AboEishockeyspieler Nino Niederreiter«Filme mit traurigen Momenten hauen mich um»
Er zügelte schon neunmal, weinte kürzlich im Kino und wird von Teamkollegen nur noch Bubbsy genannt. Warum? Das verrät der 29-Jährige im etwas anderen Interview.

Wer sind Sie?
Ich bin der Nino, spiele Eishockey in Amerika, habe eine Freundin in der Schweiz, wo ich in Chur daheim bin.
Was ist das Verrückteste, das Sie je getan haben?
Skydiving an einem Breitling-Event. Da ich kein gutes Gefühl bei Höhe habe, sagte ich immer, dass ich so etwas nie machen würde. Aber es waren auch andere Hockeyspieler dabei wie Josi, Streit, Hiller, Weber, Berra und Diaz, also machte ich auch mit. Als ich dann wieder unten war, war ich stolz auf mich. Und froh, es heil überstanden zu haben.
Wie lange halten Sie es ohne Handy aus?
In den Ferien kann ich es problemlos fünf bis sechs Tage weglegen. Aber ansonsten, während der Saison, komme ich nicht durch ohne Handy. Auch, weil die für mich wichtigsten Leute in der Schweiz leben.
Was bringt Sie zur Weissglut?
Ungerechtigkeit, die nervt mich extrem. Zu sehen, wenn jemand – andere oder auch ich selbst – sehr hart für etwas arbeitet, der Erfolg oder die Belohnung aber ausbleibt.
«Ich versuche, zu allen Personen grosszügig und für sie da zu sein, wenn sie mich brauchen.»
Was ist der Sinn des Lebens?
Ich glaube, jede Person kam aus einem bestimmten Grund auf diese Welt. Der Sinn ist, diesen Grund herauszufinden. Es gibt für jeden einen Plan, jeder hat ein Talent für irgendwas, man muss es suchen und finden.
Was hat Sie zuletzt zu Tränen gerührt?
Als wir mit der Mannschaft in Seattle waren, gingen wir an einem freien Tag zu viert ins Kino und schauten «King Richard». Solche Filme mit traurigen Momenten hauen mich hin und wieder um. Ich sass neben meinem Teamkollegen Jesper Fast, und als wir uns kurz anschauten, hatten wir beide Tränen in den Augen. (lacht)

Wieso würden Sie gerne Ihr Freund sein wollen?
Weil ich wirklich jeden so nehme, wie er oder sie ist. Ich versuche, zu allen Personen grosszügig und für sie da zu sein, wenn sie mich brauchen.
Welches Lied können Sie auswendig?
Früher konnte ich «Guantanamera» praktisch auswendig, ich spielte das Lied in der 6. Klasse auf der Ukulele. Später sang ich es hin und wieder mit Roman Josi, wenn wir an Weltmeisterschaften zusammen im Hotelzimmer waren. Mittlerweile würden mir die Worte aber wahrscheinlich schnell ausgehen.
«Wenn ich etwas ändern könnte, würde ich schauen, dass wir offener und grosszügiger werden. Und dass wir häufiger das grosse Bild anschauen, statt das Gärtlidenken zu pflegen.»
Ihre schönste Kindheitserinnerung?
Ich hatte eine sehr schöne Kindheit, unsere Eltern unternahmen sehr viel mit uns Kindern, es ist darum schwierig, einen Favoriten zu benennen. Eine wirklich sehr schöne Erinnerung ist das Hockeyspielen im Garten mit den Nachbarskindern. Mein Vater stellte die Tore auf und sorgte am Vorabend dafür, dass wir am Morgen Eis haben würden.
Sind Sie ein Mami- oder Papi-Kind?
Was vertiefte Gespräche angeht, eher Mami-Kind. Ich kann mit ihr sehr gut über verschiedene Dinge reden. Wenn es darum geht, etwas zu unternehmen, dann eher Papi-Kind. Ich habe früher viel mit ihm gemacht, wir reisten einmal zum Beispiel nach Alaska zum Fischen.
Wann hatten Sie so richtig Glück?
Ich war in der 4. oder 5. Klasse, ich wollte über die Strasse, um im Kiosk eine Glace zu kaufen, und wurde von einem Auto angefahren. Die Mutter meines Kollegen Leandro Profico, des heutigen Spielers von Rapperswil-Jona, rief meine Mutter an. Ich kann mich nicht mehr selbst daran erinnern, aber wie sie mir später erzählte, bat ich sie, als sie bei mir war, mich in der Hockeyausrüstung zu begraben, falls ich sterben würde. Das war für sie der schlimmste Moment. (lacht)
Gibt es einen Gott?
Ich bin kein Kirchengänger. Aber ich glaube, dass es jemanden gibt, der auf uns schaut. Jemanden, der uns in irgendeine Richtung führen will.
Was stört Sie an der Schweiz?
Wenn ich etwas ändern könnte, würde ich schauen, dass wir offener und grosszügiger werden. Und dass wir häufiger das grosse Bild anschauen, statt das Gärtlidenken zu pflegen.
«In der Kristallkugel würde ich schauen, wann nach Corona wieder die Normalität zurückkehrt. Ob sie überhaupt je zurückkehrt.»
Was haben Sie in der Corona-Zeit gelernt?
Das wertzuschätzen, was wir zuvor als selbstverständlich sahen. Zum Beispiel das Reisen ohne Einschränkungen. Oder bei mir als Eishockeyspieler den Fakt, dass wir vor Tausenden Zuschauern spielen dürfen.
Wenn Sie eine Kristallkugel hätten, was würden Sie wissen wollen?
Wann nach Corona wieder die Normalität zurückkehrt. Ob sie überhaupt je zurückkehrt.
Was ist das Ekelhafteste, das Sie je gegessen haben?
Austern. Wenn Mitspieler diese essen, probiere ich sie zwar hin und wieder von neuem, das Resultat ist aber immer das gleiche: Es schüttelt mich jedes Mal durch.
Ihr Serientipp?
Sie ist zwar schon etwas älter, aber die Serie «Prison Break» finde ich unglaublich gut. Die Idee dahinter, der ganze Masterplan, wie der Bruder des zu Unrecht im Gefängnis sitzenden Protagonisten versucht, diesen zu befreien, hat mich fasziniert.
«Ich bin in den letzten 15 Jahren neunmal umgezogen.»
Wovor haben Sie Angst?
Leute zu enttäuschen. Ich möchte oft zu vielen Leuten gerecht werden und habe dann Angst, es nicht bewerkstelligen zu können.
Wie oft sind Sie umgezogen?
Einige Male! Das fing schon mit 14 an, als ich von Chur nach Davos wechselte. Danach zog ich in die USA nach Portland um, wo ich Juniorenhockey spielte. Dann begann meine Profikarriere, und ich ging nach New York, wo ich auch einmal umzog. Ein Jahr spielte ich in Bridgeport beim Farmteam. Dann kam der erste Trade, zu Minnesota: Innerhalb von Minneapolis zog ich zweimal um. Und zuletzt, nach dem Trade zu Carolina, zog ich nach Raleigh um. Das wären also neunmal in den letzten 15 Jahren. Und vielleicht müsste man Hotels generell auch als mein Zuhause mitzählen, bei den über 40 Auswärtsspielen pro Saison.
Sie wären für einen Tag eine Frau. Was würden Sie tun?
Es würde mich schon interessieren, von klein auf eine Frau zu sein und alles aus ihrer Sicht zu erleben. Aber spätestens, wenn es um die Schwangerschaft geht, möchte ich wieder den Wechsel machen zurück zum Mann. Es ist unvorstellbar für einen Mann, was das für Frauen bedeutet, was sie rund um eine Geburt alles leisten müssen. Da kann ich nur sagen: grosser Respekt!
Schlafen Sie gerne allein?
Wenn meine Freundin nicht bei mir ist, dann schon. Seit acht Jahren sind wir in der NHL auf Roadtrips in Einzelzimmern. Das geniesse ich, da ich in Hotels sehr gerne allein schlafe. Bei der Nationalmannschaft ist es natürlich schon lustig, in einem Zimmer mit Roman Josi oder Enzo Corvi zu sein. Aber über einen längeren Zeitraum bin ich lieber allein im Hotel.
Worüber reden Sie nicht mit Ihrer Partnerin?
Wenn mir ein guter Freund etwas anvertraut und mich bittet, dies niemandem zu erzählen, dann rede ich auch nicht mit meiner Freundin darüber.
Ihr Tipp für Hobbysportler?
Dass es im Sport um den Spass und die Leidenschaft gehen soll. Dass man lacht und strahlt. Das Niveau spielt da keine Rolle. Ich sehe es bei mir: Wenn ich Badminton, Tennis oder Golf spiele und der Spass fehlt, dann kommt es nicht gut heraus.
«Ich hoffe, ich habe die Person, die mich attraktiv findet, bereits gefunden.»
Was war der Leitsatz in Ihrer Familie?
Wir hatten kein Motto. Aber meine Mutter sagte mir immer, dass ich alles, was ich anfange, auch zu Ende bringen solle. Egal ob in Schule oder Sport: Ich könne mir nicht einfach nur einzelne Sachen herauspicken und anderes vernachlässigen.
Was finden Sie attraktiv an sich?
Ich hoffe, ich habe die Person, die mich attraktiv findet, bereits gefunden. (lacht) Ich könnte mir vorstellen, dass mein Lachen, meine Herzlichkeit und meine Offenheit gut rüberkommen könnten. Was das Aussehen angeht, ist es eh immer Geschmackssache. Verändern kann ich da nicht mehr viel, die Zahnspange habe ich schon lange hinter mir …
Ihre grösste Herausforderung im Leben?
Jene hinter mir ist der Schritt, als junger Eishockeyspieler nach Nordamerika zu gehen. Der brauchte eine grosse Überwindung. Die grösste Challenge vor mir ist, eine Familie zu gründen. Eine zu gründen, ist ja schnell gemacht. Aber die Herausforderung dann ist, auch ein guter Vater und Ehemann zu sein.
Was bedeutet Ihnen Zärtlichkeit?
Sie ist mir sehr wichtig. Ich bin ein liebevoller Mensch, der möchte, dass es allen gut geht. Zärtlichkeit bedeutet für mich darum auch, mit allen liebevoll umzugehen.
Bei wem müssten Sie sich eigentlich entschuldigen?
Spontan kommt mir niemand in den Sinn. Es könnte aber durchaus sein, dass es Menschen gibt, mit denen ich hätte anders umgehen sollen. Wenn ich Probleme mit Leuten habe, versuche ich in der Regel, diese sofort anzusprechen.
Was möchten Sie noch lernen?
Sehr vieles. Ich bin gespannt auf die neue Leidenschaft nach dem Eishockey. Diese muss ich aber erst noch entdecken. Eine Sportart, die ich gerne viel besser beherrschen möchte, wäre Tennis. Ich mag diesen Sport sehr, bin aber nicht wirklich gut.
Ihr Spitzname als Kind und heute?
Als Kind hatte ich keinen, ich war einfach der Nino. In der NHL sagen mir bei Carolina nun viele «Bubbsy», abgeleitet von «Buddy». Eric Fehr und Chris Stewart, zwei frühere Teamkollegen in Minnesota, gaben ihn mir, weil ich jener Spieler in der Garderobe war, der am häufigsten aufgestellt war und es mit allen gut hatte.
Könnten Sie auf Fleisch verzichten?
Nein, keine Chance. Ich habe es zu gerne.
Werden Sie Ihre Organe spenden?
Ja, das werde ich machen. In meinem Führerschein in den USA ist das auch so notiert.
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