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Meinung

Palast oder Hütte
Wie viel Wohnfläche brauchts zum Glück?

Hausboot auf dem See – nicht gross, aber freier als Stockwerkeigentum.
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Trautes Heim, Glück allein? Gerade hat Ex-Tennisprofi Roger Federer sich mit dem Bundesamt für Umwelt bezüglich seines Bauprojekts geeinigt. Auf seinen knapp 17’000 Quadratmetern am Zürichsee entstehen sechs Gebäude, aufs geplante Bootshaus verzichtet er.

Blick auf die Baustelle des rund 16'000 Quadratmeter grossen Grundstuecks des frueheren Tennisspielers Roger Federer in Kempraten, Rapperswil-Jona am Dienstag, 28. Mai 2024. (KEYSTONE/Michael Buholzer)

Hand aufs Herz: Ist dieser Traum am See nicht unser aller Inbegriff von Glück? In einer neuen, günstigen Stadtzürcher Siedlung gilt dagegen das ungewöhnlich strenge Reglement: Personenzahl gleich Zimmerzahl. So kommts zum unterdurchschnittlichen Flächenverbrauch pro Kopf. Wohnglück oder Notlösung?

Die Bundesverfassung kennt zwar kein individuelles, einklagbares Recht auf Wohnen, aber dass eine akzeptable Unterkunft für ein menschenwürdiges Leben nötig ist, bestreitet niemand. Was «akzeptabel» genau heisst, was die Wohnsituation gar glücksbringend macht, ja, ob das überhaupt geht: Da scheiden sich die Geister.

Im Kanton Zürich sind als Mindestgrösse für Zimmer 10 Quadratmeter festgeschrieben, im Januar reichten die Bürgerlichen dagegen eine Initiative ein. In der wilden Debatte behauptete SVP-Kantonsrat Urs Waser, er sei selbst in einem kleineren Zimmer aufgewachsen: «Geschadet hats mir nicht.»

Knackpunkt Gestaltungsfreiheit

Damit stösst er nolens volens ins gleiche Horn wie die Fans von Mikrowohnungen und Tiny Houses. Ein Leben auf 30 Quadratmetern sei ballastbefreit und erst noch umweltschonend, schwärmen diese. In der Schweiz beträgt die durchschnittliche Wohnfläche pro Person freilich aktuell rund 47 Quadratmeter.

Laut einer Studie von 2022 (Universität Wien) leistet «die Wohngrösse bestenfalls einen untergeordneten Beitrag zu Wohlbefinden und Glücklichsein des Bewohners». Oder gar keinen. Einen messbaren Unterschied macht dagegen das Wohnumfeld, etwa Lage und soziale Kontakte. Wichtig ist auch die Inneneinrichtung: Die Architekturpsychologie liefert Tipps für die Gestaltung «salutogener» (gesundheitsfördernder) Räume wie «nicht zu voll, nicht zu steril». Bedeutsamer fürs Glückserleben ist allerdings die Gestaltungsfreiheit als solche.

Der griechische Philosoph Diogenes (* 4. Jahrhundert v. Chr.) schlief aus freiem Willen in einem Fass, wie hier auf einem Mosaik aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. zu sehen.

Darum ist ein Faktor der Besitz: Gemäss einer repräsentativen deutschen Umfrage von 2015 sind Immobilienbesitzer signifikant glücklicher als Mieter, sogar wenn man Einkommen, Bildung und Alter herausrechnet (Universität Hohenheim). Fast zwei Drittel der Eigentümer gäben an, ihr Immobilienbesitz mache sie glücklicher; sie engagierten sich meist auch mehr in der Gemeinde als Mieter. Auch bezeichneten sich 60 Prozent der befragten Wohneigentümer als «sehr glücklich» versus 40 Prozent der Mieter.

Freilich gibt es Gegenstimmen. Laut einer Zürcher Studie von 2019 tendiert der Glücks-Impact von Wohneigentum gegen unter null. Jedoch würde, so die Forscher, das Glücksmoment wohl höher ausfallen, befragte man Besitzer von Einfamilienhäusern separat – ohne Stockwerkeigentümer: Auch hier geht es um Gestaltungs- und Nutzungsfreiheit.

Die kanns bekanntlich auch in der kleinsten Hütte geben, und ist man der Philosoph Diogenes, dann selbst im Fass. Hmm. Klar, ein Mar-a-Lago ist kein Glücksgarant; aber ein Diogenes sind halt auch die wenigsten. Am Ende stellt Ikea die in Wahrheit beste Frage: Wohnst du noch, oder lebst du schon?

In dieser Kolumne denken unsere Autorinnen und Autoren jede Woche über das gute Leben nach.