AboFragebogen mit Michelle Gisin«Hier sind viele Leute reserviert – da passe ich nicht hinein»
Michelle Gisin hat gerade einen Lauf und hinterfragt trotzdem vieles. Sie verrät, was sie vom Fremdgehen hält – und bei wem sie sich entschuldigen müsste.

Wer sind Sie?
Ich bin Ski-Fanatikerin, Fantasy-Leserin, Familienmensch.
Was ist das Verrückteste, das Sie je getan haben?
Olympia-Gold zu gewinnen! Ich bin mal aus einem Flugzeug gesprungen, aber vom Adrenalin her war das nichts im Vergleich mit dem, was 2018 in Pyeongchang abging. Nach dem Sieg war alles crazy, jeder Augenblick, jeder Atemzug.
Wie lange halten Sie es ohne Handy aus?
Vor kurzem gerade zwei Tage lang, weil ich es daheim vergessen hatte. Im Frühling gibt es bei mir ein heiliges Ritual: Vor dem Abflug in die Ferien stelle ich das Handy ab, eine Woche später nach der Landung stelle ich es wieder ein. Ich lebe in dieser Zeit komplett analog, bin nicht erreichbar. Das ist kaum vorstellbar, aber immer noch möglich. Es ist schlimm, wie viel Zeit ich mit diesem Ding verplempere.
Was ist der Sinn des Lebens?
Wow, megaeinfache Frage. Wahrscheinlich brauchen wir ein Leben lang, um das herauszufinden. Für mich geht es darum, zufrieden und im Einklang mit mir selbst zu sein. Alles kann von heute auf morgen vorbei sein, also sollte man das Beste aus jedem Tag machen. Aber nicht ohne dabei langfristig zu denken. Vielleicht ist es das: Jeder Mensch muss Wege finden, die zu Zielen führen.
Was hat Sie zuletzt zu Tränen gerührt?
Vor ein paar Wochen trat ein Schweizer bei «The Voice of Germany» auf. Er hat eine starke Sprechstörung, nur beim Singen stottert er nicht. Seine Geschichte berührte mich extrem, sie löste etwas in mir aus. Das war heftig, ich heulte lange.
Wieso möchten Sie gerne Ihr Freund sein?
Ich spreche andauernd, ohne Pause. Mit mir gibt es diese peinlichen Momente nie, in denen keiner im Raum mehr weiss, über was man noch reden soll. Ich bin ein schräger Vogel, langweilig wird es mit mir nicht.
Sollte man Fremdgehen verzeihen?
Ich bin da ein wenig oldschool, ziemlich konservativ. Für mich geht das gar nicht. Entscheidend wäre sicher die Reaktion: Legt einer die Karten gleich auf den Tisch und gesteht alles, kann man vielleicht noch etwas retten. Aber nur vielleicht.
Welches Lied können Sie auswendig?
So manches, ich singe ständig. Im Moment am liebsten «Shake Away» von Michael Patrick Kelly. Als ich klein war, erhielt ich von meiner Schwester die ersten zwei CDs: «Missundaztood» von Pink und «Uf u Dervo» von Gölä. «Ha geng e chli Stoub uf dr Lunge, chli Dräck uf dr Zunge», und so weiter. Ist alles gespeichert.
Was ist Ihre schönste Kindheitserinnerung?
Das tönt jetzt blöd: Aber wunderschön war es, während eines Skitags mit der Familie im Restaurant zu sitzen und eine heisse Ovi Mélange zu trinken. Einfach unvergesslich.
Sind Sie ein Mami- oder Papi-Kind?
Da frage ich gleich einmal meinen Dad. (ruft ihm zu) Er meint, bei mir sei es ausgeglichen gewesen. Dominique war eher Papi-orientiert, Marc ein Mami-Höck. Als Kleinste musste ich wohl neutral sein.

«Ich stelle mir eine Energie vor, die unser Herz schlagen lässt. Eine übergeordnete Macht, die uns antreibt.»
Wann hatten Sie so richtig Glück?
Die Frage ist doch eher: Wann hatte ich keines? Ich bin in der Schweiz geboren, auf der Sonnenseite des Lebens. Meine Eltern haben mir oft gesagt, dass ich schätzen solle, was ich alles habe.
Gibt es einen Gott?
Irgendetwas gibt es, davon bin ich überzeugt. Welche Religion recht hat, will und kann ich nicht beurteilen. Ich bin Yoga-Fan, vielleicht sehe ich es deshalb ein wenig anders: Ich stelle mir eine Energie vor, die unser Herz schlagen lässt. Eine übergeordnete Macht, die uns antreibt. Sonst wären wir doch kaum hier, 13,8 Milliarden Jahre nach dem Urknall.
Was stört Sie an der Schweiz?
Die Überpünktlichkeit, diese etwas steife Attitüde. Alles muss exakt sein – und viele Leute sind reserviert. An und für sich passe ich da überhaupt nicht hinein. Ich bin anders gestrickt.
Was haben Sie in der Corona-Zeit gelernt?
Wer acht Wochen lang daheim mit den Eltern «eingesperrt» ist und nicht arbeiten darf, lernt automatisch einiges. (lacht) Ich nehme vieles nicht mehr so schwer, sehe die Relationen. Wenn ein Virus die ganze Welt lahmlegen kann, was ist dagegen schon ein Innenskifehler?
Werden Sie Ihre Organe spenden?
Das werde ich, ich habe schon einen Organspendeausweis. Ich empfehle allen, sich Gedanken darüber zu machen, sich damit auseinanderzusetzen.
«Ich möchte nichts über mich wissen, das wäre beängstigend. Ich will selbst herausfinden, was das Leben mit mir vorhat.»
Wenn Sie eine Kristallkugel hätten, was würden Sie wissen wollen?
Ob es eine Lösung geben wird für den Klimawandel. Aber sonst? Ich möchte nichts über mich wissen, das wäre beängstigend. Ich will selbst herausfinden, was das Leben mit mir vorhat, will die Emotionen spüren.
Wie war ihr Spitzname als Kind, und wie lautet er heute?
Früher war er «Mickey», wegen Mickey Mouse. Jetzt bin ich erwachsener, darum «Micken». Im Ski-Team bin ich es, die allen Spitznamen gibt. Jasmina Suter hat den Spiess dann mal umgedreht und mir einen Namen verpasst. Aber der ist so schlimm, den verrate ich nicht.
Was ist das Ekelhafteste, das Sie je gegessen haben?
Fenchel. Geht gar nicht! Sonst habe ich ein gutes Näschen fürs Essen. Und wenn es hart auf hart kommt, könnte ich auch zwei Wochen lang Reis ohne Beilage essen.
Welches ist Ihr Serientipp?
«Haus des Geldes». Und natürlich «Game of Thrones». Wer das nicht gesehen hat, tut mir leid. Der sollte sofort den Fernseher anschalten und eine Nachtschicht einlegen.
Wovor haben Sie Angst?
Ich habe etwas Höhenangst. Zur Konfirmation erhielt ich einen Gleitschirmflug geschenkt, ich schob den sechs Jahre hinaus. Mittlerweile ist es etwas besser.
Sie wären für einen Tag ein Mann. Was würden Sie tun?
Ich würde stundenlang Riesenslalom fahren. Das wäre geil! Ich möchte wissen, wie sich das anfühlt als Mann, mit viel mehr Kraft, mit viel besseren Voraussetzungen.
Schlafen Sie gerne allein?
Schon lieber mit meinem Freund. Aber ab und zu bin ich froh um etwas Ruhe.
Was ist der grösste Quatsch, der je über Sie geschrieben worden ist?
Dass ich Motocross fahren könne. Sogar beim Grand Prix Ende Oktober in Arco, als Jeremy Seewer den Vize-Weltmeistertitel holte, machte dieses Gerücht die Runde. Ich bewundere Seewer, bin ein Riesen-Fan von ihm. Ich selbst aber bin ein Anti-Talent. Ich möchte gerne fahren können, kriege es aber nicht hin.
Worüber reden Sie nicht mit Ihrem Partner?
Es gibt keine Tabus, wirklich nicht. Ich spreche mit Luca (Skirennfahrer Luca de Aliprandini) über alles. Ich hoffe, er auch mit mir. (lacht)
Können Sie auf Fleisch verzichten?
Problemlos. Bei mir gibt es regelmässig fleischlose Wochen. Esse ich Fleisch, tue ich das sehr bewusst. Ich finde, es sollte nicht per se zum Menüplan dazugehören.
«Meine Beine finde ich attraktiv. Sie sind lang und kräftig.»
Ihr Tipp für Hobbysportler?
Die Freude nie verlieren. Man sollte sich Ziele setzen und diese konsequent verfolgen. Wichtig ist, dass man dranbleibt und nicht beim ersten Dämpfer den Bettel hinschmeisst.
Was finden Sie attraktiv an sich?
Meine Beine. Sie sind lang und kräftig. Und ohne überheblich zu sein: Sie haben schon viel Gutes angestellt. (lacht)
Ihre grösste Herausforderung im Leben?
Dass das Hirn und die Gedanken nicht die Überhand bekommen. Dass die Gedanken mich nicht total kontrollieren. Ich möchte im Moment leben, intuitiv bleiben – was extrem schwierig ist.
Bei wem müssten Sie sich eigentlich entschuldigen?
Ist alles längst erledigt. (lacht) Ein Sorry verdient mein Team: weil ich viel zu viel rede und daher manchmal nerve.
Was möchten Sie gerne noch lernen?
Alles, was in meinem Kopf Platz hat! Ich möchte weitere Sprachen lernen, Verständnis für andere Kulturen entwickeln, mehr über verschiedene Ethnien erfahren. Umwelt- und Naturwissenschaften begeistern mich sehr, ein Studium hätte seinen Reiz. Aber erst nach der Karriere.
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