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Vor der Bürgenstock-Konferenz
Wie Moskau Zwietracht sät

epaselect epa11395524 Russian President Vladimir Putin delivers a speech at a plenary session of the St. Petersburg International Economic Forum (SPIEF) in Saint Petersburg, Russia, 07 June 2024. The 27th St.Petersburg International Economic Forum runs from 05 to 08 June 2024.  EPA/ANTON VAGANOV/POOL
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Wladimir Putin war, soweit man weiss, das letzte Mal vor drei Jahren in der Schweiz. Damals traf er sich mit US-Präsident Joe Biden in der Genfer Villa La Grange, in einer Zeit, in der die Lage zwischen Moskau und Washington bereits mehr als angespannt war. Vor allem Putin profitierte von dem Treffen, niemand erwartete echte Zugeständnisse von ihm. Biden sprach persönlich mit dem Kremlchef, wohl auch, um noch grösseren Schaden zu vermeiden. Acht Monate später griff Putin die Ukraine an.

Ein Präsidententreffen wie 2021 wäre heute undenkbar. So ist die Schweiz am Wochenende wieder Gastgeber für eine Konferenz, die es ohne Russlands Aggression nicht geben würde, doch diesmal reisen weder Putin noch Biden an. Der eine wurde gar nicht erst eingeladen, der andere lässt sich mit Wahlkampf­terminen entschuldigen.

Biden schickt Vizepräsidentin Kamala Harris. In den russischen Medien wurde das gleich als Niederlage für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski gewertet, der das Treffen initiiert und die Schweiz als Gastgeberin gewonnen hatte. Selenski möchte auf dem Schweizer Bürgenstock über seinen Friedensplan sprechen, mehr als 160 Staaten waren ursprünglich eingeladen. Russland war nicht darunter. (Lesen Sie hier die wichtigsten Entwicklungen zum Gipfel auf dem Bürgenstock.) Und während Selenski in den vergangenen Monaten um Teilnehmer warb, tat der Kreml alles, um andere Länder von der Konferenz fernzuhalten.

Putin tat so, als wüsste er nicht, wo der Gipfel stattfindet

Besonders wichtig war es dabei für Putin, wie China und der globale Süden reagieren würden – also jene Länder, denen er sein Russland als Partner und Gegengewicht zu den USA anbietet. Bei seinem Besuch in China Mitte Mai tat Putin so, als wüsste er gar nicht, wo die Konferenz stattfindet, und verortete sie gleich mal in Genf. Man wolle in der Schweiz so viele Länder wie möglich davon überzeugen, dass der ukrainische Vorschlag der beste sei, so Putin, «und uns diesen dann als Ultimatum präsentieren und sagen: ‹Seht her, die ganze Welt denkt so. Also müsst ihr zustimmen.›» Doch dieser Versuch werde zu nichts führen, so Putin.

Einige Tage nach seinem Besuch sagte China die Teilnahme in der Schweiz ab. Russlands Aussenminister Sergei Lawrow dankte Peking prompt für diese «ausgewogene und konsequente» Entscheidung, die Peking wahrscheinlich weniger aus Rücksicht auf Moskau getroffen hat, sondern weil es selbst eine Vermittlerrolle anstrebt. China hatte vergangenes Jahr einen eigenen Zwölf-Punkte-Plan für einen Frieden in der Ukraine vorgelegt, der Russland weder klar als Aggressor benennt noch einen Rückzug aus den besetzen Gebieten fordert.

Der Kreml spricht von einer «absurden Versammlung»

Die russische Presse jedenfalls berichtet fleissig über jede Absage für die Friedenskonferenz, aus Bolivien, aus Mexiko, Nicaragua. Wichtige Länder des globalen Südens, deren Anwesenheit für die Ukraine wichtig gewesen sei, um «weltweite Einheit» zu demonstrieren, «sahen keinen Sinn darin, ohne Russland an der Veranstaltung teilzunehmen», schrieb kürzlich die russische Zeitung «Iswestija».

U.S. President Joe Biden, left, and Russia's President Vladimir Putin, right, meet for the U.S.-Russia summit at Villa La Grange in Geneva, Switzerland, Wednesday, June 16, 2021. (KEYSTONE/REUTERS POOL/Denis Balibouse)

Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte die Konferenz eine Zeitverschwendung und eine «absurde Versammlung». Man werde die «Spezialoperation» fortsetzen, sagte er im «Iswestija»-Interview. Für Moskau gehe es «vor allem darum, unsere Ziele zu erreichen».

Dafür, dass die Konferenz den Kreml angeblich so wenig berührt, wird in Moskau auffällig viel Stimmung dagegen gemacht. Immer mehr Länder seien davon überzeugt, schrieb etwa Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin auf Telegram, «dass die Politik Washingtons und Brüssels auf Heuchelei und Doppelmoral beruht». Einerseits versuche man im Westen, Länder zur Konferenz in die Schweiz «zu schleppen», andererseits erlaube man Kiew, Ziele auf russischem Territorium anzugreifen, so der Staatsduma-Sprecher.

Auch die Schweiz wird in Moskau nun heftig kritisiert

Putins Propagandaapparat nutzt die Gegenangriffe in der Grenzregion dazu, den Westen als Aggressor und die Ukraine als dessen Instrument darzustellen. Der schnellste Weg zum Frieden sei, die Waffenlieferungen an Kiew einzustellen, schreibt Wolodin – eine erwartbare und oft wiederholte Behauptung in Moskau. Die Logik des Kreml geht so, dass der Krieg längst vorbei sein könnte, wenn sich die Ukraine nur nicht weiter wehrte.

Auch die Schweiz wird in Moskau nun heftig kritisiert. Sie habe sich «von einem neutralen in einen offen feindseligen Staat gewandelt», sagte Aussenminister Lawrow bereits im April. Und Präsidentenberater Wladimir Medinski verglich die Friedenskonferenz spottend mit dem Eurovision Song Contest, bei dem ein Schweizer Beitrag dieses Jahr gewonnen hatte: «Das Ergebnis wird etwa das gleiche sein», so Medinski. Die Veranstaltung sei sinnlos, wenn führende Staaten wie China und Russland nicht teilnähmen.

Gespottet wird auch über den ursprünglichen Zehn-Punkte-Plan Selenskis, von dem nur einige Punkte in der Schweiz besprochen werden sollen, etwa die Bedrohung durch Nuklearwaffen oder Behinderungen für den Handel mit Nahrungsmitteln. Putin wird die Konferenz sicher trotzdem aufmerksam beobachten. Schliesslich weiss er genau, wohin er nicht eingeladen wurde.