Glück und WünscheEinmal im Leben will ich … Soll man eine Bucketlist führen?
Reisen, Marathon und Sex sind die Klassiker: Wie glücklich es macht, seine Sehnsüchte schriftlich festzuhalten.
Eines der schmerzhaftesten Dinge am Älterwerden ist die Erkenntnis, dass sich einige unserer Wünsche nie erfüllen werden. Wir müssen akzeptieren, dass das Leben in manchen Punkten andere Wege einschlägt, als wir uns das vorgestellt hatten.
Umso verlockender ist eine Liste mit Dingen, die wir unbedingt einmal erleben oder sehen möchten, bevor wir sterben: auf die Galápagosinseln reisen, ein Buch schreiben, Fallschirmspringen, Ecstasy nehmen. Es sind Dinge, die man auf eine Bucketlist schreibt. Der Begriff bezeichnet eine Auflistung von Herzenswünschen, die man sich in einer bestimmten Frist erfüllen möchte.
Letzte Sehnsüchte sind beliebte Motive im Film, etwa in «Knockin’ on Heaven’s Door» oder «The Bucket List». Der Zeithorizont muss indes nicht zwingend der Tod sein. Unter amerikanischen Teenagern sind «High School Bucket Lists» beliebt, darauf Dinge, die vor Schulabschluss zu erledigen sind: Autoprüfung bestehen, einmal Schule schwänzen, Sex haben.
Was bringen solche Wunschlisten? Sollte jeder erwachsene Mensch ein paar Bulletpoints formulieren und von Zeit zu Zeit das Erreichte abhaken? Oder macht das unglücklich – weil es vor Augen führt, was man alles noch nicht hat?
Bucketlist als Werkzeug zur persönlichen Reflexion
Es ist mitunter durchaus sinnvoll, sich zu überlegen, welche (realistischen!) Träume und Wünsche man hegt. Studien – etwa von der Entwicklungsprofessorin Alexandra Freund an der Uni Zürich – zeigen, dass Ziele motivierend und sinnstiftend sein können. Abgesehen davon, dass sie von Optimismus zeugen!
Natürlich kann eine Wunschliste auch Druck und Frustration auslösen, vor allem, wenn die Punkte nicht erreicht werden. Die Aufzählung sollte deshalb nicht als To-do-Liste zum Abhaken dienen, sondern als Werkzeug zur persönlichen Reflexion. Nutzen Sie es, um herauszufinden, was Ihnen wichtig ist. Und – fast noch wichtiger – von welchem Ballast Sie sich trennen möchten.
Zu erwarten, dass die Punkte auf der Bucketlist das ultimative Glück bringen, ist hingegen unrealistisch. Angenommen, Sie nehmen sich vor, eine Million Franken zu besitzen oder einen Marathon zu rennen. Für den Fall, dass Sie das erreichen: Wird das Ihr Leben radikal verändern? Eher nicht. Der Mensch strebt nach Stabilität und funktioniert darum so, dass er stets ungefähr gleich glücklich oder unglücklich ist, selbst nach einschneidenden Lebensereignissen (das ist der Grund, warum Lottogewinner nicht zufriedener als andere sind).
Fragen Sie sich lieber, was hinter dem Wunsch steckt. Wollen Sie die Million oder den Marathon, um andere zu beeindrucken oder weil Sie sich minderwertig fühlen? Oder wollen Sie es nur für sich selbst, ohne Zweck und Erwartungsdruck? Beides ist in Ordnung. Aber Letzteres wird eher ein Gefühl der Zufriedenheit und Sättigung hinterlassen. Anders gesagt: Vorhaben sind vor allem dann erfüllend, wenn der Weg genauso wichtig ist wie das Ziel (wenn Sie also auch das Marathontraining als wertvolle Erfahrung betrachten und nicht nur den Zieldurchlauf im Kopf haben).
Eine Bucketlist kann eine gute Sache sein, wenn man sie nutzt, um sein Leben zu reflektieren. Aber nicht vergessen: Träume zu haben, hält einen lebendig. Es sind die Sehnsüchte, die uns antreiben. Eine Bucketlist zu schreiben, ist das eine. Ob es wirklich erstrebenswert ist, sie komplett abzuarbeiten, ist eine andere Frage.
In dieser Kolumne denken unsere Autorinnen und Autoren jede Woche über das gute Leben nach.
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