US-Unterstützung für IsraelJoe Biden sendet ein Zeichen – aber welches?
Zum Schutz vor dem Iran schicken die USA ein Raketensystem und Soldaten nach Israel. Damit macht US-Präsident Biden auch Wahlkampf gegen Donald Trump.

- Die USA schicken Abwehrraketen und Soldaten nach Israel zum Schutz gegen den Iran.
- Umstritten ist, ob Joe Biden Benjamin Netanyahu damit zu einem aggressiven Vergeltungsschlag gegen den Iran ermutigt.
- Der Schritt dürfte auch mit dem US-Präsidentschaftswahlkampf zusammenhängen.
- Biden versucht, Stärke zu markieren, weil er und Kamala Harris in Umfragen weniger aussenpolitisches Vertrauen geniessen als Donald Trump.
Vor einem angekündigten Vergeltungsschlag Israels gegen den Iran bauen die USA ihre Unterstützung für das verbündete Land im Nahen Osten aus. Präsident Joe Biden hat angeordnet, eine Batterie von Abwehrraketen mitsamt militärischem Personal in Israel zu stationieren, «um Israel zu verteidigen», wie er sagte. In einer Mitteilung unterstrich auch das Verteidigungsministerium das «eiserne Engagement zur Verteidigung Israels» vor weiteren Raketenangriffen durch den Iran.
Das THAAD-System kann ballistische Kurz- und Mittelstreckenraketen am Ende ihrer Flugbahn abfangen. Der Iran besitzt mehr als 3000 dieser Geschosse, Mitte April und Anfang Oktober hat das Regime Hunderte davon auf Israel abgefeuert. Schon nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel im vergangenen Herbst hatten die USA vorübergehend eine THAAD-Batterie in den Nahen Osten geschickt. Es ist seither das erste Mal, dass amerikanische Soldaten in Israel stationiert werden.
Ermuntert Joe Biden damit Benjamin Netanyahu sogar?
Die Ankündigung der neuerlichen Entsendung hat in den Vereinigten Staaten kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Das Pentagon macht geltend, die THAAD-Batterie mit sechs Abschusslastwagen, Radar und Steuereinheit sowie rund 100 Soldaten ergänze den mehrstufigen israelischen Schutzschild. Es soll etwa eine Woche dauern, bis sie in der Region eintrifft. Danach könnten die amerikanischen Zerstörer, die als effektivste Abwehr gegen ballistische Raketen gelten, flexibler eingesetzt werden, argumentiert das Pentagon. Israel besitzt allerdings mit dem Arrow-System bereits ein Verteidigungsmittel, das zusammen mit den USA entwickelt wurde und dem THAAD-System ähnlich ist.

Mit der Stationierung amerikanischer Soldaten in Israel sendet US-Präsident Joe Biden vor allem ein Zeichen – aber welches? Er hatte Israels Premierminister Benjamin Netanyahu nach dem jüngsten Angriff des Iran vom 1. Oktober unter Druck gesetzt, beim Vergeltungsschlag Mass zu halten. Israel drohte unter anderem damit, die Ölinfrastruktur und die Atomanlagen im Iran zu beschiessen, was zu einer weiteren Eskalation führen dürfte.
Kritiker Bidens befürchten, er habe Netanyahu nun mehr Spielraum für weitreichende Angriffe verschafft, indem er die israelische Abwehr vorsorglich aufrüstete, erst noch mit der Stationierung amerikanischer Soldaten. Das steigert die Gefahr, dass die USA in einen direkten Konflikt mit dem Iran hineingezogen werden.
Oder ist das ein Signal für eine Entspannung?
Andere sehen in Bidens Vorgehen die Umrisse eines Kompromisses: Netanyahu verzichtet auf eine aggressive Antwort an den Iran und erhält dafür einen besseren Schutzschild. Dazu passen Berichte israelischer Medien, wonach der Iran den USA via ein ungenanntes Drittland ausrichten liess, den Schlagabtausch beenden zu wollen, falls Israel seinen Gegenschlag begrenze.
Da die USA und der Iran keinen diplomatischen Kontakt pflegen, dürfte die Schweiz Überbringerin dieser Botschaften gewesen sein; als Schutzmacht der USA im Iran übernimmt in aller Regel sie die Rolle der Briefträgerin zwischen den verfeindeten Mächten, eine Aufgabe, welche die Schweizer Diplomaten mit grösster Geheimhaltung ausüben.
Unterstützer der Ukraine kritisieren einen Widerspruch zur Weigerung Bidens, Raketenbatterien mit militärischem Personal dorthin zu schicken, um sich von einem Krieg gegen Russland fernzuhalten. Allerdings würden die THAAD-Systeme in der Ukraine nicht helfen, und die Patriot-Raketen kann das ukrainische Militär selbst bedienen.
Der US-Wahlkampf von Harris gegen Trump spielt mit
Plausibel ist die These eines auch innenpolitisch motivierten Schachzugs. Drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl gehe es nur um «Bidens Bestreben, nicht schwach zu wirken gegenüber dem Iran und auch Harris entsprechend zu positionieren», kommentierte Analyst Aaron David Miller vom Thinktank Carnegie Endowment.
Aussenpolitik ist in der Regel nicht ausschlaggebend für US-Präsidentschaftswahlen. Diesmal könnte das anders werden. Gemäss aktuellen Umfragen geniesst Donald Trump mehr Vertrauen der Wählerschaft, den Krieg im Nahen Osten zu beenden, obwohl der Republikaner bisher keinen detaillierten Plan dazu vorgelegt hat.
Die Zustimmungswerte für Trump dürften vor allem als Misstrauensvotum gegenüber der Politik von Joe Biden zu lesen sein: Republikaner werfen ihm vor, dem Iran nicht entschlossen genug gegenüberzutreten und Israel nicht genug zu unterstützen. Demokraten wiederum bemängeln, dem Präsidenten gelinge es nicht, Netanyahu im Zaum zu halten. In einer Carnegie-Umfrage traut mehr als die Hälfte der Wählerschaft weder Trump noch der Demokratin Kamala Harris zu, aussenpolitische Probleme lösen zu können. Doch eine beachtliche Minderheit zieht Trumps Positionen gegenüber China, dem Krieg Israels gegen die Hamas und auch im Ukraine-Krieg vor.
Drohnenangriff auf Israel, zivile Opfer in Gaza
Die israelische Armee geriet am Montag erneut in Kritik, nachdem sie in der Nacht auf Montag ein Spitalgelände in Gaza beschossen hatte. Laut Armee befand sich dort ein Kommandoposten der Terrororganisation Hamas. Bei dem Angriff entstand ein Brand in einem Zeltlager, nach palästinensischen Angaben starben mindestens 4 Personen, 70 wurden verletzt. Ein weiterer Schlag traf eine Schule, in der Polio-Impfungen verabreicht werden sollten; der palästinensische Zivilschutz sprach von mindestens 22 Todesopfern.
Auf dem anderen Kriegsschauplatz traf die libanesische Hizbollah-Miliz am Wochenende einen Militärstützpunkt in Nordisrael mit Drohnen. Vier israelische Soldaten kamen ums Leben, Dutzende wurden verletzt. Nachdem israelische Panzer im Libanon in ein Quartier von Friedenstruppen der Vereinten Nationen eingedrungen waren, forderte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres alle Kriegsparteien dazu auf, die Blauhelm-Mission zu respektieren.
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