Schlagabtausch im US-WahlkampfTV-Duell: Joe Bidens schlimme Nacht
Joe Biden und Donald Trump attackierten sich vor laufenden Kameras. Für die Berater des Präsidenten wurden die Befürchtungen wahr.
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Das Match des Jahres beginnt um 21 Uhr, Prime Time in Amerikas Osten. Da stehen sie bei CNN in Atlanta, zwei ältere Herren, die ausser den USA auch den Rest der Welt prägen. Rechts Joe Biden, 81, der Präsident bleiben will. Links Donald Trump, 78, der wieder Präsident werden will. Der eine ist mit der Air Force One eingeflogen, der andere mit seiner Privatboeing, genannt Trump Force One. Fast vier Jahre lang sind sie sich konsequent aus dem Weg gegangen.
In den USA ist noch Donnerstag, in Europa schon Freitag, als das erste TV-Duell vor der Wahl am 5. November 2024 losgeht. Millionen Menschen sitzen daheim vor dem Fernseher, im Studio sind nur die beiden Kandidaten zugelassen und die Moderatoren Dana Bash und Jake Tapper, den Trump vorher «Fake Tapper» nannte. 90 Minuten dauert der Showdown, doch schon nach kaum einer Viertelstunde sieht es so aus, als gehe mindestens dieser Abend für Biden schwer daneben, wie ein Fussballspiel mit einer verwirrten Abwehr und sehr frühen Gegentoren.
Es wird einem bange um Joe Biden
Biden antwortet auf Tappers erste Frage, es geht um die Wirtschaft, die Inflation. Er sagt, dass die Wirtschaft nach der Ära Trump in katastrophalem Zustand gewesen sei und er sie wieder zusammengesetzt habe. Er spricht von Trumps Chaos, von seinen Steuersenkungen für Reiche, von Zehntausenden neuen Arbeitsplätzen in seiner Ära, «aber es muss noch mehr getan werden.» Das ist alles richtig, doch er sagt dies mit einer derart heiseren, teilweise kaum verständlichen Stimme, dass dem ihm zugeneigten Publikum angst und bange werden muss.
Der Präsident wirkt nervös, erschöpft. Für seine Berater werden da die schlimmsten Befürchtungen wahr. Er stottert, er verhaspelt sich. Als Trump dann an der Reihe ist, sieht Biden fast abwesend aus, er starrt vor sich hin. Trump dagegen legt los wie immer. «Wir hatten die beste Wirtschaft in der Geschichte unseres Landes», behauptet er mit seinem üblichen Bass. Biden habe «schlechte Arbeit geleistet, und die Inflation bringt unser Land um. Sie bringt uns absolut um.»
Das stimmt so absolut nicht, so wenig wie vieles andere, was folgt. Bereits in diesen ersten Augenblicken allerdings drängt sich der Verdacht auf, dass Biden alles andere als in Bestform ist, ganz anders als bei seiner mitreissenden Rede an die Nation Anfang März im Kongress. Der Inhalt scheint phasenweise fast unterzugehen, so schwer tut sich dieser Mann, seine vielfach sehr vernünftige Botschaft loszuwerden. Oder kommt er doch noch ins Spiel?
Trump platziert seine Botschaften besser
Erstmal geht es so weiter. Biden strauchelt, er verspricht sich, obwohl er immer wieder gute Argumente vorbringt, seine Bilanz ist ja keineswegs schlecht, besser als Trumps damals. Aber Trump darf deutlich klarer loswerden, was er immer sagt. «Es ist die schlechteste Regierung der Geschichte unseres Landes», der Rückzug aus Afghanistan sei «der peinlichste Tag unserer Geschichte» gewesen. «Wir sind zu einer Drittweltnation geworden», und es sei eine Schande, welchen Schaden Biden angerichtet habe.
Da kämen Millionen Menschen «aus den Gefängnissen und Irrenanstalten», um das Land «zu zerstören.» Die US-Südgrenze sei bei ihm, Trump, sicher gewesen, jetzt sei es die gefährlichste der Welt. Man werde nicht mehr respektiert. «Was dieser Mann getan hat, ist absolut kriminell.» So redet er ständig über das grosse und komplizierte Thema Immigration, es sind seine Standardlügen. Biden widerspricht, er verweist darauf, dass Trumps Republikaner ein gemeinsames Einwanderungsgesetz abgewiesen hätten. Doch er dringt kaum durch.
Eine Woche hatte sich das Team Biden in Camp David vorbereitet, Trump blieb zuletzt daheim in Mar-a-Lago am Strand von Florida. Beide spulen im Prinzip ihr Programm ab, doch Biden ist offenkundig nicht in bester Verfassung in dieser weltweit beachteten Nacht. Dann kommt das Thema Abtreibung, das bei den Wahlen so wichtig sein dürfte wie das Thema Immigration. Auch da tut sich Biden schwer, obwohl die Mehrheit der Wählerschaft seiner Meinung ist, dass das von den Republikanern initiierte und vom Obersten Gerichtshof durchgesetzte Ende des bundesweiten Rechts auf Abtreibung ein Desaster ist. 51 Jahre sei es Gesetz gewesen, sagt Biden, Trump sei stolz darauf, es weggenommen zu haben, er werde es wieder unterzeichnen, die matte Stimme wird ein wenig schärfer.
Biden: «Putin ist ein Kriegsverbrecher» – Trump: «Wir werden ausgelacht»
Dann Ukraine. Mit ihm hätte Wladimir Putin die Ukraine nie angegriffen, sagt Trump, Biden habe nichts getan, er sei der schlechteste Oberbefehlshaber. «Putin ist ein Kriegsverbrecher», erwidert Biden, er wolle die Sowjetunion wieder herstellen. Trump habe keine Ahnung, wovon er rede. Dann Nahost. Immer tut Trump so, als würde es all die Kriege mit ihm nicht geben, als sei er stark und Biden schwach und die Welt mit Biden ausser Kontrolle. «Die ganze Welt hat uns respektiert. Jetzt werden wir ausgelacht.»
Jill Biden und Bidens Vertraute müssen im Nebenraum vermutlich leiden. Melania Trump scheint nicht da zu sein, doch für Trump läuft es wunderbar, obwohl er wie gewohnt jede Menge Unsinn verbreitet. Trump greift an, Biden ist von Anfang an in der Defensive, auch wenn seine Beiträge deutlich mehr Substanz haben. Selbst wenn er einen Konter fährt, läuft er stets Gefahr, irgendwo hängenzubleiben oder seine Sätze ins Leere laufen zu lassen.
Vorher hatte Trump gespottet, der Amtsinhaber werde vor dem Duell sicher mit einer Spritze in den Hintern gedopt. Das war eine der üblichen Unverschämtheiten des Republikaners, aber dann erinnerte der Verlauf an den ersten Vergleich dieser Art vor Amerikas Kameras, als Richard Nixon 1960 gegen den jungen John F. Kennedy so schlecht aussah, dass er bald aus dem Rennen ums Weisse Haus flog.
Kann das nach diesem Reinfall auch Joe Biden passieren? «Sie sind ein verurteilter Verbrecher», sagt er zu Trump, er wird offensiver, aber sein Vortrag bleibt unsicher, matt. Joe könne auch ein verurteilter Krimineller sein, kontert Trump ohne Fundament. Er schwadroniert auch, dass er den Sturm seiner Fans am 6. Januar 2021 habe stoppen wollen, was nachweislich falsch ist, dass die Wahl 2020 Fake gewesen sei und er «eine faire Wahl» akzeptieren werde. Trump sei ein Lügner, sagt Biden, er habe keinen Sinn für die amerikanische Demokratie. Es ist wie ein Befreiungsschlag, aber da stürmt Biden schon wieder weiter und nennt Trump den schlechtesten Präsidenten der US-Geschichte, «bei weitem».
Auch das Finale wird schlimm für Biden
Das Biden zugewandte Publikum muss fast Schmerzen erleiden, als das CNN-Paar gegen Ende hin nach dem Alter fragt. Er sei der zweitjüngste Senator gewesen, sagt Biden, jetzt sei er halt der älteste, danach referiert er über amerikanische Computerchips. Die USA seien bei Biden ein Failing State, blafft Trump, «wir sind das stärkste Land», sagt Biden. Er habe kognitive Tests bestanden, sagt Trump, Biden solle mal einen machen. Er sei Klubmeister im Golf, Biden können keine 50 Yards weit schlagen. Biden sagt, er habe früher Handicap 6 gehabt.
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Auch das Finale wird schlimm für Biden. Trump sagt, Biden treibe die Welt «in den dritten Weltkrieg», niemand fürchte ihn mehr. Kennt man alles, spricht von der Nato, von Artikel 5 und dass Trump ein Verlierer sei, der Niederlagen nicht aushalte. Doch nicht mal das Schlusswort gelingt ihm wirklich. Man habe Fortschritte seit Trumps Debakel gemacht, sagt er, attackiert Trumps Steuerpläne, lobt sein Gesundheitssystem und den Rückgang der Inflation – aber selbst bei diesen letzten Sätzen verzettelt er sich.
Trump wiederholt seine Klassiker. Biden habe die Nation zum Scheitern gebracht, aber er werde sie wieder grossartig machen, make America great again. Bei den Demokraten brach nach Schlusspfiff offenbar Panik aus. Zumindest wird wieder die Frage laut werden, ob sie Biden im August in Chicago tatsächlich nominieren oder doch noch nach einer Alternative suchen sollen, obwohl es vier Monate vor der Wahl zu spät sein dürfte. Das zweite Fernsehduell ist für Oktober geplant, wenige Wochen vor der Wahl. Vermutlich wieder Biden gegen Trump, trotz allem.
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