Kommentar zum Krieg im GazastreifenBiden wirkt im Nahen Osten wie eine lahme Ente
Der US-Präsident warnt Israel einmal mehr. Damit will er nicht nur den Menschen in Gaza helfen, sondern auch sich selbst.
Rote Linien von US-Präsidenten gelten im Nahen Osten eher nicht mehr als harte Ultimaten, seit Barack Obama zögerte, den syrischen Diktator Bashar al-Assad für Giftgasangriffe zu bestrafen. Nun hat sich auch Joe Biden – in einem ganz anderen Kontext – dazu hinreissen lassen, rote Linien zu ziehen, von denen jetzt schon klar ist, dass er sie nicht durchsetzen kann. Wenn Israel in dem Grenzort Rafah eine Militäroperation starte, überschreite es damit eine «rote Linie», sagte der US-Präsident am Wochenende.
Seit Wochen schon warnt Biden den israelischen Premier Benjamin Netanyahu, er müsse die palästinensische Zivilbevölkerung besser schützen. Dass er nun aber eine solche rote Linie zieht, ist eher damit zu erklären, dass er im Präsidentschaftswahlkampf Mühe hat. Seine Zustimmungswerte sind schlecht, bei den Vorwahlen haben ihm muslimische Wähler einen Denkzettel verpasst.
Geht vor allem um die Innenpolitik
Jetzt lässt Biden Hilfslieferungen an Gaza aus der Luft abwerfen und einen schwimmenden Pier ins Meer bauen. Die Vorstösse sind ernsthafte Bemühungen, das Leid der Zivilbevölkerung zu lindern. Beim Zeitpunkt ihrer Ankündigung und Umsetzung spielt jedoch die amerikanische Innenpolitik eine mindestens ebenso grosse Rolle. Das ist dem abgebrühten Haudegen Netanyahu nicht entgangen. Er weiss, dass Biden ihn nicht hängen lassen kann, weil das noch viel mehr US-Wählerinnen und -Wähler brüskieren würde.
Der US-Präsident wirkt im Nahen Osten wie eine «lame duck», eine lahme Ente. Zu lange hat er gewartet, eine kohärente Strategie zu entwickeln. Jetzt, da es brennt, scheint er dazu verdammt, zu reagieren, statt selbst handeln zu können.
Der Entwurf einer Vision, mit einem eigenständigen Palästinenserstaat und Friedensabkommen Israels mit den arabischen Nachbarn, soll das ändern. Bisher gelingt Biden nicht einmal ein vorübergehender Waffenstillstand. Zittrig gezogene rote Linien wecken weitere Zweifel daran, ob er in der Lage ist, einen grossen Wurf durchzusetzen.
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