Krieg im Nahen OstenNeue Eskalation – der Iran greift Israel an
Das Regime in Teheran ignoriert die Warnungen der USA. Die Raketen kamen am Dienstagabend, nachdem Israels Armee tagsüber in den Libanon eingedrungen war – um dort Infrastruktur der Hizbollah zu zerstören.
- Der Iran feuerte rund 180 Raketen auf Israel ab, wie Tel Aviv berichtet.
- Teheran sieht den Angriff auch als Vergeltung für Nasrallahs Tod.
- Im Libanon werden bis zu eine Million Binnenflüchtlinge erwartet.
Am Dienstagabend hat es im Nahen Osten eine weitere Eskalation gegeben: Laut israelischen Angaben feuerte der Iran ballistische Raketen auf Israel ab, von rund 180 Geschossen war die Rede. In Israel waren Sirenen zu hören, laut Augenzeugenberichten gab es in Tel Aviv starke Explosionen, für eine Weile wurde der Luftraum geschlossen.
Videos zeigten Raketen, die der Iron Dome, das israelische Luftabwehrsystem, nicht abfangen konnte. Der israelische Militärsprecher Daniel Hagari bestätigte, dass einige Raketen eingeschlagen seien. Israelische Medien meldeten mehrere Verletzte und einen Toten, bei Jericho kam während des iranischen Angriffs offenbar ein Palästinenser ums Leben.
Wenige Stunden zuvor hatten die USA genau davor gewarnt: dass ein iranischer Angriff auf Israel unmittelbar bevorstehe. Ein Vertreter der US-Regierung hatte der iranischen Führung gedroht, dass ein Angriff schwerwiegende Folgen haben würde. Es ist der zweite direkte iranische Angriff auf den jüdischen Staat in diesem Jahr, schon im April hatte das iranische Militär Raketen und Drohnen in Richtung Israel geschossen, damals richteten diese allerdings kaum Schaden an (lesen Sie hier, wie Israel den damaligen Angriff abwehrte).
Der Iran spricht von Vergeltung für Nasrallah
Der Angriff vom Dienstag sei die Vergeltung des Iran für den Tod von Hassan Nasrallah, sagten die iranischen Revolutionsgarden, die für die Raketen des Landes verantwortlich sind. Der Anführer der Hizbollah-Miliz war am Freitagabend bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Aber auch den Tod des Hamas-Führers Ismail Hanija in Teheran räche man damit, so die Revolutionsgarden. Mehr Raketen würden folgen, sollte Israel den Iran angreifen.
Auch wenn das iranische Regime seine Vergeltung für abgeschlossen erklärte, sind die verfeindeten Länder einem Krieg noch näher gekommen. Im April beliess es Israel bei einer eher harmlosen Antwort – wie es im Nahen Osten jetzt weitergeht, wird davon abhängen, wie die Regierung von Premier Benjamin Netanyahu in den kommenden Tagen reagiert.
Tagsüber hatten die israelischen Streitkräfte den Kampf gegen die mit dem Iran verbündete Hizbollah ausgeweitet und eine Bodenoffensive im Süden Libanons begonnen. Israelische Soldaten überquerten die Grenze, die Armee sprach von «begrenzten» Angriffen auf Einrichtungen der islamistischen Terrororganisation in Grenznähe.
Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant hatte in der Nacht zuvor mit seinem US-amerikanischen Kollegen Lloyd Austin telefoniert. Dieser erklärte anschliessend, beide seien sich einig, «dass es notwendig sei, die Angriffsinfrastruktur entlang der Grenze abzubauen, damit die Hizbollah keine Angriffe nach Vorbild des 7. Oktober auf Nordisrael ausführen» könne. Allerdings betonte Austin die Überzeugung der USA, nur eine diplomatische Lösung könne erreichen, dass die etwa 60’000 Israelis, die ihre Häuser im Norden des Landes hätten verlassen müssen, zurückkehren könnten. Dies hatte Israels Premier Netanyahu zum Kriegsziel erklärt.
Israel will die Hizbollah zurückdrängen
Seit mindestens zwei Wochen wurde berichtet, dass die israelischen Streitkräfte eine Sicherheitszone einrichten wollen. Es geht um ein Gebiet, das laut UNO-Resolution eigentlich seit dem Libanon-Krieg 2006 demilitarisiert und frei von Hizbollah-Kämpfern sein sollte. Die Hizbollah, die über Zehntausende Raketen und Drohnen verfügt, soll so weit zurückgedrängt werden, dass die Ortschaften in Nordisrael nicht mehr so stark bedroht sind.
Kurz vor dem 7. Oktober 2024, dem ersten Jahrestag des mörderischen Hamas-Überfalls mit mehr als 1100 getöteten Israelis und der Verschleppung von 250 Geiseln in den Gazastreifen, ging der Konflikt am Dienstag damit in eine neue Phase: Bevor der Iran seine Raketen abschoss, hatte Israel im Libanon seine militärische Überlegenheit bewiesen. Die Kämpfe gegen die Hamas im Gazastreifen sowie in anderen Gebieten führen die israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben fort.
Bis zu eine Million Binnenflüchtlinge befürchtet
Im Libanon wird befürchtet, dass die Zahl der Binnenflüchtlinge auf bis zu eine Million steigt, vor allem im Süden, Osten und im Raum Beirut. Die UNO rief zu Spenden auf: Bis Jahresende seien mehr als 380 Millionen Euro nötig, um die Menschen mit Lebensmitteln, Nahrung für Kinder, Wasser, Matratzen, Hygiene- und Gesundheitsartikeln zu versorgen.
Offenbar diskutiert die Führung in Israel auch ein Bombardement der iranischen Atomanlagen. Die Erfolgschancen seien besser als je zuvor im vergangenen Jahrzehnt, sagen Befürworter. Sie führten neben der Schwächung der iranischen Verbündeten Hamas und Hizbollah auch die US-Wahl Anfang November an – ein Veto aus dem Weissen Haus sei nicht zu erwarten. Andere warnen, dass dies zu einem regionalen Krieg führen würde und die israelischen Streitkräfte nicht alle iranischen Zentrifugen, die zur Anreicherung von atomwaffenfähigem Uran nötig sind, zerstören könnten.
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