AboInterview mit Daniel Yule«Fremdgehen? Das ist unverzeihlich»
Er besitzt eine Skischule in China, wird seine Organe spenden, hält Fremdgehen für unverzeihlich und hatte im Auto Todesangst: der Skifahrer im etwas anderen Interview.

Wer sind Sie?
Ein Schweizer Skifahrer, 28, ein riesiger Fan des Val Ferret. Ich höre immer wieder: Von diesem Tal ist es nicht mehr weit bis ans Ende der Welt.
Was ist das Verrückteste, was Sie je getan haben?
In Adelboden zu gewinnen, als Führender nach dem ersten Lauf, vor vielen Tausend Schweizer Fans. Man kann sich das nicht vorstellen, diese Emotionen, diesen Druck. Wobei: Noch verrückter war, dass ich mit einem Freund eine Skischule in China eröffnet habe. Sie liegt in der Nähe von Peking. Ich bin Investor, verdient habe ich daran aber noch nichts. (lacht)
Was bringt Sie zur Weissglut?
Wenn einer seine Zigarette aus dem Auto wirft oder gar den Aschenbecher entsorgt. Da werde ich total wütend.
Was finden Sie attraktiv an sich?
Ei, ei, ei, was für eine Frage. Vielleicht meinen Humor, mein Lachen, aber dann ist finito. Ein paar Haare sind noch da, aber sie werden weniger. Ich habe mich damit abfinden müssen, dass irgendwann keine mehr da sein werden. Teamintern liege ich im Rennen um die erste Glatze vorne. Es ist ein faszinierender Dreikampf zwischen mir, Ramon Zenhäusern und Luca Aerni.
Was hat Sie zuletzt zu Tränen gerührt?
Als mein Teamkollege Justin Murisier letzten Dezember in Alta Badia Dritter wurde, da hat es mich durchgeschüttelt. Klingt banal, aber man muss seine Geschichte kennen: Er war so oft verletzt, es ging ihm schlecht. Und dann das – das war wunderschön. Geweint habe ich auch während der Beerdigung meines Grossvaters.
Würden Sie Fremdgehen verzeihen?
Nein. Das ist ein No-go! Aber ich bin schon so lange Single, eigentlich habe ich keine Ahnung, von was ich rede. (lacht)
Könnten Sie auf Fleisch verzichten?
Sicher. Ich esse sowieso wenig Fleisch, und falls doch, dann am liebsten lokale Produkte. Ich habe deswegen keine Mangelerscheinungen.
«Darf ich überhaupt etwas sagen? Ich bin erst seit 2008 Schweizer. Ich glaube, wir sind nicht Vorbild genug.»
Werden Sie Ihre Organe spenden?
Ja, ich habe den Ausweis schon seit einigen Jahren. Es ist ein wichtiges Thema, über das häufiger gesprochen werden müsste.
Was stört Sie an der Schweiz?
Darf ich überhaupt etwas sagen? Ich bin erst seit 2008 Schweizer. Ich glaube, wir sind nicht Vorbild genug. Wir könnten stolzer auf unser Land sein und mehr dafür tun, damit die Schweiz ein Vorbild bleibt.
Gibt es einen Gott?
Zu heikel, kein Kommentar. Ich brauche einen Joker.
Sie wären einen Tag lang eine Frau. Was würden Sie tun?
Präsidentin der USA werden. Als erste Frau, das wäre ein Zeichen an die Welt. Besser noch: ein Kind zur Welt bringen. Ein Mann müsste diese Schmerzen mal erleben, vielleicht würde man die Männergrippe dann nicht mehr als ganz so intensiv empfinden.
Was bedeutet Ihnen Zärtlichkeit?
Sie ist wichtig, die Bedeutung wird oft unterschätzt. Ich will spüren, dass ich geschätzt werde, das brauche ich.
Warum möchten Sie gern Ihr Freund sein?
Möchte ich das? Nun, ich lache viel, bin ehrlich und direkt. Das kann wehtun, aber bei mir weiss jeder, woran er ist. Und ich kann grosszügig sein.
«Ich habe gelernt, weniger streng mit mir zu sein, weniger ernst, nicht immer perfekt.»
Was ist das Ekelhafteste, was Sie je gegessen haben?
Am Polterabend eines guten Kollegen wurden Schweinsohren serviert. Das war nicht nur vom Geschmack her, sondern auch optisch abstossend. Mein Kollege ist Portugiese, dort wird es besser gekocht und anscheinend ist es dann lecker.
Was haben Sie in der Corona-Zeit gelernt?
Weniger streng mit mir zu sein, weniger ernst, nicht immer perfekt zu sein. Ich war im letzten Winter sehr strikt, was das Leben in der Bubble betraf. Ich hatte auch zu Hause kaum soziale Kontakte, das tat mir nicht gut, erst recht, als es im Sport schlecht lief. Ich weiss nun: Man darf auch mal Fehler machen. Diese sind zu verkraften, wenn dafür die Balance im Leben stimmt.

Was ist Ihr Tipp für Hobbysportler?
Verkrampft euch nicht, bleibt cool, nehmt nicht alles zu ernst. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Freizeitsportler vor lauter Ehrgeiz den Spass verlieren.
Wovor haben Sie Angst?
Vor Dingen, die ich nicht kontrollieren kann. Eine Reise in die australische Wildnis mit den vielen Tieren, das wäre nichts für mich.
«Nur Dummköpfe ändern die Meinung nie.»
Bei was haben Sie Ihre Meinung fundamental geändert?
Bei uns sagt man: «Il n’y a que les imbéciles qui ne changent pas d’avis.» Also nur Dummköpfe ändern die Meinung nie. Das Sprichwort ist nicht gut für mich, denn ich bin eher stur. Wobei: Golf hielt ich früher für einen Sport für alte Leute, fand es total langweilig. Heute bin ich ein Golf-Fanatiker!
Was ist der grösste Quatsch, der je über Sie geschrieben wurde?
Es hat nichts Schlimmes gegeben. Für mich können Interviews unangenehm werden. Ich werbe für Umweltschutz, und das als Skifahrer – ich verstehe, wenn mir Leute Doppelmoral vorwerfen. Als Skifahrer reise ich viel, klimaneutral ist anders. Aber obwohl ich nicht heilig bin, kann ich mir Mühe geben und versuchen, ein Vorbild zu sein.
Wie halten Sie es ohne Handy aus?
Wenn Handys ab sofort verboten wären, hätte ich absolut kein Problem damit. Was das angeht, bin ich ziemlich altmodisch. Während der Ferien schalte ich immer auf Flugmodus – mindestens eine Woche lang.
Waren Sie ein Mami- oder Papi-Kind?
Als Bub war ich schon eher auf meine Mama fixiert.
Wann hatten Sie so richtig Glück?
Immer im Auto, wenn ich Beifahrer war von Justin Murisier. (lacht) Im Ernst: Einmal fuhr ich im Spätherbst selbst von einem verschneiten Hügel hinunter, montiert waren noch die Sommerreifen. Ich fuhr vorsichtig, geriet dennoch ins Schleudern und kam dem steilen Abhang sehr nahe. Mein Herz raste. Es war wirklich knapp.
Was ist die grösste Herausforderung im Leben?
Meine Komfortzone zu verlassen. Vielleicht umzuziehen, in ein anderes Land mit einer anderen Kultur, wo niemand auf mich wartet, wo ich mir alles neu erarbeiten muss. Dieser Challenge müsste ich mich irgendwann stellen.
Was möchten Sie noch lernen?
Ein Instrument zu spielen, am liebsten Klavier. Leider bin ich nicht so der Künstler, eher der Zahlenmensch. Mathematik, Physik – das hat mich immer interessiert. Ich weiss, das klingt fürchterlich.
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