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Gesundheitsminister Firas Abiad
Diesem Arzt vertrauen die Menschen im Libanon

Director of the Rafic Hariri University Hospital (RHUH) Firass Abiad, speaks during an interview at the hospital in Lebanon's capital Beirut on July 23, 2021. Lebanon's crashing economy has piled pressure on hospitals, leaving them increasingly ill-equipped to face any new wave of the novel coronavirus, a top hospital director has warned. (Photo by AFP)
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In Kürze:
  • Der bewaffnete Konflikt im Libanon fordert zahlreiche Todesopfer und Verletzte.
  • Das libanesische Gesundheitswesen steht vor dem Kollaps.
  • Gesundheitsminister Firas Abiad ist als vertrauenswürdiger Politiker angesehen.
  • 1,2 Millionen Menschen sind nach israelischen Luftangriffen auf der Flucht.

Firas Abiad will die Menschen hinter den Zahlen sichtbar machen. Die Menschen, die getötet werden im bewaffneten Konflikt zwischen der Terrororganisation Hizbollah und Israel. Und jene, die flüchten müssen, ihre Häuser verlassen, im Freien übernachten, hungernd und frierend. (Lesen Sie hier eine Reportage aus dem Libanon über die Lage der Flüchtlinge.)

Seit der jüngsten Eskalation vor drei Wochen wurden laut dem libanesischen Gesundheitsminister Abiad 2119 Menschen in seinem Land durch israelische Luftangriffe getötet und mehr als 10’000 verletzt. Wie viele davon Angehörige der Hizbollah sind, teilen die Behörden in Beirut nicht mit.

1,2 Millionen Flüchtlinge

Die israelische Armee bombardiert nach libanesischen Angaben auch Kliniken. Dabei starben bislang mindestens 50 Sanitäter. Über 1,2 Millionen Menschen wurden nach UNO-Angaben durch die Luftangriffe vertrieben. Die Notunterkünfte sind schon jetzt voll. Der Beginn des neuen Schuljahres wurde auf Anfang November verschoben.

Als Gesundheitsminister muss Firas Abiad an vielen Fronten kämpfen und steht oft vor unmöglichen Aufgaben. Seit Mitte September mussten fast 40 medizinische Einrichtungen schliessen, viele melden schwere Schäden nach israelischen Attacken. Es mangelt an Strom, Wasser und medizinischen Hilfsgütern. Im Libanon tobt der blutigste Konflikt seit mehr als 30 Jahren. Das Gesundheitswesen steht vor dem Kollaps.

epa11646056 Syrian and Lebanese refugees fleeing Israel's bombardments in the south of Lebanon and the suburbs of Beirut, walk at Massna border crossing, Lebanon, 06 October 2024. People leaving Lebanon are making the crossing on foot, carrying heavy suitcases, large burlap or supermarket bags, small children and babies, and some elderly people travel on horseback. Vehicles are unable to travel through Massna, the main border crossing between Lebanon and Syria, due to recent Israeli strikes. The explosions have left two deep craters halfway between the border controls of the two countries, making the road impassable in both directions ever since.  EPA/JOAO RELVAS

Firas Abiad ist einer der wenigen Politiker des krisengebeutelten Zedernstaats, denen die Menschen vertrauen. «Man müsste schon sehr pingelig sein, um etwas zu finden, was ihn als Gesundheitsminister diskreditieren könnte», schrieb die libanesische Zeitung «L’Orient-Le Jour», als Abiad 2021 auf seinem Posten ernannt wurde. So viel Lob erhält kaum jemand in der libanesischen Elite, die als korrupt, zerstritten und intrigant gilt.

Ein Mann mit weisser Weste

Abiad – sein arabischer Name bedeutet «weiss» – geniesst den Ruf eines Mannes mit weisser Weste. Als Chef des Rafiq-Hariri-Spitals gelang es ihm zwischen 2015 und 2021, die grösste Klinik im Libanon zu sanieren, das Personal zu schulen und die Ausrüstung zu modernisieren. Landesweit bekannt wurde der angesehene Chirurg während der Corona-Pandemie, als er trotz der desaströsen Wirtschaftslage ein Impfzentrum eröffnete und die verunsicherte Bevölkerung offen informierte.

Davon zeugen fast 4000 Tweets, die er während der Ausbreitung der Seuche absetzte. Sein Twitter-Konto (heute «X») war für Libanesinnen und Libanesen zeitweise die wichtigste Informationsquelle. Kaum war die Corona-Krise ein wenig abgeklungen, brach im Oktober 2022 eine Choleraepidemie aus. Nach wenigen Monaten konnte Gesundheitsminister Abiad stolz verkünden, dass die Epidemie erfolgreich eingedämmt worden sei.

Ein Lagerhaus als Symbol für die Krise

Vertreter internationaler Organisationen beschreiben Abiad als Workaholic. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) arbeitete eng mit ihm zusammen, insbesondere um syrischen Flüchtlingen eine medizinische Versorgung zu ermöglichen. Seit dem Ausbruch des Kriegs in Syrien im Jahr 2011 hat der Libanon 1,5 Millionen Vertriebene aufgenommen. Aufgrund der jüngsten Eskalation hat sich eine Gegenbewegung ergeben, etwa 220’000 Menschen sind nun aus dem Libanon nach Syrien geflohen.

Das kleine Land am Mittelmeer steckt seit 2019 in einer tiefen Wirtschaftskrise. Abiad schätzt, dass seither 30 Prozent der Ärztinnen und Krankenpfleger ausgewandert sind. Als Symbol für die Krise stehen die Trümmer eines Lagerhauses im Hafen von Beirut: Am 4. August 2020 gingen dort knapp 2800 Tonnen Ammoniumnitrat in die Luft und verwüsteten weite Teile des Hafens und der Innenstadt.

Am liebsten spricht er über Fussball

Firas Abiad wurde 1970 in London geboren. Er ist mit einer Gynäkologin verheiratet. Das Paar hat drei Kinder. Abiad studierte Medizin an der Amerikanischen Universität in Beirut und liess sich in den USA und in Grossbritannien weiterbilden.

Lebanon's Health Minister Firas Abiad (L) and Qatar's Minister of State for International Cooperation Lolwah bint Rashid al-Khater (R) give a joint press conference at Beirut Governmental University Hospital in the Karantina neighbourhood of Beirut on October 8, 2024. (Photo by Callum PATON / AFP)

Wegen seiner Weltläufigkeit und Weltgewandtheit stehen ihm die Türen westlicher Diplomaten in Beirut weit offen. Am liebsten spreche Abiad über Fussball oder zitiere aus Büchern, die er gerade lese, sagen Leute, die ihn kennen. Diese Zeiten scheinen für ihn aber vorläufig vorbei zu sein. Jetzt verbringt er viel Zeit auf dem Flughafen der libanesischen Hauptstadt, wo er Hilfslieferungen aus Frankreich, Katar und der Türkei in Empfang nimmt.

Oder er lässt sich von Medizinern informieren über die Folgen der Pager-Explosionen in den Händen der Hizbollah-Mitglieder. Einer der Augenärzte sagte dem Minister, er habe an einem Tag mehr Enukleationen – operative Entfernung des Augapfels – durchgeführt als in seiner gesamten Laufbahn. Im Nahen Osten gilt jetzt wieder das alttestamentarische Gesetz: Auge um Auge, Zahn um Zahn.