch, der über Sie geschrieben wurde?
Kürzlich war bei einem Newsportal im Titel mein Name falsch geschrieben. Ragletti statt Ragettli, glaubs. Da dachte ich: O nein, wie peinlich! Aber das kann passieren, wenn es hektisch ist.
«Alles passiert aus einem Grund. Auch mein vierter Platz an Olympia hilft mir für die Zukunft. Davon bin ich überzeugt.»
Bei was haben Sie Ihre Meinung fundamental geändert?
Als ich einmal das Schlüsselbein brach, sagte meine Mama: Das hat auch etwas Positives. Ich schaute sie nur verständnislos an. Inzwischen bin ich auf ihrer Wellenlänge. Ich sage: Alles passiert aus einem Grund. Auch mein vierter Platz an den Olympischen Spielen hilft mir für die Zukunft. Davon bin ich überzeugt.
Ihr Tipp für Hobbysportler?
Unterschätze nie, wie viel du mit der richtigen Einstellung erreichen kannst.
Was sollte gesetzlich besser geregelt sein?
Das Internet. Es birgt so viele Gefahren. Cybermobbing bei den Jüngeren, beispielsweise. Das müsste man besser in den Griff kriegen.
Was finden Sie attraktiv an sich?
Hmm, wahrscheinlich meine Augen. Sie sind schön blau.
Ihre grösste Herausforderung im Leben?
Die Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Man weiss in etwa, wie man es machen sollte. Aber es ist trotzdem so schwierig.
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Bei wem müssten Sie sich eigentlich entschuldigen?
Bei meiner Mama. Ich kann schon gemein mit ihr sein, wenn ich gereizt bin. Das tut mir im Nachhinein immer leid.
Was möchten Sie noch lernen?
Ich möchte es im Surfen eines Tages schaffen, in einer Tube zu surfen. Dass die Welle über mir bricht und ich in diesem Tunnel drin bin. Das könnte aber noch ein paar Jahre dauern.
Ihr Spitzname als Kind und heute?
Mir sagen alle nur Ragettli. Ich hatte nie einen richtigen Spitznamen. Rakete setzte sich nicht durch. Und Andri sagt mir kaum jemand.
Könnten Sie auf Fleisch verzichten?
Ich verzichte schon seit zweieinhalb Jahren auf Fleisch. Ich wollte es anfangs einfach versuchen und merkte, es ist ganz einfach. Vorher hatte ich gedacht: O nein, kein Cordon bleu mehr! Keine Chicken Nuggets mehr! Aber es war ganz easy. Ich tue es aus sportlichen und ökologischen Gründen. Seit vier Jahren trinke ich auch keinen Alkohol mehr.
Was würden Sie an sich ändern?
Ich wäre gern acht Zentimeter kleiner. 1,76 Meter statt 1,84. Das wäre gut für mich als Freeskier. Das hätte in der Luft Vorteile. Je kleiner du bist, desto kompakter sehen deine Tricks aus. 1,76 wäre die optimale Grösse für meinen Sport und gleichzeitig noch genug, um ernst genommen zu werden im richtigen Leben. (lacht)
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