Über ein Punk-PhänomenWarum «Team Scheisse» die Band der Stunde ist
Ausgerechnet eine deutsche Punk-Band trifft den Nerv der Zeit. Dabei helfen ihr Donald Trump und Mark Zuckerberg – der Rechtsrutsch also.

Wie oft haben wir das Resümee «Punk is dead» bereits gelesen? Fast alle – ausser der kleine Pulk Punks, der immer wieder mal an den grösseren Bahnhöfen des Landes rumlungert – dachten wir: «Ja, stimmt.»
Und nun kommt Team Scheisse!
Wer?
Die Bremer Band mit dem aussagekräftigen Namen ist weder Taylor Swift noch Billie Eilish noch Oasis. Diese Band wird also vermutlich nie eine Pushnachricht auslösen. Schon allein hier von ihr zu lesen, ist eine Besonderheit (womöglich schreibt nicht mal die WOZ über das neue Album). Aber dennoch macht es Sinn, weiterzulesen: Denn «20 Jahre Drehorgel», das vierte Album der Punks, ist nichts Geringeres als das Album der Stunde – oder vielleicht sogar: das Album des Jahres.
Bevor darauf eingegangen wird, noch ein paar Zahlen, die darauf hindeuten, ein Promillchen Swift ist die Band aus Norddeutschland mittlerweile schon: Viele der 15 Konzerte der Band auf der anstehenden Tournee sind längst ausverkauft, in Leipzig und Berlin wird sie vor rund 4000 Menschen spielen, in Nürnberg und Hamburg gibt es Zusatzkonzerte. In Jan Böhmermanns Sendung war sie zu Gast, und die Toten Hosen engagierten sie als Vorband. Das Album kam bis auf Platz neun der deutschen Charts, und ihr Song «Schmetterling» vom Vorgängeralbum wurde nicht nur rund sechs Millionen Mal auf Spotify abgespielt, sondern lief auch schon in der SRF-Serie «Tschugger».
Auch in der Schweiz wird Team Scheisse also geliebt – die Konzerte in Bern, Basel und Zürich vergangenen Jahres waren, klar, ausverkauft. Team Scheisse schreibt sich zudem «Scheisse», mit Schweiz-affinem Doppel-s anstelle des in Deutschland üblichen scharfen s (ß). Aus ästhetischen Gründen, wie die Band sagt.
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Jetzt zum Album: Die Titel der Tracks lauten unter anderem «Mittelfinger», «Spuckstein» oder «Raucherpausenvibes» – und alle eint, in schönster Punk-Manier: Sie sind gegen etwas. Manch einer dürfte auch das eine oder andere in den Songs verwendete Bild oder Wort als geschmacklos empfinden. Eine dieser «Personen» ist: Alexa, die Amazon-Sprachassistentin des Unternehmens von Jeff Bezos (mehr zu US-amerikanischen Techinvestoren später). Sie traut sich nicht, den Bandnamen vollständig auszusprechen, beept– apropos «Free Speech» – das Wort «Scheisse» weg. Aber so soll das ja nach wie vor beim Punk sein, er will verstören. Dass das 2025 noch mit Schimpfwörtern gelingt, wunderbar. Das gegenwärtige Modewort, Disruption, ist schon immer Teil des Genres.
So heisst es im Song «Altbauwohnung»:
«Ich kack in jedes Souterrain
Die ganze Strasse stinkt ja dann
Ich hoff, die Mieten sinken dann.»

In diesem gentrifizierungskritischen Song mischt sich Punk alter Schule mit Thomas-Bernhard’schem Geschimpfe. Manchmal wird es auch individual-kritisch, etwa bei «Kaffee die Tage». Der Song ist eine Art Hymne, die eine medial-kreative Bubble aufs Korn nimmt. Eine, die dem Gegenüber «lass mal Kaffee die Tage» vorschlägt, um den neuesten Podcast zu planen, was natürlich alles nie stattfinden wird. Manch einer dürfte sich ertappt fühlen.
Aber Punk wäre nicht Punk, würde er sich nicht auch explizit mit der Politik beschäftigen. Ein Song namens «Pluto» lässt Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder mit dem Satz zu Wort kommen «Ein Leben ohne Schweinsbraten mag möglich sein, ist aber nicht sinnvoll» – um dann in zwei Songelemente zu münden: zuerst einen monotonen Chorus, der nur das Wort «CDU» wiedergibt, und dann den Satz «Es geht doch nur noch bergab, seit Pluto kein Planet mehr ist».
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All die Songs zeigen: Die Band hat Humor und Haltung. Später wird noch in «Der Wirtschaft» die Wirtschaft in einem Punk-Lovesong angegangen. «Und mal wieder frag ich mich / Denkt die Wirtschaft auch an mich / So wie ich an sie / Voller Sympathie / Oder ist sie in Gedanken / Schon weitergegangen? / Und ich bin ihr egal / Das wär katastrophal.»
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Damit sind wir bei US-amerikanischen Tech-Männern, bei Elon Musk, Bezos und Mark Zuckerberg. Kürzlich löschte Team Scheisse, aufgrund des Anbiederns dieser Männer an die Politik von Donald Trump, seinen Instagram-Account mit rund 50’000 Followern. Wer die Musikszene kennt, weiss, das tut weh.
Es ist ein Protest zum eigenen wirtschaftlichen Schaden, da über Instagram fast jede PR jeder noch so kleinen oder grossen Künstlerin läuft. Die Band schätzt, das habe sie rund 8000 Ticketverkäufe gekostet. Im ARD-Kulturformat «Titel Thesen Temperamente» hiess es dazu: «Das ist Punk.»
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Im Song «Mittelfinger», der als allgemeine Kritik an der aktuellen politischen Gegenwart, einem Rechtsrutsch, verstanden werden kann, nölt Sänger Timo Warkus «Ich hab noch nicht mal Kaffee gehabt und bin schon abgefuckt.» Oder noch prägnanter: «Was der Tag noch bringt, wenn er jetzt schon stinkt.» Der Sound des Albums ist stets räudig, übersteuert, trifft den Nerv der Zeit. Auch weil er in einem Jahrzehnt, das geprägt ist von genreübergreifendem Sound – gibt es noch reinen Hip-Hop, gibt es noch reinen Rock? – eine willkommene Ausnahme darstellt: Es ist Punk, Punkt.
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Viele der Songs verbindet das Geschrei des Sängers. Er, Timo Warkus, sagte in einem Interview: «Es geht mir besser, wenn ich schreie.» Auch dieser Satz sagt viel über unsere Zeit. Genauso, dass Warkus sagt, ein Anti-Trump-Album planten sie nicht, aber dass sie bei den Leuten so gut ankämen, liege «schlicht am fucking Zeitgeist».
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