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Tipps für den Nachlass
Erbrechts-Experte: «Wer die Kinder beim Planen miteinbezieht, schafft eine gute Grundlage»

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Führt das neue Recht zu mehr Streit?

Mit dem neuen Erbrecht sind Anfang 2023 die Pflichtteile von Nachkommen gesunken. Damit erhalten Eltern mehr Spielraum, wie sie ihr Vermögen an die Kinder verteilen. So ist es etwa möglich, ein erstes Kind auf den Pflichtteil von 25 Prozent zu setzen und einem zweiten drei Viertel des Nachlasses zukommen zu lassen. In Fachkreisen sind deshalb Stimmen zu hören, die aufgrund solcher Ungleichbehandlung mit mehr Konflikten und zusätzlicher Arbeit für Anwälte rechnen.

Der erfahrene Erbrechtsexperte Peter Breitschmid sieht das weniger dramatisch: «Ich glaube nicht, dass es mehr Streit gibt – es wird aber auch nicht weniger geben.» Im Gerichtsalltag gibt es bisher nicht häufiger solche Fälle: Beim Bezirksgericht Zürich bewegt sich die Zahl der 2023 eingegangenen Klagen im bisher durchschnittlichen Bereich.

Breitschmid zieht einen Vergleich zu anderen Ländern: Mit der Gesetzesrevision habe nur eine Annäherung an die europäischen Standards stattgefunden. Schweizer Nachkommen konnten bisher europaweit die höchsten Pflichtteilsansprüche geltend machen.

Wie lässt sich Streit vermeiden?

«Erbschaften haben viel mit Tradition zu tun – wenn die Eltern darum gestritten haben, tun es oft auch die Kinder», sagt Peter Breitschmid.

Als wichtigsten Rat zur Vermeidung von Konflikten nennt er Transparenz: «Wer mit gutem Willen alle Nachkommen in die Erbplanung einbezieht, schafft eine gute Grundlage.» Es hilft, Vermögensfragen offen zu diskutieren und nachvollziehbare Kriterien festzulegen.

Schliesslich kommt es auf die Tonalität an. Eher auf Verständnis stösst, wer einem Kind mitteilt: «Du darfst es nicht als Strafe verstehen, wenn ich dich auf den Pflichtteil setze.» Denn eine ungleiche Behandlung bei wirtschaftlich unterschiedlicher Ausgangslage muss nicht als Diskriminierung verstanden werden. Wenn hingegen bei angespannter Stimmung jemand heimlich kaltgestellt werden soll, kommt es rasch einmal zur Eskalation.

Wer soll wie viel erben?

Die Begünstigung des Lebenspartners oder der Lebenspartnerin ist in der Erbschaftsplanung ein grosses Thema. Die Statistik zeigt, dass in sieben von zehn Fällen die Frau den Mann überlebt, wie Peter Breitschmid feststellt. Ob sie beim Tod ihres Mannes als Meistbegünstigte fast alles erhalten soll, macht der Experte vom Umfang des Vermögens abhängig: «Bei einem grösseren Volumen ist das nicht nötig», sagt er.

Geht es um Kinder und weitere Angehörige oder Freunde, kann die Anschubfinanzierung ein Thema sein. Gemäss «Schweizer Erbschaftsstudie 2023» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften geht rund die Hälfte aller Erbschaften an Rentnerinnen und Rentner. Doch junge Familien sind im Sinne einer Anschubfinanzierung für Wohneigentum oder anderes meist dringender auf Geld angewiesen. Deshalb kann es sinnvoll sein, bei der Nachlassplanung neben den Kindern auch die Enkel zu berücksichtigen.

Breitschmid

Wie plane ich den Nachlass richtig?

Jede Person gibt nur einmal einen Nachlass weiter. «Erbschaften sind kein Experimentierfeld, das verschiedene Versuche erlaubt», sagt Breitschmid. So gesehen ist es angebracht, umsichtig vorzugehen. Doch Breitschmid warnt davor, allzu detailversessen zu planen.

Er erwähnt das Beispiel einer Witwe, die in ihren letzten Lebensjahren im Pflegeheim ihr Testament rund ein Dutzend Mal neu geschrieben hat. «In diesem Fall wäre weniger mehr gewesen.» Im Durcheinander seien wesentliche Regelungen vergessen gegangen. Als Folge von solchem Hüst und Hott haben Erben mitunter grosse Probleme, den Willen von Verstorbenen richtig zu interpretieren. Und schliesslich wird bei späten Änderungen des Testaments auch immer wieder die Urteilsfähigkeit infrage gestellt.

Anders ist es, wenn zum Beispiel ein Kind aufgrund einer Behinderung nicht mit Geld umgehen kann. In solchen Fällen rät auch Breitschmid zu einer genauen Planung, die etwa eine Rente vorsieht und das Kind von der Vermögensverwaltung entlastet.

Braucht es überhaupt einen Anwalt?

Eine Beratung macht durchaus Sinn – aber es muss nicht zwingend ein Anwalt oder ein Notar sein. So gibt es unter anderem bei Finanzinstituten fachkundige Beraterinnen und Berater. Denn wer meint, beim Erben gehe es vor allem um rechtliche Fragen, liegt öfters falsch. Die Lebens-, Beziehungs- und Finanzplanung stehen im Vordergrund.

Und macht das Wohneigentum einen grossen Teil des Vermögens aus, empfiehlt Peter Breitschmid, weitere Fachleute beizuziehen: «Bei der Planung des Nachlasses kann der Architekt wichtiger sein als ein Anwalt.» Mit der Umgestaltung eines Einfamilienhauses in ein Generationenhaus lasse sich zum Beispiel eine längerfristige und günstige Betreuung sicherstellen, sodass am Ende für die Kinder mehr übrig bleibt.

Selbst eine ausgeklügelte juristische Regelung, stellt manchmal nicht restlos alle zufrieden. Denn: «Die perfekte Lösung existiert nicht», sagt Breitschmid. Meist gibt es verschiedene Optionen mit Vor- und Nachteilen. Zudem verändert sich der letzte Wille im Laufe der Zeit – so stehen mehrere Jahre nach der Unterzeichnung eines Erbvertrags oft Änderungen zur Diskussion.

Muss ich wegen der Gesetzesrevision das Testament anpassen?

Wenn in einem älteren Testament zum Beispiel ohne Angabe von Zahlen nur Pflichtteile und frei verfügbare Teile erwähnt sind, wird das Erbe nach dem revidierten Recht anders verteilt als vorher. Das kann zu Missverständnissen und unnötigen Auseinandersetzungen führen. Deshalb lohnt es sich, in solchen Fällen das Testament oder den Erbvertrag zu überprüfen und allenfalls anzupassen.

Wer den Nachlass schon vorher mit fachlicher Beratung geregelt hat, den muss das meist nicht kümmern: Da die Eckpunkte des 2023 in Kraft getretenen Erbrechts längere Zeit bekannt sind, haben Anwälte das in der Regel bereits seit längerem berücksichtigt.

Welche Geschenke sind noch erlaubt?

Im Zusammenhang mit dem revidierten Erbrecht ist gelegentlich von einem «Schenkungsverbot» die Rede. Das bezieht sich auf den Erbvertrag: Damit die vertraglich begünstigten Personen nicht zu kurz kommen, sollen anderweitige Schenkungen weitgehend ausgeschlossen werden. Erlaubt bleiben einzig Gelegenheitsgeschenke.

Ein Gelegenheitsgeschenk ist das, was man an Weihnachten oder an einem Geburtstag erwarten darf, wie Peter Breitschmid erläutert. Je nach Vermögensverhältnissen fallen solche Geschenke grösser oder kleiner aus. Bei Volljährigkeit oder Heirat bleibe aber auch mal ein vielleicht 20-mal grösseres Geschenk erlaubt.

Was können Konkubinatspaare tun?

Die nach über 100 Jahren Anfang 2023 in Kraft gesetzte Erbrechtsrevision sollte dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen. Ursprünglich war vorgesehen, im Konkubinat ähnlich wie in der Ehe eine gesetzliche Beteiligung vorzusehen. Doch dieses Vorhaben ist im Parlament gescheitert.

Eine Meistbegünstigung wie in der Ehe ist somit nicht möglich. Da aber mit der Revision die Pflichtteile gesenkt wurden, gibt es mehr frei verfügbares Vermögen, das für die Konkubinatspartnerin oder den Konkubinatspartner eingesetzt werden kann. Darüber hinaus können sich Konkubinatspaare bei Pensionskasse und Säule 3a gegenseitig begünstigen. Und schliesslich besteht die Möglichkeit, dass Kinder in einem Erbvertrag freiwillig auf ihren Pflichtteil verzichten.