Eskalation im Nahen OstenIsrael startet Bodenoffensive im Libanon – das ist bekannt
Die Bodenoffensive Israels im Süden Libanons hat begonnen. Es gibt Luftangriffe auch nahe Beirut und in Syrien. Die Hizbollah zeigt sich wehrhaft.
Mit einer in der Nacht gestarteten Bodenoffensive Israels gegen die Hizbollah-Miliz im Libanon hat die Lage in Nahost eine neue Eskalationsstufe erreicht. Die israelische Armee sprach von «begrenzten» Angriffen auf Ziele in Grenznähe und nannte diese eine unmittelbare Bedrohung für Gemeinden in Nordisrael. Israels Luftwaffe bombardierte am späten Abend zudem erneut Ziele nahe der libanesischen Hauptstadt Beirut. Die Lage im Libanon ist dramatisch: Nach libanesischen Angaben kamen innerhalb von 24 Stunden fast 100 Menschen im Land ums Leben. Unterdessen flogen auch auf Israel wieder Raketen.
Israels Armee teilte auf X mit, vor einigen Stunden habe man «mit begrenzten, lokalisierten und gezielten Bodenangriffen auf der Grundlage präziser Geheimdienstinformationen gegen terroristische Ziele und Infrastruktur der Hizbollah im Südlibanon» begonnen. Diese Ziele der proiranischen Schiiten-Miliz befänden sich in grenznahen Dörfern und stellten eine unmittelbare Bedrohung für israelische Gemeinden in Nordisrael dar.
Die israelische Luftwaffe und die Artillerie unterstützten die Bodentruppen mit präzisen Angriffen auf militärische Ziele in diesem Gebiet. Die Armee tue alles, was notwendig sei, um die Bürger Israels zu verteidigen und die Bürger Nordisraels in ihre Häuser zurückzubringen. Die Operation werde parallel zu den Kämpfen im Gazastreifen gegen die Hamas und in anderen Gebieten fortgesetzt.
Operation komplexer als jene in Gaza
Die Bodenoperationen im Libanon werden komplexer sein als jene im Gazastreifen, sagt die israelische Armee Ynet zufolge. Dies, weil die Hizbollah «einige ihrer Kapazitäten noch nicht eingesetzt habe» – so etwa unterirdische Bunker für den Kampf gegen israelische Streitkräfte.
Für den Einsatz seien die Soldaten in den vergangenen Monaten trainiert worden, teilte die israelische Armee weiter mit. Demnach waren die Bodentruppen, die in den Libanon vorgedrungen sind, vorher im Gazastreifen im Einsatz. Israel will die Rückkehr von 60’000 Israelis ermöglichen, die seit Monaten durch die Hizbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden.
Hizbollah feuert weiter Raketen auf Israel ab
Die Hizbollah-Miliz setzt ihre Angriffe auf den Norden Israels fort. Es seien mehrere Geschosse vom Libanon aus auf das Gebiet um die Grenzstadt Metulla und den Ort Avivim abgefeuert worden, teilte die Armee mit. Einige seien von der Raketenabwehr abgefangen, andere eingeschlagen, teilweise auf offenem Gebiet.
Die Nachrichtenseite Ynet berichtete von insgesamt 15 Geschossen. Die Hizbollah reklamierte die Angriffe auf Metulla für sich. Ziel seien Ansammlungen von Soldaten gewesen. Die Armee hatte das Gebiet vor Beginn des Bodeneinsatzes im Süden des Libanons zum militärischen Sperrgebiet erklärt.
Am Montag hatte sich erstmals nach der Tötung von Hizbollah-Chef Hassan Nasrallah die Spitze der islamistischen Miliz zu Wort gemeldet und ihre Kampfbereitschaft signalisiert. «Wir wissen, dass der Kampf lang dauern könnte und sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet», sagte der stellvertretende Hizbollah-Chef Naim Kassim in einer im Fernsehen übertragenen Rede. «Wenn Israel sich entscheidet, eine Bodenoffensive zu starten: Wir sind bereit.» Wer die Hizbollah anführen soll, sagte er nicht.
Auf Israel flogen auch am frühen Dienstagmorgen Raketen. Die Armee teilte auf Telegram mit, in der Gegend von Meron in Nordisrael seien etwa zehn Geschosse abgefangen worden. Einige seien im offenen Gelände abgestürzt. Zudem habe die Luftabwehr vor Kurzem eine Drohne Dutzende Kilometer vor der Küste Zentralisraels abgefangen, hiess es weiter. Die Hizbollah griff nahe der südlichen Grenze nach eigener Darstellung indes israelische Soldaten an. Diese hätten sich auf israelischer Seite in Obsthainen nahe der Grenze bewegt, hiess es am Abend. Infolge der Angriffe habe es auf israelischer Seite auch Opfer gegeben.
Israel: Waffenfabriken bei Beirut angegriffen
Der Konflikt zwischen Israel und der Hizbollah-Miliz hatte sich zuletzt dramatisch verschärft. Seit Tagen greift das israelische Militär massiv Ziele in dem Nachbarland an, nach eigener Darstellung unter anderem Waffenlager der Hizbollah. Der Libanon meldete Hunderte Tote und Verletzte. Am Freitag waren bei einem gezielten israelischen Luftangriff der Hizbollah-Führer Hassan Nasrallah und weitere Hizbollah-Kämpfer getötet worden.
Auch die Hizbollah schiesst seit den neu entfachten intensiven Kämpfen an manchen Tagen Hunderte Raketen auf Israel. Die Miliz hat nach Ausbruch des Gaza-Kriegs ihre sogenannte «Solidaritätsfront» eröffnet und Tausende Raketen auf Israel abgefeuert.
Auch nahe der libanesischen Hauptstadt Beirut bombardierte die israelische Luftwaffe erneut Ziele. Eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete am Abend von mindestens sieben schweren Explosionen und Erschütterungen in einem südlichen Vorort. Zuvor hatte ein Sprecher der israelischen Armee Einwohner der südlichen Vororte von Beirut über soziale Medien zum Verlassen ihrer Häuser und Wohnungen aufgefordert.
Dabei seien mehrere Waffenfabriken und Infrastruktur der Hizbollah in einem südlichen Vorort von Beirut angegriffen worden. Die Angriffe seien mithilfe von Geheimdiensthinweisen erfolgt, hiess es in einer Mitteilung der Armee. Es seien Schritte unternommen worden, um möglichen Schaden an Zivilisten zu verringern. Es gab zunächst keine Berichte über Opfer bei den Angriffen, die am späten Montagabend erfolgten.
Bei einem israelischen Luftangriff auf die syrische Hauptstadt Damaskus wurden unterdessen einem Medienbericht zufolge drei Menschen getötet. Bei Angriffen auf mehrere Orte in der Stadt seien drei Zivilisten ums Leben gekommen und neun weitere verletzt worden, berichtete Syriens staatliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf eine Militärquelle am frühen Dienstagmorgen.
USA warnen Iran vor Vergeltungsangriff
Die Bodenoffensive war erwartet worden. Israel hatte Washington nach Angaben der US-Regierung über begrenzte Einsätze des Militärs an der libanesischen Grenze informiert. Israel habe mitgeteilt, dass es sich dabei um «begrenzte Operationen» handele, die sich auf «die Infrastruktur der Hizbollah in der Nähe der Grenze» konzentrierten, sagte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller. Vor Beginn der israelischen Bodenoffensive hatte die libanesische Armee laut Militärkreisen Soldaten von der Grenze zurückgezogen. Mehrere Gegenden in Nordisrael wurden zu militärischem Sperrgebiet erklärt.
Nach dem Start Bodenoffensive haben die USA den Iran vor Vergeltungsangriffen auf Israel gewarnt. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin schrieb auf der Plattform X nach einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joav Galant: «Ich habe erneut auf die schwerwiegenden Konsequenzen für den Iran hingewiesen, falls dieser sich zu einem direkten militärischen Angriff auf Israel entschliessen sollte.» Er habe deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten das Recht Israels auf Selbstverteidigung unterstützen.
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Auch er sehe die Notwendigkeit eines Bodeneinsatzes im Libanon, um das Grenzgebiet von Waffen der Schiitenmiliz Hizbollah und anderer Ausrüstung zu befreien, die für Angriffe auf Israel genutzt werde, sagte er in einem Telefonat mit Galant. «Wir waren uns über die Notwendigkeit einig, Angriffsinfrastruktur entlang der Grenze aufzulösen», schrieb er weiter.
Das Pentagon erklärte am Abend, seine militärischen Fähigkeiten im Nahen Osten angesichts der aktuellen Lage entsprechend auszurichten. «Wir haben die Einsatzbereitschaft zusätzlicher US-Kräfte erhöht, um auf verschiedene Eventualitäten zu reagieren», sagte Sprecherin Sabrina Singh. Demnach würden bereits im Nahen Osten stationierte Truppen länger im Einsatz bleiben. Ursprünglich zu deren Ersatz vorgesehene Truppen würden zur weiteren Verstärkung hinzugezogen. Es gehe insbesondere um die Verteidigung aus der Luft.
DPA/AFP/oli
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