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Raketenangriffe der Hizbollah
«Mehr Feuerkraft als die meisten europäischen Länder zusammen­genommen»

epa10920595 Smoke rises after Hezbollah targeted an Israeli army post in the vicinity of Alma al-Shaab, at the Lebanese-Israeli border, Lebanon, 15 October 2023. According to the Israeli Defense Forces (IDF), anti-tank missiles were fired at soldiers operating along the Lebanese border, and Israeli forces responded by striking Hezbollah military targets.  EPA/WAEL HAMZEH
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Die Sorge vor einem Zweifrontenkrieg ist an diesem Sonntag in israelischen Militärkreisen grösser geworden. Denn es waren mehr als die vereinzelten Scharmützel der vergangenen Tage, die im libanesisch-israelischen Grenzgebiet zu beobachten waren. Die Hizbollah scheint ganz gezielt gleich an mehreren Stellen aktiv zu werden, um möglichst viele Kräfte der israelischen Armee im Norden des Landes zu binden.

Der Sprecher der israelischen Armee, Daniel Hagari, warf der Hizbollah-Miliz im Libanon am Sonntagabend vor, die Spannungen an der Grenze bewusst zu schüren, um die israelische Bodenoffensive zu verhindern. Israel plant die Offensive als Reaktion auf die Angriffe der radikalislamischen Hamas vom Gazastreifen aus. Auch diese Angriffe gehen weiter: Der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen dauerte am Sonntag unvermindert an, selbst im Zentralraum rund um Tel Aviv gab es Alarm.

Aus dem Libanon flogen am Sonntag mindestens fünfmal Panzerabwehrraketen und Mörsergranaten in Richtung Nordisrael, am Abend kam es noch zu Feuergefechten direkt an der Grenze. Eine Rakete schlug auf einer Baustelle ein. Ein israelischer Arbeiter wurde getötet, drei weitere wurden verletzt. Die israelische Armee griff daraufhin auch mit Kampfhubschraubern «militärische Infrastruktur» im Süden des Libanon an.

Das Hauptquartier der im Südlibanon stationierten Soldaten der UN-Friedensmission Unifil meldete am Sonntag ebenfalls einen Raketeneinschlag – unklar ist aber noch, welche Seite dafür verantwortlich ist. Verletzt wurde niemand.

Die Eskalation im Norden beobachtet Yoel Guzansky vom israelischen Thinktank INSS mit Sorge. Er betont, dass das israelische Raketenabwehrsystem Iron Dome sehr gefordert wäre, wenn es massiven Beschuss gleich an zwei Fronten gäbe. Der Militärexperte verweist darauf, dass die Hizbollah über ein ungleich grösseres Arsenal als die Hamas verfüge. Wenn die Schiitenmiliz davon Gebrauch mache, dann seien Hunderte Tote auf israelischer Seite zu befürchten.

Nach Einschätzung von Experten soll die Hizbollah über ein Arsenal von bis zu 150’000 Raketen verfügen – darunter 5000 Mittel- und Langstreckenwaffen mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern, die sogar den Grossraum Tel Aviv mit seinen zahlreichen Hochhäusern erreichen könnten. Damit verfüge die Miliz «über mehr Feuerkraft als die meisten europäischen Länder zusammengenommen», sagte Yaakov Amidror vom Begin-Sadat-Institut für strategische Studien in einem Interview mit der «Jerusalem Post».

20’000 aktive Kämpfer und 30’000 «Reservisten»

Das in Washington ansässige Zentrum für internationale strategische Studien beschreibt die Hizbollah als «den am stärksten bewaffneten nicht staatlichen Akteur» der Welt: Die Hizbollah sei «eine Miliz, die wie eine reguläre Armee ausgebildet und wie ein Staat ausgerüstet ist».

Israeli forces launch artillery fire towards southern Lebanon from the border zone in northern Israel on October 9, 2023, as Hezbollah denied involvement in  clashes or "any infiltration attempt" into Israel. The Israeli army said on October 9 its soldiers had "killed a number of armed suspects" who had crossed the border from Lebanon and that Israeli helicopters were striking targets in the area. (Photo by Jalaa MAREY / AFP)

2006 hatte die israelische Armee versucht, die Hizbollah entscheidend zu schwächen. Unter den etwa 2000 Toten auf libanesischer Seite sollen sich 500 Hizbollah-Kämpfer befunden haben. Die von der Schiitenmiliz kontrollierten Stadtviertel im Süden von Beirut wurden nach tagelangen israelischen Luftangriffen dem Erdboden gleichgemacht, im Süden des Landes wurden Strassen und Brücken zerstört.

Aber zerschlagen werden konnte die vom Iran finanzierte und ausgerüstete Miliz nicht. Mit etwa 20’000 aktiven Kämpfern und 30’000 «Reservisten» ist sie heute ganz erheblich stärker als vor 17 Jahren.

Wie gross der Einfluss des Iran ist, wurde bei einem Auftritt des iranischen Aussenministers Hossein Amir-Abdollahian am Samstag deutlich. «Jeder hat Szenarien entworfen, und jeder hat die Hand am Abzug», sagte er nach einem Treffen mit Hizbollah-Vertretern in Beirut.

Auch Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant versicherte am Sonntag: «Wir haben kein Interesse an einem Krieg im Norden, wir wollen die Situation nicht eskalieren lassen.» Wenn die Hizbollah den Kriegspfad einschlage, dann werde die Schiitenmiliz einen hohen Preis dafür zahlen.