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Naim Qassem
Die Hizbollah hört jetzt auf sein Kommando

An image grab taken from Hezbollah's Al-Manar TV shows deputy chief Naim Qassem delivering a speech from an undisclosed location on September 30, 2024. Hezbollah vowed to keep fighting Israel after its leader, Hassan Nasrallah, was killed in a massive air strike that dealt the group a seismic blow. In a televised address on September 30, the Iran-backed group's deputy chief Naim Qassem said a new chief to replace Nasrallah would be selected "at the earliest opportunity". (Photo by AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / HO / AL-MANAR" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS
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In Kürze:
  • Naim Qassem von der Hizbollah betonte den unerschütterlichen Widerstand nach Nasrallahs Tod.
  • Trotz Verlust des Führers bleibt für die Hizbollah ein Waffenstillstand ausgeschlossen.
  • Die Wahl eines neuen Führers solle bald erfolgen, erklärte Qassem.
  • Qassem könnte möglicherweise Nasrallahs Nachfolger als Führer werden.

Es könnte an der Raumtemperatur gelegen haben, schliesslich ist es in Beirut auch im Herbst gern knapp 30 Grad. An stickiger Luft, vielleicht wurde das Video auch in einem Bunker aufgenommen. An innerer Aufgewühltheit nach dem plötzlichen Tod des Chefs natürlich auch, an Lampenfieber beim Anblick einer Kamera jedoch eher nicht – schliesslich macht Naim Qassem seinen Job schon seit mehr als 30 Jahren und ist das Sprechen zu Publikum gewohnt. Doch als der stellvertretende Generalsekretär der libanesischen Hizbollah am Montag vor einem hölzernen Raumteiler 19 Minuten lang in einem Video Trotz und Zuversicht zu verströmen versuchte, da schwitzte er sichtbar.

Qassem, 1953 als Kind einer aus dem Süden Libanons stammenden Familie geboren, hat sich schon so lange dem verschrieben, was aus seiner Sicht die Sache der Schiiten ist, dass man sein Studium der Chemie und der französischen Sprache eigentlich gar nicht erwähnen muss. Er selbst tut das in einem Lebenslauf auf seiner Website, von der nur eine seit längerem nicht aktualisierte Version mit libanesischer Länderkennung zu erreichen ist und auf der als Kontaktmöglichkeit noch eine Faxnummer angegeben ist. Auf der wohl neueren Version mit einer eingängigeren Adresse prangen der US-Bundesadler und der Satz: «Diese Website wurde beschlagnahmt.» Ähnlich sieht es auf Facebook und Youtube aus.

Auch wenn Naim Qassem bisher keiner ist, der es in die Reihe der international bekannten Islamisten geschafft hat, so hat die US-Justiz da keinen Falschen sanktioniert: Nachdem er zunächst in der schiitischen Amal-Bewegung im Libanon aktiv gewesen war, lief er 1982 zu der sich gründenden Hizbollah über. 1991 wurde er deren Nummer zwei – unter Abbas al-Musawi, den Israels Armee 1992 bei einem Helikopterangriff tötete. Er blieb es unter Hassan Nasrallah, der im Alter von 31 Jahren die Führung übernahm. Bis auch der am vergangenen Freitag von Israel aus der Luft getötet wurde – mit bunkerbrechenden Bomben.

Qassem agierte im Hintergrund

In seiner Amtszeit wirkte Qassem vor allem nach innen: Er zog Fäden im Hintergrund der Parlamentsfraktion der Hizbollah, die nicht nur Miliz und Terrororganisation ist, sondern in Libanon «Partei Gottes», so wie sich ihr Name übersetzten lässt. Er hielt «über eintausend Vorlesungen» zu theologischen Fragen für das Bildungswerk der Hizbollah, wie er in seinem Lebenslauf stolz schreibt, diente als Sprecher der Organisation, der auch ausländischen Journalisten als Ansprechpartner zur Verfügung stand, reiste zu Konferenzen ins Ausland, nach «Syrien, Deutschland, in den Sudan und den Iran». Und er schrieb ein Buch, das 2005 erschien und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.

Der Titel klingt reisserisch: «Hizbollah – The Story from Within» – doch zwischen den Buchdeckeln findet sich keine Enthüllungsstory, sondern das Bekenntnis eines Überzeugten. In einer kleinen Feierstunde zur achten Auflage des Buches 2011 liess Qassem tief blicken: Hunderte Milliarden Dollar seien der Hizbollah für den Wiederaufbau des Südlibanon angeboten worden, wenn sie denn die Waffen niederlege. «Aber wir haben ihnen gesagt, dass wir nicht bedürftig sind – und dass der Widerstand ohne Rücksicht auf die Konsequenzen weitergeht.»

Eine ähnliche Durchhalteparole sprach der sechsfache Vater auch nun in die Kamera. Im Fall einer israelischen Invasion sei man bereit. Die Waffen niederzulegen, das ist auch nach dem Verlust des Generalsekretärs und vieler Kommandanten keine Option. Die Hizbollah werde eine neue Führung wählen – und wer weiss, vielleicht steht Qassem ja selbst bald an der Spitze. Bisher wird zwar der neun Jahre jüngere Hashem Safieddine als Topkandidat für die Nachfolge von Hassan Nasrallah gehandelt. Doch auch Naim Qassem wird zugetraut, die Rolle des ewigen Stellvertreters hinter sich zu lassen.