Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Vor dem TV-Duell
Wie sich Trump und Harris auf die Debatte vorbereiten

(COMBO) This combination of pictures created on September 06, 2024 shows former US President and Republican presidential candidate Donald Trump in Harrisburg, Pennsylvania, on September 4, 2024 and US Vice President and Democratic presidential candidate Kamala Harris in Maryland on September 4, 2024. The first ballots for the US election were slated to go out to voters September 6, 2024, two months ahead of what looks set to be a photo finish between Kamala Harris and Donald Trump. (Photo by Mandel NGAN and Erin SCHAFF / various sources / AFP)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Das Rennen um das Weisse Haus ist seit Wochen qualvoll unentschieden. Vizepräsidentin Kamala Harris hofft genauso auf einen Durchbruch wie Ex-Präsident Donald Trump.

Der Dienstag könnte die Wende bringen. Im TV-Sender ABC werden sich die Demokratin und der Republikaner in ihrem ersten und womöglich einzigen Duell vor dem Wahltag messen. Die Debatte verspricht Drama und Antworten auf viele offene Fragen. Kann sich der 78-jährige Trump beherrschen, oder wird er die 19 Jahre jüngere Frau beleidigen? Vermag Harris ihre Positionen zu artikulieren, ohne Wortsalate zu produzieren – und wie geistig fit ist ihr Widersacher wirklich?

Weil so viel davon abhängt, bereitet sich die Vizepräsidentin sorgfältig auf die Debatte vor. Sie ist in Pittsburgh abgetaucht, um Dossiers zu studieren und Frage-Antwort-Routinen einzuüben. Ihr stehen drei enge Vertraute bei, und die Rolle Trumps spielt Philippe Reines. Der Ex-Berater Hillary Clintons trägt in den Testrunden angeblich eine blonde Perücke.

Das Trainingscamp fern von Washington soll Harris zu mehr Konzentration verhelfen. Zudem kann sie in dem wichtigen Swing-State zwischendurch Wahlkampf machen. Gefragt, wie die Vorbereitungen liefen, sagte die Kandidatin am Mittwoch: «So weit, so gut.»

Der ungleich erfahrenere Debattierer Trump verzichtet auf spezielle Trainingsrunden. Inhaltlich bereitet er sich in Interviews und Bürgerversammlungen auf den Zweikampf vor. Im Juni hätten übertriebene Vorbereitungen Präsident Joe Biden nur geschadet, sagte Trump. Er zitierte den Boxer Mike Tyson: «Jeder hat einen Plan, bis er einen Schlag ins Gesicht erhält.»

Trump kündigte an, er werde in der Debatte wie bei Biden vorgehen und Harris ausreden lassen. Anders als es die Vizepräsidentin wünschte, werden auch die gleichen Regeln gelten: Die Debattierenden müssen 90 Minuten lang stehen, dürfen keine Notizen mitbringen, und wenn der oder die eine spricht, ist das jeweils andere Mikrofon ausgeschaltet.

Bevor es zum Duell kommt, lohnt sich ein Blick auf den Stand des Kopf-an-Kopf-Rennens: 

Nationale Umfragen

Seit sie vor sieben Wochen den ausmanövrierten Biden ablöste, lief für Kamala Harris alles sehr gut. Eine Grundwelle der Begeisterung in der Demokratischen Partei spülte die Vizepräsidentin in der Wählergunst rapide nach oben. Im Durchschnitt der nationalen Umfragen von Real Clear Politics überholte sie am 5. August erstmals Donald Trump. Seither liegt sie beharrlich vorn, zuletzt am Freitag mit 1,8 Prozentpunkten. Gemäss anderen Durchschnittswerten beträgt ihr Vorsprung sogar 3,1 Prozentpunkte.

Swing-States

Die landesweite Mehrheit ist jedoch unerheblich, denn es siegt, wer mindestens 270 von 538 Elektorenstimmen auf sich vereinigt. Entscheidend dafür sind wahrscheinlich sieben umkämpfte Swing-States: die drei Blue-Wall-Staaten Pennsylvania, Wisconsin und Michigan sowie die vier südlichen und südwestlichen Staaten Georgia, North Carolina, Arizona und Nevada. Mit der Ausnahme Arizonas hat Harris in all diesen Gliedstaaten gegenüber Trump eine kleine Mehrheit errungen, wenngleich jeweils im statistischen Unschärfebereich.

Voraussagen

Aus den Durchschnittszahlen lässt sich nicht ableiten, wer am Ende siegen wird. Die Erfahrung der zwei vorherigen Wahlrunden zeigt, dass Umfragen den Zuspruch für Trump an der Urne meist unterschätzen. Zum Beispiel siegte der Republikaner 2016, obwohl er zum gleichen Zeitpunkt in den umkämpften Gliedstaaten erheblich weiter zurücklag als dieses Jahr. Seit Ende August geben die Wettmärkte Trump über fünfzig Prozent Siegeschancen. Nach den Vorausrechnungen des renommierten Statistikers Nate Silver vom Freitag wird Trump am 5. November sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von 61,5 Prozent gewinnen. Harris hat nur 38,3 Prozent Siegeschancen. «Das Electoral College scheint für Harris zum Problem zu werden», schreibt Silver. Seit dem Kongress habe sie kontinuierlich an Terrain eingebüsst, und umgekehrt habe Trump von der Unterstützung durch den Ex-Demokraten Bobby Kennedy Junior profitiert.

Wahlkampfkasse

Harris hat im August phänomenale 361 Millionen Dollar gesammelt, fast dreimal so viel wie Trumps 130 Millionen Dollar. Der Vorsprung erlaubt ihrem Team, mehr Werbung zu schalten und die Wählerschaft der Swing-States auch personell intensiver zu umwerben. Allerdings büssen TV-Spots und digitale Werbung nach einer gewissen Dichte ihre Zusatzwirkung ein.

Auswahl der Vize-Kandidaten

Die Partner von beiden Kandidaten haben Kritik auf sich gezogen. Im republikanischen Lager erweist sich Senator J.D. Vance aus Ohio als kämpferisch und rhetorisch stark. Er kommt aber bei Frauen schlecht an. Der demokratische Gouverneur Tim Walz aus Minnesota bietet Angriffsflächen wegen seiner China-Kontakte und der kontroversen Darstellung des eigenen Militärdiensts. Angeblich bereuen es manche, dass Harris nicht Walz’ Amtskollegen Josh Shapiro aus Pennsylvania zum Vize-Kandidaten machte, denn dieser hätte ihr in diesem wahlentscheidenden Gliedstaat den Sieg erleichtert.

Medien

Seit Harris in Bidens Fussstapfen trat, hat sie die grosse Mehrheit der Medien auf ihrer Seite. Nach einer Erhebung waren in den drei grossen TV-Networks in den Wochen bis 19. August 84 Prozent aller Harris-Storys positiv gefärbt und 98 Prozent aller Trump-Storys negativ. Inzwischen lässt sich jedoch ein leises Murren vernehmen, weil die Demokratin ihre neuerdings veränderten Haltungen nicht in Interviews erläutern will. Ein überraschend kritischer Bericht von «Axios» rügte am Freitag Harris’ Risikoscheu und die Tatsache, dass sie Bidens «Selbstschutzstrategie» kopiere.

Gerangel um Wahlzettel

In North Carolina und Michigan versuchten demokratische Wahlleiterinnen durchzusetzen, dass der Name Robert F. Kennedy Jr. auf den Wahlzetteln bleibt, obwohl sich dieser als eigenständiger Kandidat zurückgezogen hat. In beiden Gliedstaaten entschieden Gerichte am Freitag, der Name müsse entfernt werden. Falls höhere Instanzen dies nicht widerrufen, muss Trump nicht fürchten, dass für ihn gedachte Stimmen an RFK Jr. verloren gehen.

Wirtschaftsgang

Nach enttäuschenden Job-Zahlen vom Freitag erwarten viele Beobachter, dass die US-Notenbank Federal Reserve in zehn Tagen die Leitzinsen um 0,25 bis 0,50 Prozentpunkte senkt. Das könnte vielen Kreditkartenschuldnern Erleichterung verschaffen und der Vizepräsidentin politisch helfen. Sollten sich jedoch Anzeichen einer keimenden Rezession verdichten, würde das Trump zusätzliche Argumente liefern.

Aussenpolitik

Sowohl die Kriegsparteien im Nahen Osten wie in der Ukraine hätten es in der Hand, mit militärischen Aktionen die Regierung Biden/Harris zu blamieren und so Trump zu helfen. Der Iran dürfte das tunlichst vermeiden wollen, und für Israel wäre eine Brüskierung Washingtons riskant. Über die wahren Absichten Wladimir Putins darf gerätselt werden. Er werde Harris unterstützen, sagte Russlands Präsident diese Woche in Wladiwostok. «Sie lacht so expressiv und ansteckend; also ist ihr alles recht», sagte Putin und lächelte schelmisch.