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Israels Raketenabwehrsystem
So schützt der Iron Dome Israel – vor allem jetzt, da Biden vor Ort ist

An Israeli soldier takes cover as an Iron Dome air defence system launches to intercept a rocket fired from the Gaza Strip, in Ashkelon, southern Israel, Sunday, Aug. 7, 2022. (AP Photo/Ariel Schalit)
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Seit zwölf Tagen ist das Iron-Dome-System fast pausenlos im Einsatz, um Raketen abzufangen. «Noch nie in der Geschichte Israels ist innerhalb so kurzer Zeit solch ein Raketenhagel auf das Land niedergegangen», sagt Kobi Michael, Militärexperte am Institute for National Security Studies (INSS) in Israel. Er schätzt die Zahl der Raketen auf 7000, die seit dem Grossangriff der Hamas vor anderthalb Wochen in Richtung Israel abgeschossen wurden.

Die Terrororganisation versucht offensichtlich, mit einer möglichst grossen Anzahl an Raketen das Iron-Dome-System lahmzulegen. Denn jede einzelne Rakete muss individuell abgefangen werden. Nach Angaben der Hamas wurde der Überfall auf Israel am Samstag von einer Welle von 5000 Raketen begleitet, die innerhalb von 20 Minuten gestartet wurden. Die israelische Armee spricht von 2500 Geschossen in diesem Zeitraum. Der Beschuss hält weiter an – trotz Bombardierungen der israelischen Armee von Stellungen im Gazastreifen.

Biden in Israel, trotz aller Gefahren und Warnungen

Kann das System den Belastungen standhalten? Auch heute dürfte der Iron Dome im Dauereinsatz sein. Nicht nur wegen der Hamas. Die Extremisten der libanesischen Hizbollah-Miliz kündigten für Mittwoch einen «Tag des beispiellosen Zorns» gegen Israel und den Besuch von US-Präsident Joe Biden in dem Land an. Dieser ist trotz aller Gefahren und Warnungen zu einem Kurzbesuch in Israel eingetroffen.

Bidens Regierungsmaschine landete am Mittwochvormittag in Tel Aviv, wie auf dem Livestream des Büros des israelischen Ministerpräsidenten zu sehen war. Biden folgt damit einer Einladung von Israels Premierminister Benjamin Netanyahu. Dieser musste sich kürzlich selbst wegen eines Luftalarms in einem Bunker in Sicherheit bringen.

US President Joe Biden disembarks upon his arrival at Tel Aviv's Ben Gurion airport on October 18, 2023, amid the ongoing battles between Israel and the Palestinian group Hamas. Biden landed in Israel on October 18, on a solidarity visit following Hamas attacks that have led to major Israeli reprisals. (Photo by Brendan SMIALOWSKI / AFP)

Der Iron Dome ist jedenfalls gefordert, von einer Überlastung des Systems könne aber keine Rede sein, sagt Michael. «90 bis 95 Prozent der Raketen werden abgefangen.» Die Quote sei geringer, wenn innerhalb von Minuten ein Bombardement von Hunderten Raketen gleichzeitig erfolge. Dann konzentriere sich die Abwehr darauf, besiedelte Gebiete zu schützen.

Eine Batterie des Iron Dome deckt 150 Quadratkilometer ab

Für Nachschub bei den Abwehrraketen sorgt die staatliche Firma Rafael, die am Dienstag mitteilte, «die Beschäftigten arbeiten unermüdlich rund um die Uhr, um die israelischen Streitkräfte und die Verteidigungseinrichtungen mit den notwendigen Fähigkeiten auszustatten». Auf dem ehemals Twitter genannten Dienst X wurde ein Bild des Iron Dome gepostet mit der offensichtlich an die Hamas gerichteten Botschaft: «Schaut her! Er, der Israel schützt, wird niemals schlummern oder schlafen.»

Seit 2011 wird die «Eiserne Kuppel» über Israel aufgespannt, um Raketen mit einer Reichweite bis zu 70 Kilometern abzuwehren. Es ist ein mobiles und flexibles System, das rasch verlegt werden kann. Die einzelnen Batterien sind etwa 90 Kilogramm schwer und bestehen aus einem Radar, einer Kontrolleinheit und drei Abschussvorrichtungen mit je 20 Abwehrraketen. Das Radargerät erkennt die anfliegenden Geschosse, die wahrscheinliche Flugbahn wird errechnet, und diese Information landet beim Iron Dome.

Das zischende Geräusch ist charakteristisch für den Einsatz des Iron Dome. Eine dieser Tamir-Abwehrraketen kostet fast 50’000 Franken.

Der startet eine Abfangrakete, um die feindliche Rakete möglichst vor dem Einschlag noch in der Luft zu zerstören. Das zischende Geräusch ist charakteristisch für den Einsatz des Iron Dome. Eine dieser Tamir-Abwehrraketen kostet fast 50’000 Franken. Wie viele davon bisher abgeschossen wurden, wagt Michael, der als Berater im Nationalen Sicherheitsrat in Israel und als stellvertretender Generaldirektor im Ministerium für strategische Angelegenheiten gearbeitet hat, nicht zu schätzen.

Rockets fired from the Gaza Strip are intercepted by Israel's Iron Dome defence missile system over Ashkelon on October 10, 2023. Israel said it recaptured Gaza border areas from Hamas militants as the war's death toll passed 3,000 on October 10, the fourth day of fierce fighting since the Islamists launched a surprise attack. (Photo by JACK GUEZ / AFP)

Eine dieser kastenförmigen Batterien deckt eine Zone von sieben Kilometern Radius ab, also 150 Quadratkilometer. Es braucht demnach eine beträchtliche Anzahl dieser Abwehreinrichtungen, um tatsächlich eine Eisenkuppel aufspannen zu können. Wie viele Iron-Dome-Batterien derzeit im Einsatz sind, will die israelische Armee nicht mitteilen.

Eines der Hauptprobleme ist aber, dass die israelischen Streitkräfte nicht in der Lage sind, alle Regionen gleichermassen zu schützen. Am Dienstagabend wurden fast gleichzeitig Raketen aus dem Gazastreifen und aus dem Libanon Richtung Israel geschickt – dazwischen liegen rund 300 Kilometer. In den vergangenen Tagen hatte die Hizbollah wiederholt aus dem Libanon Raketen abgeschossen, auch aus Syrien wurden Geschosse Richtung Israel gefeuert.

«Die Hizbollah hat zehnmal mehr als die Hamas»

Die Raketen der Hamas stellen eine Bedrohung für die Bevölkerung Israels dar, technisch sind sie aber einfach aufgebaut und kosten nur wenige Hundert Dollar bei der Herstellung. Es sind keine Hightechwaffen, sie sind in der Regel aus verschiedenen Bestandteilen im Gazastreifen zusammengebaut. Die Raketen sind klein und werden zumeist im Tunnelsystem der Hamas unter dem Gazastreifen gelagert. Sie können leicht unbemerkt transportiert werden, es sind auch keine grossen Vorbereitungen für den Abschuss notwendig.

Eine weitaus grössere Bedrohung stellt das Arsenal der Hizbollah dar. «Die Hizbollah hat zehnmal mehr als die Hamas», sagt Militärexperte Michael. Die Terrormiliz aus dem Libanon wird vom Iran ausgestattet. Nach Einschätzung von Experten soll die Hizbollah bis zu 150’000 Raketen in ihrem Bestand haben. Damit verfüge die Miliz «über mehr Feuerkraft als die meisten europäischen Länder zusammengenommen», sagte Yaakov Amidror vom Begin-Sadat-Institut für strategische Studien in einem Interview mit der «Jerusalem Post».

Wenn sich die Hizbollah nicht nur mit einzelnen Raketenabschüssen, sondern tatsächlich massiv in den Konflikt einschalte, «dann reden wir über die ganz grossen Zahlen», sagt Militärexperte Michael. Er gibt Schätzungen wieder, wonach die Hizbollah bis zu 3000 Raketen abfeuern könnte – pro Tag. Was dann passieren würde, skizziert Michael so: In diesem Fall würde sich die Armee darauf konzentrieren, wichtige Infrastruktureinrichtungen und Militärbasen zu schützen, die Bevölkerung müsse dann selbst für ihren Schutz sorgen.

Israel will undurchdringliche Härte suggerieren

Die grosse Sorge ist, dass aus dem Libanon Raketen mit einer deutlich grösseren Reichweite eingesetzt werden. Die Hizbollah soll über 5000 Mittel- und Langstreckenwaffen mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern verfügen, die sogar den Grossraum Tel Aviv mit seinen zahlreichen Hochhäusern erreichen könnten. Bei massivem Raketenbeschuss aus dem Libanon wird dort mit Tausenden Toten gerechnet – das ist das, was Michael mit den «ganz grossen Zahlen» meint.

Gegen diese Raketen schützt sich Israel neben dem Iron Dome mit zwei weiteren Systemen, die die Bezeichnung Arrow (Pfeil) und David’s Sling (Davids Schleuder) tragen – alles bildhafte Namen, die Rundumschutz und undurchdringliche Härte suggerieren sollen. David’s Sling ist seit 2017 im Einsatz und richtet sich gegen Raketen mit einer Reichweite bis zu 300 Kilometern. Das Prinzip ist ähnlich wie das beim Iron Dome.

Auch das Arrow-System umfasst eine Radaranlage, ein Kontrollsystem und eine Abschussrampe samt Raketen. Bereits seit 1986 wird mithilfe der USA das Arrow-System aufgebaut. Der US-Flugzeughersteller Boeing war ebenfalls an der Entwicklung beteiligt. Damit will sich Israel vor allem gegen eine Bedrohung aus dem Iran schützen, was auch mögliche Raketen mit Atomsprengköpfen einschliesst. Dieses System ist ausserdem in der Lage, Langstreckenraketen sehr hoch über der Erde in der Stratosphäre, abzufangen. Die israelische Armee setzte Arrow 3 zum ersten Mal 2017 ein.

Die verschiedenen Raketenabwehrsysteme haben sich zu einem guten Exportgeschäft für Israel entwickelt. In Deutschland sollen die ersten Arrows 2025 einsatzfähig sein. Selbst die USA, von denen die Entwicklung der Systeme mit jährlichen Milliardenhilfen gefördert wird, haben 2019 Iron-Dome-Batterien in Israel gekauft. Auch Indien und Aserbaidschan nutzen israelische Raketenabwehrtechnik.

Das nächste Abwehrsystem kommt – der Iron Beam

In Israel selbst denkt man in Sachen Raketenabwehr längst weiter. Es wird an einem angeblich revolutionären neuen Laserabwehrsystem gearbeitet, das – in Anlehnung an Iron Dome – Iron Beam getauft wurde, der Eiserne Strahl. Erste Tests der vorgeblichen Wunderwaffe, die vom staatlichen Rüstungskonzern Rafael entwickelt wurde, sollen am Ramon-Krater in der Negev-Wüste bereits vielversprechend verlaufen sein. Abwehrlasersysteme bestehen aus einem hochenergetischen Lichtstrahl, der auf ein anfliegendes Objekt gerichtet wird. Der Laser des Iron Beam hat nach Angaben der Herstellerfirma eine Leistung im Bereich von mindestens 100 Kilowatt.

Der grosse Vorteil nach Einschätzung der Experten: Für die Laserabwehr sollen nur vergleichsweise geringe Kosten anfallen. Ein Schuss, so hat es Ex-Premier Naftali Bennett vorgerechnet, koste nur Strom im Wert von dreieinhalb US-Dollar. Eine einzige Abfangrakete beim Iron Dome schlägt dagegen mit rund 50’000 Franken und bei Arrow 3 gar mit mehr als zwei Millionen Euro zu Buche.

Die Entwicklung neuer Systeme hält Militärexperte Michael für dringend notwendig. «Wir leben in einer barbarischen Nachbarschaft. Unsere Feinde denken nur daran, wie sie so viele Juden wie möglich töten können. Wir müssen uns bestmöglich schützen.»

Israel's Iron Dome missile defense system fires interceptors at rockets launched from the Gaza Strip, in Ashkelon, southern Israel. Thursday, May 11, 2023. (AP Photo/Tsafrir Abayov)