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Jubeln mit Christian Fassnacht
Mit seinem «Näsli» ist YB auf einmal ein Meisterkandidat

16.03.2025; Basel; Fussball Super League - FC Basel - BSC Young Boys;
Jubel Christian Fassnacht (YB) nach dem Tor zum 1:2 
(Claudio De Capitani/freshfocus)
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In Kürze:
  • Christian Fassnacht hat seit seiner Rückkehr zu YB bereits sieben entscheidende Tore erzielt.
  • Nach anderthalb Jahren in Norwich kehrte er als hochgeschätzter Leader zurück.
  • Seine spezielle Fähigkeit im gegnerischen Strafraum nennt er «Näsli».
  • Der Weg vom Hobbyfussballer zum 19-fachen Nationalspieler verlangte viel Durchhaltewillen.

Als er im Winter zurückkam, zu YB, seinem YB, waren die Schlagwörter in den Zeitungen schnell gefunden: Christian Fassnacht wurde als Publikumsliebling und Hoffnungsträger begrüsst. 

Und jetzt, ein paar Wochen später, ist er wirklich beides, obschon ihn solche Beschreibungen nicht weiter berühren. «Schön zu lesen», sagt er, «mehr auch nicht.» Er ist halt einfach dieser Spieler, der sich viel vorgenommen hat und bislang Wort hält: Mit seinen 31 Jahren ist er der Leader, den diese Mannschaft gut gebrauchen kann, um wieder richtig in die Spur zu kommen. Und auch um allenfalls doch noch Meister zu werden.

Dafür ist Fassnacht von den Verantwortlichen des Vereins, von Oberchef Christoph Spycher und Sportchef Steve von Bergen, ausdrücklich aus Norwich geholt worden. Es wäre auch komisch gewesen, wenn es nicht so wäre, sagt er: «Ich war vorher schon ein Leader. Jetzt ist klar, dass ich das wieder sein will.» Leader sein heisst für ihn auch: zu merken, wenn jemand etwas braucht, alles dafür zu tun, dass sich die Menschen um ihn herum wohlfühlen.

Grosse Zeit zur Eingewöhnung hat er nicht gebraucht. Bern ist für ihn nicht Norwich, wo er sich erst zurechtfinden musste. In Bern kennt er das Familiäre des Vereins, die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle, die Mitspieler, die Betreuer. Hier hat er, was er sich in den sechs Jahren bis zum Sommer 2023 und seinem Versuch in England aufgebaut hat. Er weiss, was er bekommt und was er einbringen muss, und für ihn ganz wichtig: In Bern wissen sie, was sie mit ihm bekommen. «Simpel gesagt», sagt er, «es war ein Heimkommen. YB ist mittlerweile mein Herzensverein.»

Zum wohligen Gefühl trägt er mit seinen persönlichen Erfolgen gleich selbst bei. Auf sieben Tore bringt er es in elf Spielen bereits. Vor allem hat er die letzten fünf von YB erzielt: zum 2:1 in Basel, zum 1:0 gegen St. Gallen, zum 1:0 in Genf und zum 1:1 gegen Yverdon, alles wichtige Momente, gerade beim FCB und bei Servette. Dass er Tore schiesst, hat er schon in seinem Plan gehabt, weil sie die Währung sind, mit denen er am meisten helfen kann. Aber dass nur er trifft, hat er sich nicht gleich vorgestellt, wie auch: «Ich kann den Teamkollegen ja nicht sagen: Schiesst keine Tore mehr.» Sagt es und lacht.

Wenn der Ball immer dahin kommt, wo er schon steht

Seine Abschlüsse sind keine Bijous, keine Schüsse aus 30 Metern in die hohe Ecke à la Declan Rice. Sie sind Marke Fassnacht, Ausdruck einer besonderen Gabe, im richtigen Moment am richtigen Ort zu stehen. «Näsli» nennt er das. «Magnet» haben sie in der Mannschaft auch schon gesagt, weil der Ball immer dahin kommt, wo er schon steht.

In Basel erzielt er den Siegtreffer nur, weil er etwas macht, was viele nicht machen: Er spekuliert auf einen Abpraller, und so begibt es sich, dass Goalie Marwin Hitz den Ball direkt vor seine Füsse lenkt, ein Meter vor dem Tor. Oder am letzten Wochenende gegen Yverdon, da drückt er den nächsten Abpraller aus einem halben Meter ins Netz.

Über diesen Ausgleich jubelt er, das schon, aber er vergisst nicht, wie schlecht der Auftritt vor der Pause war. «An der Grenze zur Frechheit», sagt er, und: «Beschissene erste Halbzeit.» Er hat sich auch in diesem Moment als Führungsspieler gesehen, der keinen in Watte packen will, sondern anspricht, was nicht gut ist. Er ist auch von sich selbst enttäuscht, weil sie auf dem Platz nicht gut kommunizierten, um Mängel unmittelbar zu beheben.

Eineinhalb Jahre war er weg von Bern, in der englischen Championship, um sich einen Traum zu erfüllen. In all den Jahren hat er gesehen, wie seine Freunde aus dem Kindergarten, mit denen er noch immer eng verbunden ist, zu grossen Reisen aufbrachen, nach Australien oder in die USA. «Im Fussball kannst du das in der Regel nur, wenn du den Beruf mitnimmst», sagt er. 

Auch er wollte einmal etwas anderes sehen, einen anderen Fussball erleben. Ihm ging es nicht darum, im Rückblick auf seine Karriere sagen zu können, er sei im Ausland gewesen. Er wollte aus seiner Berner Komfortzone ausbrechen und Erfahrungen in einem anderen Land machen.

«Und am Ende war ich die Nummer 25»

Im Sommer 2022 warb Besiktas Istanbul um ihn, und das nach einer schwierigen Saison mit Hirnerschütterungen, einem Schläfenbeinbruch und anderen Verletzungen. Er wollte gehen und konnte doch nicht, weil Besiktas nicht das bot, was YB forderte. Fassnacht brauchte seine Zeit, um über diese Enttäuschung hinwegzukommen. Immerhin beschloss er die folgende Saison mit dem fünften Meister- und zweiten Cup-Titel.

Dann klappte es mit Norwich. Englische Provinz statt türkische Weltstadt. Im ersten Jahr brachte es Fassnacht auf 47 Einsätze und 6 Tore. Mit einem neuen Trainer endete aber das sportliche Glück, er war immer wieder verletzt, an der Achillessehne, am Knie, an der Wade. Er ist sich sicher, dass das ein psychisches Problem war. Er tat zwar alles, um wieder gesund zu werden, und doch fühlte er sich wie in einem geschützten Raum, wenn er ausfiel: Der Trainer konnte ihn ja nicht aussortieren, solange er verletzt war.

Norwich City's Christian Fassnacht (second left) scores their side's fourth goal of the game during the Sky Bet Championship match at Carrow Road, Norwich. Picture date: Tuesday February 13, 2024. (Photo by Joe Giddens/PA Images via Getty Images)

Auf eine Art, die er nicht gewollt hatte, realisierte er, dass er wirklich nicht mehr in der Komfortzone ist. Je länger er nicht verfügbar war, desto weniger wurde er im Verein wahrgenommen: «Und am Ende war ich die Nummer 25.» Dreimal spielte er noch, in total 81 Minuten. Die Zeit nutzte er, um sich damit zu beschäftigen, was falsch gelaufen war. Er machte sich Gedanken darüber, was er braucht, um Leistung bringen zu können. Und er lernte, wieso er am Ende nicht funktionierte: «Ich brauche Leute um mich herum, die mich wertschätzen. Die hatte ich am Ende in Norwich nicht.»

Im Sommer hätte er sich einen neuen Club suchen müssen

Ende letzten Jahres teilte ihm der Club mit, er könne gerne bis zum Saisonende bleiben. Aber darüber hinaus würde er nicht mehr mit ihm planen. Fassnacht intensivierte den Kontakt mit YB und teilte mit, dass er jetzt zu einer Rückkehr bereit sei. Seine Frau, die kleine Tochter und die beiden Katzen kamen mit ihm.

Fassnacht war nicht der Frühbegabte wie Xherdan Shaqiri oder Granit Xhaka, die mit 18 im Nationalteam debütierten. Ihm dagegen beschied man beim Zürcher Quartierverein Red Star, dass er nach den A-Junioren keine Chance in der ersten Mannschaft bekommt. Er ging zurück nach Thalwil, in die 2. Liga inter. Einen Wunsch wollte er trotzdem auch mit 18 nicht aufgeben: Profi zu werden.

Wenn ein Junger heute in seiner Situation wäre, würde er ihm sagen: «Sehr schwierig. Wer gibt schon einem Hobbyfussballer aus der 2. Liga eine Chance im Profifussball?» Nach vier Jahren bei seinem Jugendverein kam er für sechs Monate in Tuggen unter, immerhin Promotion League. Und im Sommer 2015, da war er 21, landete er dank seines damaligen Beraters Gianluca Di Domenico beim FC Winterthur. In der Challenge League verdiente er sein erstes Geld. Der gleiche Berater begleitete ihn auch beim weiteren Aufstieg, 2016 zu Thun in die Super League und ein Jahr darauf zu YB. Fassnacht ist es ein Bedürfnis, ihm noch heute dafür «ein mega grosses Dankeschön» auszurichten.

Eine unerwartete Reise oder der lange Weg zum Glück

Er hat sich schon überlegt, nach seiner Karriere ein Kinderbuch zu schreiben. «Eine unerwartete Reise», würde er es nennen. Sein Weg erinnert ihn an Renato Steffen oder Benjamin Huggel, die auch verzögert in der Spitze ankamen. «Es ist ein spezieller Weg», sagt er, «mein Weg.» 

Er könnte ihn sich im Rückblick nicht schöner ausmalen, weil er den Fussball auf eine ehrliche Art und Weise kennen gelernt hat. Nicht dass ihm nun gleich alles gefällt, die Auswüchse, der Druck, der mit dem grossen Geld verbunden ist, der Umgang mit Spielern, der ihn gelegentlich an Menschenhandel erinnert – darauf könnte er verzichten. Dabei weiss er genau, dass es um ein Geschäft geht, ums Geldverdienen. Das merkt er Ende Monat auch. Aber um eines geht es für ihn beim Fussball immer: «Um meine Liebe zum Spiel.»

Christian Fassnacht aus der Schweiz im Duell mit NGolo Kante aus Frankreich während des UEFA EURO 2020 Spiels am 28. Juni 2021 in Bukarest.

19-facher Nationalspieler ist er geworden, Teilnehmer an der EM 2021 (mit seinem besonderen Beitrag im Achtelfinal gegen Frankreich, als er mit zwei Balleroberungen die Wende vom 1:3 zum 3:3 einleitete) und an der WM 2022 (mit seinem Kurzeinsatz gegen Serbien). Heute ist ihm bewusst, dass er viel mehr erreicht hat, als er sich je vorgestellt hat.

Vielleicht hat er zu wenig gross geträumt, um noch weiter zu kommen, zu einem grösseren Club als Norwich zum Beispiel. Beklagen will er sich deshalb nicht: «Ich bin gottenfroh und stolz, weil meine Karriere genauso verlaufen ist, wie ich mir das nur wünschen konnte.» Nachsatz: «Und ich habe mit YB noch einiges vor.»

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