Diktatfrieden statt KriegAuf einmal steht «Gas-Gerd» Schröder wieder in der Mitte der SPD
Bei den deutschen Sozialdemokraten werden die Stimmen lauter, die die deutsche Militärhilfe an die Ukraine und die Konfrontation mit Russland kritisch sehen.
- Schröder und Orban kritisierten den Westen für den ausbleibenden Frieden in der Ukraine.
- In der SPD erhält Schröders prorussische Haltung wieder Zustimmung.
- In Brandenburg macht die SPD der Wagenknecht-Partei Zugeständnisse.
Der SVP-Politiker und Verleger Roger Köppel kündigte einen Friedensgipfel zweier «herausragender Staatsmänner» an, als er am Donnerstagabend in Wien zum öffentlichen Gespräch mit Gerhard Schröder und Viktor Orban lud. Schröder war von 1998 bis 2005 deutscher Kanzler, danach fiel er vor allem als Freund Wladimir Putins und als Russland-Lobbyist auf. Orban, der alles tut, um Hilfen der EU an die Ukraine zu behindern, regiert Ungarn seit 14 Jahren als Ministerpräsident.
Die Ukraine habe den Krieg längst verloren, waren sich Schröder und Orban laut Medienberichten einig. Es liege vor allem am Westen und an Kiew, dass noch kein Frieden eingekehrt sei – nicht etwa an Russland, das seinen Nachbarn überfallen hat. Erst wenn der Westen die Waffenlieferungen einstelle, werde die Ukraine einlenken und ein Frieden mit Putin möglich.
Schröder, mittlerweile 80 Jahre alt, erzählte, dass Putin sich nicht nur als Kriegsherr sehe, sondern sehr wohl Gedanken über die Zeit nach dem Krieg mache. Der deutsche Sozialdemokrat lobte den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, weil dieser versprochen habe, «dass Amerika unter seiner Führung einen Beitrag zur Beendigung des Krieges leisten würde». In Wien gab es dafür vom Publikum viel Applaus.
Natürlich habe Schröder wieder «Platz in der SPD», sagt die Partei
Noch vor einem Jahr hätten Schröders Thesen in Deutschland helle Empörung ausgelöst. Jetzt blieb es ziemlich ruhig. Die Zeiten haben sich geändert, auch in der SPD. Die «Zeitenwende», die Olaf Scholz, Schröders Nach-Nachfolger als Kanzler, im Februar 2022 ausgerufen hat, droht, zu einer «Zeitenwende rückwärts» zu werden. Immer mehr Genossen wünschen sich die Epoche zurück, als die deutsche Sozialdemokratie unter dem Deckmantel der Friedens- und Entspannungspolitik ungehindert Geschäfte mit Russland vorantreiben konnte.
Selbst «Gas-Gerd» Schröder, den vor zwei Jahren viele in der SPD noch lieber heute als morgen aus der Partei ausschliessen wollten, steht mittlerweile wieder fest in ihrer Mitte. Der neue Generalsekretär Matthias Miersch sagte kürzlich dem «Stern», natürlich habe Schröder einen Platz in der Partei. Schliesslich hätten zwei Schiedsgerichtsverfahren ergeben, dass er sich nicht «parteischädigend» verhalten habe und deswegen auch nicht ausgeschlossen werden könne.
Der Jurist Miersch argumentierte juristisch, wurde aber weitherum politisch verstanden. Es half wenig, dass er hinzufügte, er sei, was Putins Krieg und Russland angehe, übrigens ganz anderer Meinung als der Altkanzler. Zuvor war Schröder schon am 3. Oktober, dem «Tag der Einheit», in Schwerin wieder in der ersten Reihe der Ehrengäste gesessen. Eingeladen hatte ihn Manuela Schwesig, die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, die mit Schröder zusammen in den Jahren vor dem Krieg eifrig um die umstrittene russische Gaspipeline Nord Stream 2 gekämpft hatte.
Schröders Sichtweise, dass man auf russisches Gas und Öl sowie Frieden mit Russland angewiesen bleibe und die Ukraine deswegen dazu bringen solle, ihren Widerstand aufzugeben, gewinnt in Deutschland an Widerhall. Auch wenn laut Umfragen zwei von drei Deutschen die Ukraine militärisch weiter stärken wollen, haben die Wahlerfolge von Sahra Wagenknecht und der AfD in Ostdeutschland viele in der SPD erschreckt. Müsste nicht ihre Partei die Kraft sein, die Frieden herbeiführt?
In Brandenburg geht die SPD weit auf Wagenknecht zu
In Brandenburg will der SPD-Wahlsieger Dietmar Woidke künftig mit der Wagenknecht-Partei regieren. In Vorgesprächen hat er in eine politische Erklärung eingewilligt, die behauptet, der Krieg in der Ukraine könne nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden. Es brauche stattdessen mehr Diplomatie. Auch die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland sehe man kritisch. Beides entspricht zwar Woidkes Privatmeinung und der Stimmung im Osten, steht aber konträr zur Haltung des Kanzlers und der SPD-Spitze. Wagenknecht hingegen lobte die Erklärung ausdrücklich.
Rolf Mützenich, als Fraktionschef mächtigster Sozialdemokrat im Bundestag, hatte die von Scholz mit US-Präsident Joe Biden vereinbarte Raketenstationierung schon im Sommer «gefährlich» genannt. Bereits im März hatte er angeregt, auch Deutschland solle mehr darüber nachdenken, wie man den Krieg «einfrieren und später auch beenden» könne. Scholz, Parteichef Lars Klingbeil und Verteidigungsminister Boris Pistorius halten zwar immer noch dagegen – ihre Stimmen ertönen in der SPD aber gerade nicht mehr sehr laut.
Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung», die vom «Gipfel» mit Schröder und Orban in Wien berichtete, resümierte dessen unausgesprochene Botschaft folgendermassen: «Hätte die Welt nur früher gehört auf Schröder und Orban, gäbe es keinen Krieg mehr in der Ukraine. Dass es vermutlich auch keine Ukraine mehr gäbe, steht auf einem anderen Blatt.»
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