Verbündete gegen IsraelUnter Hizbollah-Anhängern wächst die Wut auf den Iran
Erstmals seit dem Tod von Hassan Nasrallah hat sich ein Führungsmitglied der Terrormiliz zu Wort gemeldet. Unterdessen führt Israel eine Bodenoffensive durch.
- Die israelische Armee hat Beirut am Montagmorgen bombardiert.
- Die Hizbollah-Führung ist nach Nasrallahs Tod völlig gelähmt.
- Etwa eine Million Menschen im Libanon sind auf der Flucht.
- Netanyahu stärkt seine Regierung mit einem neuen Minister.
Die Bodenoffensive Israels im Libanon hatte einen Vorboten: Am frühen Montagmorgen traf es zum ersten Mal die Innenstadt von Beirut, die bisher immer als rote Linie galt im schon Jahrzehnte dauernden Konflikt zwischen der Hizbollah im Libanon und der israelischen Armee. Aber rote Linien gelten nicht mehr, seit Tausende Hizbollah-Mitglieder mit explodierenden Pagern und Walkie-Talkies verletzt und getötet wurden, die nach Ansicht aller Experten von Israels Geheimdiensten präpariert worden waren.
Und rote Linien gibt es nicht mehr, seit Israels Luftwaffe Hizbollah-Chef Hassan Nasrallah am Freitagabend mit Dutzenden Bomben unter einem riesigen Haufen Schutt begrub. Das war in Dahieh, wie die südlichen Vororte Beiruts heissen, wo die Hizbollah besonders viele Anhänger hat.
Am Montag traf es nun das Cola-Viertel nahe dem Zentrum, das so heisst, weil es hier lange eine Coca-Cola-Abfüllanlage gab. Beim Angriff starben drei Mitglieder der Volksfront zur Befreiung Palästinas. Es war ein Zeichen, dass die israelische Armee nicht nur die Hizbollah im Visier hat, sondern alle Gruppen im Libanon, die Israel vernichten wollen. (Lesen Sie hier eine Reportage über die Lage der Menschen in Beirut vor Israels Offensive.)
Interimschef Naim Kassem will Kampf fortsetzen
Mit der Parole, diesen Kampf gegen Israel fortzusetzen, meldete sich Naim Kassem und damit erstmals ein Mitglied des Hizbollah-Führungskreises zu Wort. Kassem ist nach Nasrallahs Tod zum Interimschef gewählt worden. Konkretes hatte er nicht zu verkünden, nicht einmal einen Termin für die Beerdigung Nasrallahs, die nach muslimischem Ritus so schnell wie möglich stattfinden muss.
Womöglich scheitert sie daran, dass seine Überreste bisher nicht gefunden wurden oder nicht genug davon. Auch der Ort der Beerdigung ist unklar, vielleicht in Beirut, wo er geboren wurde, vielleicht im Südlibanon, woher die Familie stammt.
Beide Orte sind aber unter israelischem Beschuss, weshalb auch Ramallah im palästinensischen Westjordanland infrage kommt, wo Nasrallahs Frau leben soll, oder Karbala im Irak, einer der heiligsten Orte der Schiiten. Klar ist aber: Erst nach der Beisetzung wird es eine neue Führung der Hizbollah geben, die immer noch völlig gelähmt ist.
Angriffe gehen weiter, eine Million Flüchtlinge im Libanon
Unterdessen sollen im Libanon dem Gesundheitsministerium zufolge etwa eine Million Flüchtlinge ihre Häuser verlassen haben, aus Angst vor den Angriffen der Israelis. Überall im Land gehen die Angriffe weiter. Früher kam die Hizbollah schnell zu Hilfe, diesmal ist sie nirgends zu sehen. Unter den Anhängern wächst die Wut auf den Sponsor Iran, dessen Führer deutlich gemacht haben, dass die Hizbollah keine Hilfe erwarten könne aus Teheran.
Gleiches gilt für Syrien, wo die Hizbollah-Kämpfer einst Bashar al-Assad vor dem Untergang retteten. Dieser liess sich nun zwei Tage Zeit, um sein Beileid für den Tod Nasrallahs auszusprechen.
In Beirut liessen einige Hizbollah-Anhänger ihre Wut an syrischen Flüchtlingen aus, die misshandelt wurden. Etwa 100’000 Syrer, die im Libanon Zuflucht gesucht hatten, sind offenbar wieder auf dem Weg zurück, auf der Flucht vor dem nächsten Krieg. (Lesen Sie hier eine Analyse zu Netanyahus Strategie.)
Dieser eskaliert nun im Süden des Libanon, wo Israels Armee die Grenze überschritten und eine Bodenoffensive gestartet hat. Die Hizbollah hat reagiert und meldet: «Wir sind kampfbereit», so ein Sprecher.
Netanyahu sichert Regierung ab
Inmitten dieser angespannten Zeit setzt Israels Armee nicht nur ihren Einsatz gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen fort, sondern schlägt auch in mehr als 1700 Kilometer Entfernung zu. So bombardierte die israelische Luftwaffe mit Dutzenden Flugzeugen zum zweiten Mal den Hafen al-Hudaida im Jemen sowie einige Kraftwerke. Man habe darauf reagiert, dass die mit dem Iran verbündete Huthi-Miliz nach der Tötung Nasrallahs von dort aus Raketen auf Israel abgefeuert habe, hiess es. Bereits im Juli hatte die Luftwaffe al-Hudaida bombardiert.
Benjamin Netanyahu, dem innenpolitisch weiter unter Druck stehenden Premierminister Israels, gelang es, seine Macht weiter abzusichern. Der Oppositionspolitiker Gideon Saar wird als Minister ohne Geschäftsbereich in die Regierung eintreten und auch einen Platz im Sicherheitskabinett erhalten. Saar gehörte bereits bis März 2024 der Einheitsregierung an, die nach dem mörderischen Überfall der Hamas am 7. Oktober gebildet worden war, und verliess diese aus Frust über Netanyahus Kriegspolitik. Nun kehre er aus Patriotismus zurück, um «die Einigkeit Israels und seiner Regierung zu stärken».
Fehler gefunden?Jetzt melden.