Nach BancomatensprengungWie sieben Holländer versuchten, 200’000 Franken Bancomatenbeute im Casino zu waschen
Bei zwei Angriffen auf Bancomaten wurden Geldscheine im Wert von 400’000 Franken gestohlen. Die Hälfte davon tauchte wenig später im Swiss Casino Zürich wieder auf.
- Ende 2022 sprengten Unbekannte zwei Bancomaten im Kanton Baselland.
- Die Geldscheine wurden durch automatische Raubstoppfarbe unbrauchbar.
- Junge Männer aus Holland wechselten das Geld im Casino Zürich in sauberes Bargeld – im Casino Schaffhausen scheiterten sie damit.
- Die Swiss Casinos haben nun ihre Sicherheitsvorkehrungen erhöht.
Kurz vor vier Uhr in der Früh wecken drei Explosionen die Bewohnenden von Aesch im Kanton Baselland. Unbekannte haben dort Anfang November 2022 zwei Bancomaten gesprengt und dabei rund 340’000 Franken sowie 60’000 Euro erbeutet.
Die Täter entkommen unerkannt. Doch ein Grossteil des Geldes wird bei der Detonation automatisch mit Raubstoppfarbe eingefärbt. Diese lässt sich nicht mehr entfernen. Die Banknoten sind wertlos.
Bancomatensprengungen sind in der Schweiz ein eher neueres Phänomen. Seit 2018 hat die Bundespolizei mehr als 300 Angriffe auf Geldautomaten registriert. Rund ein Drittel dieser Taten wurde mit Sprengstoff verübt.
Die Täter stammen laut Fedpol mehrheitlich aus Holland und Rumänien und hinterlassen kaum Spuren. Auch im Fall von Aesch sind die Bancomatensprenger bis heute nicht überführt. Die Bundesanwaltschaft hat die Strafuntersuchung gegen unbekannt sistiert, wie ein Sprecher bestätigt.
Wie aus verfärbtem Geld «frisches» wird
16 Tage nach den Explosionen in Aesch tauchen im Swiss Casino Zürich zwei junge Männer auf. Es sind zwei Holländer, die an vier verschiedenen Spielautomaten 19’000 Franken auf ihre Casino-Cashlesskarten einzahlen. Allerdings sind die 1000-Franken-Scheine, die sie mitbringen, mit Farbe verdreckt. Dies geht aus der Anklageschrift und einem Strafbefehl der Bundesanwaltschaft hervor.
Das Duo im Alter von 20 und 22 Jahren spielt ein wenig und verzockt dabei rund 500 Franken. Kurze Zeit später lassen sich die Männer das Restguthaben von rund 18’500 Franken wieder auszahlen – mit «frischem Geld». So formuliert es das Bundesstrafgericht.
Einen Tag später kehrt der 20-Jährige gegen 1 Uhr früh ins Casino Zürich zurück. Er wiederholt das Prozedere und lässt sich erneut 53’800 Franken «frisches Geld» auszahlen.
Nur zwölf Stunden später besucht er das Casino Schaffhausen. Dort versucht er über ein Dutzend Mal verfärbte 1000-Franken-Noten in verschiedene Spielautomaten einzuwerfen. Die Automaten im Casino Schaffhausen, ein Schwesterunternehmen des Casinos Zürich, akzeptieren die verfärbten Banknoten jedoch nicht. Gegen 15 Uhr verlässt er Schaffhausen und fährt zurück nach Zürich.
Noch am gleichen Tag betritt der 20-Jährige erneut das Zürcher Casino. Dort haben die Verantwortlichen den Betrug inzwischen entdeckt. Als der Holländer das Gebäude verlassen will, halten ihn Sicherheitskräfte des Casinos auf. Er hat weitere 44’000 Franken verfärbtes Geld bei sich. Kurz darauf nimmt ihn die Stadtpolizei Zürich fest.
Das Vorgehen hat System
Der 20-Jährige ist nicht der einzige junge Holländer, der versucht hat, das verfärbte Geld im Casino Zürich zu waschen. Nur eine Stunde nach seiner Festnahme versucht ein 18-jähriger Landsmann sein Glück. Auch er wird festgenommen.
Genau eine Woche später reisen vier weitere junge Holländer per Flugzeug und Auto nach Zürich. Dort planen sie, rund 33’000 mit Raubstoppfarbe eingefärbte Frankennoten im Zürcher Casino zu wechseln. Das zeigen weitere rechtskräftige Strafbefehle. Auch sie werden verhaftet.
Männer haben Auftrag für Geldwäsche erhalten
Gemäss Forensischem Institut Zürich stammen alle im Casino Zürich sichergestellten, eingefärbten Banknoten im Nennwert von insgesamt rund 200’000 Franken von den beiden Bancomatensprengungen in Aesch.
Die jungen Männer gaben an, nicht gewusst zu haben, wo und wann das verfärbte Geld gestohlen wurde. Den Auftrag für die Geldwäsche sollen sie von einem Mann namens «Gily» erhalten haben. Er soll rund zwei Drittel der 33’000 Franken in sauberen Scheinen zurückgefordert und dies mit Drohungen unterstrichen haben. Die vier zuletzt angereisten Holländer sassen 80 Tage in Untersuchungshaft. Drei von ihnen erhielten bedingte Freiheitsstrafen von fünf bis sechs Monaten, einer wegen Gehilfenschaft eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 30 Franken, berichtete die NZZ.
Zivilklage von Casino abgewiesen
Der eingangs erwähnte 20-jährige Hauptbeschuldigte aus Amsterdam sass mehr als 100 Tage in Untersuchungshaft. In dieser Zeit gestand er, rund 113’000 Franken an verfärbten Banknoten mit sich geführt und teilweise im Zürcher Casino gewechselt zu haben. Er bestritt jedoch eine Beteiligung an den Bancomatensprengungen. Nach zwei Monaten im vorzeitigen Strafvollzug kam er frei und reiste wie die anderen Beschuldigten zurück nach Holland.
Nun hat das Bundesstrafgericht den 20-Jährigen wegen gewerbsmässig betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Zudem wird er für fünf Jahre des Landes verwiesen.
Die Zivilklage des Casinos hat das Bundesstrafgericht allerdings abgewiesen. Auch auf die vom Zürcher Casino gestellte Ersatzforderung verzichten die Richter mit der Begründung, dass der Beschuldigte seinen Wohnsitz in Holland habe und mittellos sei.
Gericht kritisiert Casinos Zürich
In seiner Urteilsbegründung schreibt das Bundesstrafgericht, dass die Automaten des Casinos Schaffhausen seit geraumer Zeit offensichtlich mit Farbdetektoren ausgerüstet waren und daher die verfärbten Geldscheine nicht annahmen. Es sei «zumindest zweifelhaft», dass das Casino Zürich bei seinen Automaten «den erforderlichen Kontrollstandard etabliert hatte».
Dass in den letzten Jahren schweizerische Bancomaten sukzessive mit Raubstoppfarben aufgerüstet wurden, um dem grassierenden Phänomen der Bancomatensprengungen präventiv zu begegnen, hätte auch dem Casino Zürich bekannt sein können, kritisiert das Gericht im nicht rechtskräftigen Urteil.
Alte Geldscheinprüfer funktionierten
Für Marcus Jost, Direktor von Swiss Casinos Zürich, sind die Feststellungen des Bundesstrafgerichts «unvollständig und fehlerhaft». Aus diesem Grund habe er – im Gegensatz zum Beschuldigten – gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Laut Jost würden die Geldscheinprüfer in den Spielautomaten Verfärbungen je nach Sensibilisierungseinstellungen erkennen. Dabei seien im Casino Schaffhausen ältere Modelle im Einsatz gestanden. Diese erkannten die verfärbten Scheine.
Unmittelbar nach den Vorfällen führte die Swiss-Casinos-Gruppe «umfassende Tests durch und optimierte die Einstellungen». Der Bargeldfluss werde nun durch niedrigere Schwellenwerte «noch strenger kontrolliert».
In Kombination mit standardmässigen Ausweiskontrollen, lückenloser Kameraüberwachung und aufmerksamen Mitarbeitern sollen die ergriffenen Massnahmen «diese Art von kriminellen Handlungen künftig verhindern», so Casinochef Jost.
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