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Streit um die Unterstützung der Ukraine
Ist Pistorius der bessere Scholz?

epa11204204 German Defense Minister Boris Pistorius greets soldiers in Alta in connection with the Nordic Response military exercise, in Alta, Norway, 07 March 2024. Over 20,000 Norwegian and allied soldiers from 13 countries will train together to defend the Nordic region. The soldiers come from Belgium, Canada, Denmark, Finland, France, Italy, the Netherlands, Norway, Spain, Great Britain, Sweden, Germany and the USA. The Norwegian military exercise Cold Response has a long history and takes place in northern Norway every two years. Due to the NATO expansion with Finland and soon Sweden, the exercise has been expanded to a Nordic Response.  EPA/HEIKO JUNGE  NORWAY OUT

Seit Boris Pistorius vor gut einem Jahr die überforderte Christine Lambrecht als Verteidigungsminister ablöste, ist er der beliebteste Politiker Deutschlands. Das ist nicht nur wegen der Dauer ungewöhnlich, sondern auch weil der Neuling ein Amt versieht, das sich für seine Inhaberinnen und Inhaber in der Vergangenheit eher als Schleudersitz erwiesen hat denn als Sprungbrett für grössere Aufgaben.

Dass Pistorius Furore macht, ist natürlich der Lage geschuldet und der «Zeitenwende», die Kanzler Olaf Scholz ausrief, als Russland vor zwei Jahren die Ukraine überfiel. Die Deutschen standen der Bundeswehr seit der Wiedervereinigung bestenfalls mit freundlichem Desinteresse gegenüber, nun kommt es plötzlich wieder auf sie an.

Der Kontrast zum Kanzler ist ziemlich gross

Zudem hat sich der Sozialdemokrat bislang als der richtige Mann am richtigen Ort entpuppt: Pistorius ist ein zupackender, klar sprechender Macher – ein Leithammel, der einer demoralisierten Truppe und seinem Land die Zuversicht einflösst, die Bundeswehr sei vielleicht doch kein hoffnungsloser Fall.

Besonders gross ist der Kontrast zu seinem Chef: Wo der vorsichtige Scholz leise und technisch spricht und selten erklärt, wie er zu seinen Entscheidungen gelangt, packt Pistorius kommunikativ den Stier stets bei den Hörnern.

Auch zur Ukraine äussert er sich mutiger. Die Ukraine müsse den Krieg gewinnen, sagte er gleich bei Amtsantritt, wogegen der Kanzler stets nur versprach, er werde alles tun, um eine Niederlage der Ukraine zu verhindern. Zwischen den beiden Positionen scheint nur eine semantische Kleinigkeit zu liegen, nimmt man die Aussage aber ernst, trennt sie viel.

05.03.2024, Brandenburg, Schönefeld: Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, geht zu Beginn seiner mehrtägigen Reise nach Skandinavien zum Airbus A400M der Luftwaffe auf dem militärischen Teil des Flughafens BER Berlin-Brandenburg. Pistorius fliegt zuerst nach Stockholm. Der Minister will sich auch über das schwedische Wehrdienst-Modell als mögliches Vorbild für Deutschland informieren. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

In der sozialdemokratischen Partei jedenfalls, die in den Umfragen zuletzt auf 15 Prozent gefallen ist, entfachte Pistorius unversehens eine Sehnsucht nach einem Anführer wie ihm selbst. Je enttäuschter viele vom Kanzler waren, umso mehr ertappten sie sich beim Gedanken, dass einer wie der Verteidigungsminister die Partei vielleicht wieder beliebt machen könnte.

Könnte man, sollte man für den Bundestagswahlkampf 2025 den Kanzlerkandidaten Scholz nicht durch Pistorius ersetzen, fragten sich Ende letzten Jahres einige in der SPD – halb zu sich selbst, halb zum Publikum. Alles in allem waren die Überlegungen eher Fantasien einer ratlosen Partei als ernste Planspiele. Dass sie öffentlich wurden, sollte Scholz anregen, seinen Stil zu ändern, nicht einen Putsch ankündigen.

Pistorius wiederum denkt nach eigenem Bekunden gar nicht an so etwas wie eine Kanzlerschaft – und für einmal wirkt das Dementi glaubhaft. Der Mann, der diese Woche 64 Jahre alt wird, weiss, dass seine jetzige Aufgabe diejenige ist, an der er einmal gemessen werden wird. Alles Weitere sind Hirngespinste.

German Chancellor Olaf Scholz (2nd R) and Ukraine's President Volodymyr Zelensky (2nd L) pose after signing a bilateral agreement on security commitments and long-term support, as in background are seen Ukraine's foreign minister Dmytro Kuleba (L), German Foreign Minister Annalena Baerbock (C) and German Defence Minister Boris Pistorius (R), at the Chancellery in Berlin on February 16, 2024. Zelensky's key visits to Germany and France comes at a critical time as Ukraine faces mounting pressure on the eastern frontlines because of ammunition shortages and fresh Russian attacks. (Photo by John MACDOUGALL / AFP)

Die Hoffnung, Pistorius wäre der bessere Scholz, ist auch etwas überzogen, was die Unterstützung der Ukraine angeht. Der Verteidigungsminister spricht zwar forscher als der Kanzler und zeigt sich gern bei der Truppe, bei allen wichtigen Streitfragen aber hat er sich stets hinter seinen Chef gestellt.

Selbst beim Taurus, dem deutschen Marschflugkörper, den die Ukraine gern hätte und den Scholz hartnäckig verweigert, liess Pistorius nie einen Zweifel an der Tatsache, dass der Kanzler diesen Entscheid fällt, nicht er selbst. Und anders als die grüne Aussenministerin Annalena Baerbock liess er öffentlich bisher nie erkennen, dass er in dieser Frage anders entschieden hätte als Scholz.

Die Abhöraffäre könnte Pistorius noch schaden

Pistorius ist überdies erfahren und klug genug, zu wissen, dass die Beliebtheit von Politikern stets nur eine Momentaufnahme ist. Der Absturz lauert immer um die Ecke, ein Wiederaufstieg danach fällt schwer.

Selbst bei ihm gab es in den letzten Wochen Anzeichen dafür, dass die erste Begeisterung des Publikums langsam einer realistischeren Einschätzung weicht. Als ein paar seiner höchsten Offiziere sich kürzlich vom russischen Geheimdienst abhören liessen, wie sie über Einsatzmöglichkeiten des Taurus plauderten, sprach Pistorius danach zwar von «schweren Fehlern», stellte sich aber dennoch mutig hinter seine Leute.

Das könnte ihm noch um die Ohren fliegen, sollte der Untersuchungsbericht belegen, dass die Versäumnisse der Luftwaffenspitze grösser waren als gedacht. Pistorius musste im Bundestag jedenfalls gerade zugeben, dass nicht nur Brigadegeneral Frank Gräfe, sondern auch Luftwaffenchef Ingo Gerhartz sich nicht dienstgemäss in die fatale Videokonferenz eingeloggt hatte. Und dass dort möglicherweise doch Dinge besprochen wurden, die geheimer waren als ursprünglich vermutet.