Israels OffensiveWird der Krieg im Libanon ein weiteres Gaza?
Satellitenbilder zeigen die Verwüstungen, die Israels Angriffe im Süden des Libanon gebracht haben. Die Zivilbevölkerung und UNO-Soldaten geraten immer wieder ins Visier.
- Die israelischen Angriffe auf den Südlibanon haben zu massiven Zerstörungen geführt.
- Mindestens 22 Personen starben bei einem Luftangriff in Beirut.
- UNO-Truppen wurden mehrfach angegriffen und verletzt.
- Beirut und Tyros erlitten erhebliche Schäden durch wiederholte Luftangriffe.
Am Dienstag hissten israelische Soldaten die Flagge mit dem Davidstern im kleinen Örtchen Maroun al-Ras, direkt hinter der Grenze. Der Ort wurde durch die israelischen Angriffe schwer beschädigt, ebenso wie Yaroun ganz in der Nähe. Beide Orte liegen im Südosten des Libanon. Dort rückt das israelische Militär seit einigen Tagen vor.
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Die Einwohner sind schon vor Monaten geflohen. Auf Satellitenbildern kann man sehen, wie viele Gebäude in Maroun al-Ras, darunter das Gemeindezentrum, von Bulldozern und Panzern zerstört wurden. Im Ortskern von Yaroun sind ebenfalls schwere Schäden zu erkennen, es wurden dabei auch eine 300 Jahre alte Moschee und ein Ärztehaus zerstört.
Die Hizbollah feuert weiter
Ende September begann das israelische Militär (IDF) eine Offensive, die «lokal und begrenzt» sein sollte, zumindest was den Einsatz von Bodentruppen betrifft. (Lesen Sie hier alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in Nahost.)
Die Hizbollah hatte am 8. Oktober 2023, einen Tag nach dem Überfall der Hamas, damit begonnen, Israel mit Raketen und Drohnen anzugreifen. 67 Menschen wurden getötet und mehr als 68’000 aus ihrer Heimat vertrieben. Die israelischen Gegenschläge folgten unmittelbar. Mittlerweile hat Israel eine vierte Division in den Norden geschickt und die Hizbollah feuert weiter auf israelisches Territorium – am Freitag kam dabei ein Mann durch herabfallende Munition ums Leben. (Lesen Sie hier ein Porträt des libanesischen Gesundheitsministers).
Noch vor einem Jahr schrieb eine Nutzerin namens Sarah A. eine Google-Bewertung über Maroun al-Ras: «Schöner öffentlicher Garten mit toller Aussicht. Es gibt kleine Bereiche, in denen Familien Picknicks machen können, und jede Hütte ist mit einem Grill und einem Wasserhahn ausgestattet, falls man alles nutzen möchte.»
Diese Idylle fand am 2. Oktober dieses Jahres endgültig ihr Ende, als sich Hizbollah-Kämpfer heftige Gefechte mit IDF-Soldaten lieferten, die aus dem Osten in den Ort vordringen wollten.
Ein Ort mit symbolischer Bedeutung
Fabian Hinz, Research Fellow für Verteidigungs- und Militäranalysen des International Institute for Strategic Studies (IISS), sagt auf Anfrage dieser Redaktion, dass die Einnahme des Ortes eine symbolische Bedeutung habe, die weit über die militärische Kontrolle hinausgeht.
Nicht nur war der Ort schon 2006, während der letzten Invasion, Schauplatz von Kämpfen israelischer Einheiten mit der Hizbollah. Dort eröffnete die Miliz in Zusammenarbeit mit dem Iran auch eine Art Themenpark des Widerstands, der unter anderem einen kleinen Nachbau des Jerusalemer Felsendoms umfasste. Heute ist er zwischen Staub und Trümmern nur noch an der goldschimmernden Kuppel auf Luftaufnahmen zu erkennen.
Der Park umfasste auch einen militärischen Parcours, und Hizbollah-nahe Organisationen nutzten das Gelände immer wieder für Veranstaltungen, so Hinz. Von dem 2020 von den USA getöteten iranischen General Qassim Soleimani wurde hier eine Bronzestatue errichtet.
UNO-Friedenstruppe unter Beschuss
Der Angriff auf den Libanon hat mittlerweile eine Intensität erreicht, die die Vereinten Nationen warnen lässt: Der Krieg im Libanon könne «ein weiteres Gaza» werden.
Nach Angaben libanesischer Gesundheitsbehörden und internationaler Beobachtungsgruppen wie ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) sind mindestens 1400 Menschen im Libanon bei israelischen Luftangriffen getötet worden, 7500 wurden verletzt. Mehr als eine Million Menschen wurden vertrieben.
In dieser Woche wurde die UNO an drei Tagen in Folge selbst getroffen. Israelische Soldaten hatten das Feuer auf Positionen der Friedenstruppe Unifil eröffnet, unter anderem auf den Aussichtsturm des UNO-Hauptquartiers in Naqura und einen Bunker, in dem die Blauhelme Schutz gesucht hatten. Insgesamt vier Soldaten wurden verletzt.
Die Unifil-Soldaten sind laut einer Stellungnahme des israelischen Militärs angewiesen worden, sich an sichere Orte zu begeben. Erst danach habe man das Feuer eröffnet. Hizbollah-Kämpfer agierten innerhalb von und nahe zivilen Gebieten im Südlibanon, dazu zählten die Gegenden um Unifil-Stützpunkte. «Unsere Empfehlung lautet, dass die Unifil sich fünf Kilometer nach Norden verlegt», sagte Israels UNO-Botschafter Danny Danon. Damit könnten angesichts der sich intensivierenden Kämpfe «Gefahren vermieden werden».
Die Unifil erinnerte ihrerseits in einem Statement daran, dass «jeder vorsätzliche Angriff auf Friedenssoldaten eine schwerwiegende Verletzung des humanitären Völkerrechts darstellt». Zudem betonte sie: «Wir erinnern die IDF und alle Akteure an ihre Verpflichtungen, die Sicherheit und den Schutz von UNO-Personal und -Eigentum zu gewährleisten und die Unverletzlichkeit der UNO-Gebäude jederzeit zu respektieren.»
Die UNO-Soldaten sollen eigentlich eine Zone im Süden des Libanondes überwachen, die bis zum Litani-Fluss geht, in der nach der Resolution 1701 des UNO-Sicherheitsrates die Hizbollah entwaffnet werden soll – was aber nie umgesetzt wurde. Dies sei nun das Ziel der Angriffe, teilt das israelische Militär mit.
Auch Beirut wird wieder und wieder getroffen
Die israelische Offensive geht aber weit über die Zone im Süden hinaus. Im ganzen Land fliegen die Streitkräfte Luftangriffe, mit bis zu hundert Maschinen gleichzeitig, wie das Militär mitteilte. Das israelische Militär hat die Bewohner von etwa 110 Ortschaften und Regionen im ganzen Land aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Die Strände von der israelischen Grenze bis zum Awali-Fluss dürfen nicht betreten werden, Boote nicht ablegen.
Videos und Bilder eines Hochhauses in Tyros zeigen die Zerstörung, die diese Luftangriffe zur Folge haben können. Am 7. Oktober erlebte der Küstenort, knapp 20 Kilometer von der israelischen Grenze und 80 Kilometer von Beirut entfernt, einen heftigen Luftschlag. Laut Google Maps war das Hochhaus von zivilen Einrichtungen umgeben – darunter eine Apotheke, ein Gaming-Shop sowie ein Friseursalon.
Auch in Beirut kommt es immer wieder zu Luftangriffen – auf die südlichen Stadtviertel, wo die Hizbollah besonders viele Anhänger hat, aber auch auf das Zentrum der Stadt. Allein bei einem Angriff am Donnerstagabend seien 22 Menschen getötet und 117 verletzt worden, wie das libanesische Gesundheitsministerium mitteilte. Das vermutete Ziel sei Wafiq Safa gewesen, ein ranghohes Hizbollah-Mitglied. Dieser sei dem Angriff nach Angaben aus Sicherheitskreisen entgangen.
Unter den Toten ist nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aber eine achtköpfige Familie, darunter drei Kinder. Sie stamme aus dem Süden des Libanon und habe sich vor den israelischen Angriffen in Sicherheit bringen wollen.
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