Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Ukraine-Blog: Fotos, Fakes und Fragen
Das wissen wir über den Anschlag auf den russischen Militärblogger

Kreml-Propaganda verherrlicht das Sterben im Krieg

Von Vincenzo Capodici

Für Russland zu sterben, ist gar nicht so schlimm. Ganz im Gegenteil. «Denn Russen kommen in den Himmel. Und alle anderen verrecken einfach» – wie es Wladimir Putin höchstpersönlich einst proklamiert hat. Diese Überhöhung des Soldatentodes im Kampf für Russland durchdringt die Propaganda des Kremls in vielen Variationen und zuletzt in auffallender Häufigkeit. Der verlustreiche Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, das Verheizen unvorbereiteter und schlecht ausgerüsteter Soldaten und eine mögliche neue Mobilisierungswelle – all das muss schliesslich legitimiert werden.

Das Leben wird «völlig überbewertet»

Diesen Job erledigen die Propagandisten in den martialischen Talkshows der russischen Staatssender. So zum Beispiel Wladimir Solowjew, der kürzlich in seiner allabendlichen TV-Sendung dazu aufgerufen hat, keine Angst vor dem Tod zu haben. Das Leben werde ohnehin «völlig überbewertet». Und der Tod sei schliesslich unvermeidlich. «Der Tod ist das Ende eines irdischen Weges und der Anfang eines anderen. Wozu also Angst davor haben?» fragte Solowjew, der als einer der wichtigsten TV-Propagandisten Russlands gilt.

Die nicht minder ideologisierten Gäste seiner Diskussionssendung unterstützten die Ansichten von Solowjew. Während die russischen Männer früher von Tag zu Tag gelebt hätten, hätten sie jetzt ein «höheres Ziel» im Leben – und dafür lohne sich auch der Tod. Das eigene Leben opfern für Gott und Vaterland, das ist das Höchste. Oder in den Worten von Solowjew: «Es lohnt sich nur für etwas zu leben, wofür man auch sterben kann.»

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

In einer anderen TV-Show philosophierten die Moderatorin Julia Rosenberg und Dmitri Pewzow, Sänger und Duma-Abgeordneter, über das Wesen des russischen Menschen. Dabei kam heraus, dass russische Soldaten keine Angst hätten für ihre Heimat, für die eigenen Leute, für die eigene Nation und für die eigene Familie zu sterben. «Das ist unsere wichtigste Eigenschaft» – und offenbar der wichtigste Unterschied zu Nicht-Russen.

Tod eines Kriegers sei der beste Tod überhaupt, sagt Priester

Auch die russisch-orthodoxe Kirche verherrlicht das Sterben im Krieg. In den sozialen Medien kursiert seit Ende Dezember ein Video von einer Predigt eines Priesters, der behauptet, dass der Tod eines Kriegers der beste Tod überhaupt sei. «Menschen sterben wie die Schweine in ihrer eigenen Kotze. Sie trinken, fressen, fallen unter die Tische und ertrinken in ihrer Kotze. Was für ein Tod», gibt der Priester zu bedenken. «Dann ist es doch besser, mit einer Waffe in den Händen für die Heimat zu sterben – wie ein Held, wie ein Mann. Am besten, vorher noch ein Gebet sprechen – und ab geht es in den Himmel.»

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Wie über das Sterben eines russischen Soldaten im Krieg gedacht werden soll, hat Patriarch Kirill schon lange vorgegeben. Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche gilt als enger Vertrauter von Staatschef Putin. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertigt er als notwendigen Feldzug gegen das Böse. Nach der Mobilmachung im Herbst versprach der Patriarch den Soldaten die Absolution. Der Tod in diesem Krieg sei eine Art Opfergang, mit der die Person «alle Sünden abwäscht», sagte er damals.

Hinweis auf neue Mobilmachung

Die Glorifizierung des Soldatentodes im Ukraine-Krieg deuten manche Beobachter als Hinweis auf eine bevorstehende neue Mobilisierungswelle in Russland. Auf Grund der Pläne des Verteidigungsministeriums seien neue Soldaten nötig, sagte Sergei Kriwenko, russischer Aktivist und Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation «Bürger. Armee. Recht», Ende Dezember in einem Gespräch mit BBC News. Die russische Armee brauche bis zum Sommer Nachschub. «Um die neuen Soldaten vorzubereiten, braucht es drei bis vier Monate. Eine neue Mobilisierungswelle könnte also in diesem Januar beginnen.»

Vor einer neuen Mobilmachung durch den Kreml warnte zu Jahresbeginn auch der ukrainische Verteidigungsminister Olexi Resnikow. Bald würden die Grenzen geschlossen, damit niemand das Land verlassen könne, sagte Resnikow in einem an die russische Bevölkerung adressierten Video auf Youtube. Es gebe die Wahl, sich der Einberufung zum Kriegsdienst zu entziehen oder in der Ukraine zu sterben oder zum «Krüppel» zu werden.

Hunderttausende Russen hatten im letzten Herbst das Land verlassen, um sich der Teilmobilmachung zu entziehen. Von 300’000 mobilisierten Reservisten ist gemäss Kreml-Angaben etwa die Hälfte in den Kampfgebieten in der Ukraine im Einsatz. Die andere Hälfte sei als «Kampfreserve» auf Stützpunkten des Militärs untergebracht. Putin hat zuletzt gesagt, es sei keine neue Mobilmachung nötig. Was aber nicht stimmen muss.

Russische Soldaten: Neue Berichte über schreckliche Zustände

FILE - In this handout photo released by Russian Defense Ministry Press Service, Russian President Vladimir Putin, center, Russian Defense Minister Sergei Shoigu, left, and Deputy Commander of the Airborne Troops Anatoly Kontsevoy, right, visit a military training centre of the Western Military District for mobilised reservists in Ryazan Region, Russia, Thursday, Oct. 20, 2022. In Russia, there is a growing sense of desperation among hard-liners about what they see as President Vladimir Putin's hesitancy and lack of a clear strategy. (Russian Defense Ministry Press Service via AP, File)

Am Donnerstag sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski vor dem US-Kongress, dass Hilfspakete aus den USA den Sieg beschleunigen könnten. Am selben Tag hielt allerdings auch Wladimir Putin eine Rede, in der er ankündigte, dass Russland den Soldatenbestand aufstocken werde. Und der Kremlherrscher meint es ernst: «Das Land und die Regierung stellen alles zur Verfügung, worum die Armee bittet.»

Zusätzlich versicherten Putin und sein Verteidigungsminister Sergei Schoigu, dass sie die Bedingungen für Soldaten verbessern würden. Die Offiziere sollten darauf achten, dass «medizinische Ausrüstung, Lebensmittel, Trockenrationen, Uniformen, Schuhwerk, Schutzhelme und kugelsichere Westen» den Soldaten zur Verfügung gestellt würden. Die vielen Meldungen über fehlende Ausrüstung waren nicht unbemerkt am Kreml vorbeigegangen.

Indes erscheinen immer neue Berichte, die die Zustände in der russischen Armee anprangern – und weit schwerere Vorwürfe erheben als mangelhafte Ausrüstung.

Russian generals and the State Duma deputies attend an expanded meeting of the Russian Defence Ministry Board at the National Defence Control Centre in Moscow, on December 21, 2022. (Photo by Mikhail Klimentyev / Sputnik / AFP)

Gemäss dem amerikanischen Institute for the Study of War kämpft das russische Militär weiterhin mit einer «extrem niedrigen Moral». Russische Militärblogger schreiben, dass die russischen Streitkräfte auf eine ukrainische Gegenoffensive im Winter völlig unvorbereitet seien. «Die russische Armee und ihre Führung lassen keine Chance auf Erfolg für Russland», schreibt ein Blogger.

Ein estnischer Twitter-User, der mit Open Source Intelligence arbeitet und russische Medien übersetzt, verbreitete kürzlich ein Video eines russischen Freiwilligen, der berichtet, wie er und seine Kameraden die Waffen niederlegen wollten, nachdem die erste und zweite Vorhut niedergemetzelt worden waren. Er und seine Einheit seien trotzdem in den Kampf geschickt worden – «als Fleisch», wie der Russe es nennt und damit Kanonenfutter meint. Fünfmal sei er weggerannt und wieder eingefangen worden. Er sei der einzige Überlebende.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Der ukrainische militärische Nachrichtendienst veröffentlichte ein abgehörtes Telefongespräch, in dem ein russischer Soldat seiner Mutter erklärt, dass nicht die ukrainischen Streitkräfte für die Russen im Krieg am tödlichsten sind, sondern russischer Beschuss, sogenanntes Friendly Fire.

«Und es war wirklich unser eigener Panzer: Er feuerte zweimal, und 20 Mann waren tot», beschwert sich der Soldat bei der besorgten Mutter. Und er macht die Führung direkt verantwortlich: «Diese Kommandanten sind Drecksäcke, sie töten ihre eigenen Männer!»

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

In einem Videointerview mit Radio Free Europe beschreibt ein junger ukrainischer Soldat in Bachmut mit nachdenklichem Blick, wie die russischen Soldaten zwar in den sicheren Tod laufen, «aber sie ziehen sich nicht zurück, denn sie wurden bedroht, und ihnen wurde gesagt, dass sie so oder so getötet werden». So hätten es Kriegsgefangene ihm berichtet: «Ihre eigenen Kommandanten töten sie, wenn sie nicht angreifen. Es gibt oft Hinrichtungen.»

Derweil erklärte Putin am Donnerstag, dass das alles halt dazugehöre: «Natürlich sind militärische Operationen immer mit Tragödien und dem Verlust von Menschenleben verbunden», sagte der Kremlchef. «Aber da dies unvermeidlich ist, ist es heute besser als morgen.»

Russian Defence Minister Sergei Shoigu (L) and Russian President Vladimir Putin attend an expanded meeting of the Russian Defence Ministry Board at the National Defence Control Centre in Moscow, on December 21, 2022. (Photo by Sergey Fadeichev / Sputnik / AFP)

Warum manche afrikanische Staaten nicht mit Russland brechen wollen

Von Nora Seebach

US President Joe Biden (C) participates in a family photo with the leaders of the US-Africa Leaders Summit at the Walter E. Washington Convention Center in Washington, DC, on December 15, 2022. (Photo by Brendan SMIALOWSKI / AFP)

Als im Februar Russland die Ukraine angriff, war in Europa Weltuntergangsstimmung.

In Südafrika, am Zipfel des vom Westen oft als «dunkel» beschriebenen Kontinents, war der Schock um einiges kleiner.

Der russische Angriffskrieg wurde zwar nicht heruntergespielt, aber aus der geografischen Distanz doch sehr anders wahrgenommen. Es gibt Kriege und Konflikte, die Südafrika räumlich näher sind, in der westlichen, europäischen Wahrnehmung jedoch wenig Platz einnehmen.

Die unterschiedliche Reaktion hat aber nicht nur mit Geografie zu tun. Manch einer oder eine in Kapstadt schnalzte verächtlich mit der Zunge, schon auch wegen Putins grausamer Attacke, aber eben auch wegen der zahlreichen Berichte darüber, wie afrikanische Student:innen in der Ukraine bei der Evakuierung heftigen Rassismus erfuhren.

Und wie viele der westlichen Nationen hatten Afrika kolonisiert, in afrikanischen Ländern Terror, Schrecken und Tod verbreitet? «Diese Scheinheiligkeit!» So klang es manchmal bei Gesprächen in Bars und Restaurants in Kapstadt.

Fast zehn Monate sind seit Kriegsbeginn vergangen.

Diese Woche besuchte der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa den US-Präsidenten Joe Biden im Rahmen des von Barack Obama ins Leben gerufenen Afrika-Gipfels. 49 Staats- und Regierungschefs aus Afrika reisten nach Washington und wurden dort von Biden umworben.

«Afrikas Erfolg ist der Erfolg der ganzen Welt», lautete Bidens Leitsatz für den Gipfel. Er weiss, dass viele afrikanische Staaten alles andere als auf der Seite des Westens stehen. Der Einfluss Russlands und Chinas ist gross. Viele Kommentatoren sehen darin einen erneuten Wettlauf um Afrika.

A supporter of Malian Interim President wears a face mask of the President of Russia, Vladimir Putin, during a pro-Junta and pro-Russia rally in Bamako on May 13, 2022. - Several hundred Malians have gathered in Bamako to support the junta, the army and military cooperation with the Russians, AFP journalists report. (Photo by OUSMANE MAKAVELI / AFP)

Am Afrika-Gipfel war auch die Ernährungssicherheit ein zentrales Thema. (Lesen Sie hier mehr zum Treffen) Afrika leidet sehr stark unter den Preissteigerungen und den Lieferengpässen, die seit dem Ukraine-Krieg die Welt beschäftigen.

Dass dadurch Russland in Ungnade fällt, würde auf der Hand liegen. Allerdings ist die Auslegung des Konflikts in vielen Teilen Afrikas eine andere: Die Reaktion und die Einmischung des Westens, vor allem die Sanktionen, seien verantwortlich zu machen.

Um das zu verstehen, muss man sowohl in die Vergangenheit schauen als auch Putins aktuelles Verhalten gegenüber Afrika unter die Lupe nehmen.

Eine Analyse des United States Institute of Peace kommt zum Schluss, dass die diplomatische Offensive Russlands im globalen Süden darauf beruht, dass sich Russland als Staat ohne koloniale Vergangenheit darstellt und gleichzeitig die kolonialen Gräuel der europäischen Länder betont, um «einen Keil zwischen den Westen und Afrika zu treiben».

Russian Foreign Minister Sergei Lavrov meets with his Ethiopian counterpart Demeke Mekonnen in Addis Ababa on July 27, 2022. (Photo by Handout / RUSSIAN FOREIGN MINISTRY / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / Russian Foreign Ministry / handout" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS

Russland wird nicht müde, den Geist der afrikanischen Freiheitskämpfe heraufzubeschwören, bei denen die Sowjetunion Unterstützung leistete: Südafrika, Moçambique, Guinea-Bissau.

Das war während des Kalten Krieges. Und die südafrikanische Regierungspartei ANC erinnert sich in der Tat noch gut daran, wer damals den Kampf gegen die Apartheid unterstützte und wer die Kämpferinnen und Kämpfer als Terroristen bezeichnete.

Die ersten zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 waren geprägt von relativ wenig Einfluss Russlands in Afrika – der junge Staat konzentrierte sich auf innere Angelegenheiten.

Seither schielt Russland wieder gegen Süden. Putins Strategie, Russland wieder zur geopolitischen Supermacht zu machen, hat zu einer verstärkten Präsenz in manchen Teilen Afrikas geführt.

Russia's President Vladimir Putin (L) shakes hands with South Africa's President Cyril Ramaphosa before posing for a group picture during the 10th BRICS (acronym for the grouping of the world's leading emerging economies, namely Brazil, Russia, India, China and South Africa) summit on July 26, 2018 at the Sandton Convention Centre in Johannesburg, South Africa. (Photo by Alexey NIKOLSKY / SPUTNIK / AFP)

Als die UNO-Generalversammlung im Oktober darüber abstimmte, ob sie Russlands Annexion der ostukrainischen Gebiete verurteilen sollte, enthielten sich 19 afrikanische Staaten. Dazu gehörten Mali, die Zentralafrikanische Republik, Äthiopien, die Republik Kongo, Südafrika, der Sudan, Uganda, Zimbabwe und Eritrea. Sie alle haben ihre eigenen Beweggründe, historische Verknüpfungen und aktuelle Verbandelungen mit Russland.

Moskaus Engagement in Afrika beruht auf konventionellen und legalen Methoden wie Handel und Diplomatie. Nach Angaben des Stockholm International Peace Research Institute importiert Afrika knapp die Hälfte seiner militärischen Ausrüstung aus Russland. Und erst letzte Woche wurde Südafrika verdächtigt, Russland Waffen zu liefern. Dies konnte jedoch noch nicht belegt werden.

Moskau bedient sich auch unkonventioneller Instrumente, um Einfluss zu nehmen. Dazu zählen zum Beispiel der Einsatz von Wagner-Söldnern in verschiedenen Konflikten, oder die Manipulation von Wahlen durch Desinformationen – wie wir es auch von den US-Wahlen im Jahr 2016 kennen.

US Secretary of State Antony Blinken speaks with Antoinette Sithole, the sister of late Hector Pieterson, killed during the Soweto uprising as he was 12, as they tour the Hector Pieterson Memorial in Soweto, on August 7, 2022. - Peaceful child protesters were gunned down by police 30 years ago in an attack that awakened the world to the brutality of the apartheid regime. (Photo by Andrew Harnik / POOL / AFP)

Biden forderte am Gipfel, dass die Afrikanische Union ein ständiges Mitglied der G-20 werden soll. Und er betonte am Donnerstag: «Ich bin begierig darauf, Ihren Kontinent zu besuchen.» Im August war bereits US-Aussenminister Antony Blinken in mehrere Länder Afrikas gereist.

Der russische Aussenminister Sergei Lawrow hatte seine diplomatische Offensive schon im Juli gestartet, als er Ägypten, Äthiopien, Uganda und den Kongo besuchte. Lawrow versprach auf seinen Stationen jeweils bilaterale Beziehungen, die auf Gleichheit und Achtung der territorialen Integrität Afrikas basieren.

Anlässlich Lawrows Besuch sagte der Präsident von Uganda, sein Land weigere sich, «die Feinde anderer Leute zu bekämpfen». Zur Forderung des Westens, alle Beziehungen zu Russland abzubrechen, erwiderte er: «Wie können wir gegen jemanden sein, der uns nie geschadet hat?»

Die Ukraine ist da anderer Meinung. «Jede russische Rakete trifft nicht nur die Ukrainer, sondern beeinträchtigt auch die Lebensqualität der Afrikaner», sagte der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba im Oktober. Und Wolodimir Selenski bemüht einen geschickten Vergleich: Der russische Angriff sei wie europäischer Kolonialismus. Widerstand gegen Russland sei antikolonialistisch. Und wenn er sich mit einem Narrativ in Afrika Gehör verschaffen kann, dann mit diesem.

«Die Ukraine ist von der virtuellen Weltkarte von Elon Musk verschwunden»

Von Nora Seebach

«Die Ukraine ist von der virtuellen Weltkarte von Elon Musk verschwunden», schreibt ein Ukrainer auf Twitter.

Und in der Tat wird Twitter gerade überschwemmt mit dem Frust von Ukrainerinnen und Ukrainern. Sie posten Screenshots von ihrer Login-Seite. Eine Scroll-down-Liste mit Ländervorwahlen für Telefonnummern, mit denen man sich bei Twitter einloggen kann.

Zwischen Uganda und United Kingdom, wo alphabetisch die Ukraine auftauchen müsste: nichts.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Twitter hat also offenbar den Ländercode der Ukraine aus der Datenbank entfernt. Ukrainer:innen können nun mit der 2-Faktor-Authentifizierung nicht auf ihre Konten zugreifen. Das heisst, sie können sich nicht mehr bei Twitter einloggen, weil die SMS mit dem Einmal-Code nicht mehr zugestellt werden. Und das mitten in einem tödlichen Krieg, in dem Twitter eine wichtige Rolle erfüllt – als Schauplatz des Informationskrieges.

Nachdem der neue Twitter-Besitzer Elon Musk im Oktober seinen kontroversen Friedensplan für den Ukraine-Krieg gepostet hatte, wurde er von Nachrichten von ukrainischen Usern überhäuft. Und in seiner Umfrage stimmte über die Hälfte gegen Musks Friedensplan.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Damals nannte er diese Users Bots. Bots sind computergesteuerte Accounts, die Spam posten oder gewisse politische Propaganda – sie sind langjährige Erzfeinde und Lieblings-Sündenböcke Elon Musks. Einige der brüskierten User waren damals jedoch offizielle ukrainische Regierungsmitglieder.

Am Montag postete Musk ein Meme, mit dem er Bots für tot erklärt.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Da die künstliche Intelligenz mittlerweile sehr fortgeschritten ist, ist es schwierig, herauszufinden, hinter welchem Account ein Bot und hinter welchem ein Mensch steckt.

Verschiedene Quellen berichten, dass Musk deshalb ganze Telefonnetzwerke blockiert haben soll, aus denen besonders viele Bots kommen.

Gleichzeitig wurde ein weiterer Vorwurf laut: Twitter soll gegen Themen aus der Ukraine einen sogenannten Shadow Ban eingesetzt haben. Themen in Verbindung mit dem Land seien in der Twitter-Suche nicht mehr leicht auffindbar. Auch im Zeitstrahl der App würden sie nicht mehr erscheinen.

Dies zu verifizieren ist unmöglich. Twitter gibt nicht preis, wie ihr Algorithmus funktioniert, der den Zeitstrahl ordnet. Es ist ein altbekannter Vorwurf, dass Twitter unliebsame Benutzer:innen anstatt sie zu sperren einfach in der Gewichtung des Algorithmus runterfallen lässt.

Elon Musk macht seit einer Weile mit einer eher prorussischen Haltung – und sonstigen Schwurbler-Meinungen – auf sich aufmerksam. Trotzdem scheinen User in der Ukraine, denen der Zugriff zu Twitter verweigert wurde, eher Kollateralschaden von Musks Kampf gegen Bots und Spam geworden zu sein als direkt targetierte Opfer.

Die Ukraine beschiesst das besetzte Melitopol

Von Nora Seebach mit Material von AFP

Mit der Rückeroberung Chersons hat die ukrainische Armee eine neue Phase des Krieges eingeläutet. Der Fokus liegt jetzt weiter im Osten. Dort liegt die Stadt Melitopol im Dreieck zwischen Mariupol, der Krim und Saporischschja. Seit letztem März ist sie von Russland besetzt.

Am Wochenende hat die Ukraine den Kampf um Melitopol mit einem Angriff – mutmasslich mit Himars-Raketen – begonnen. Unklar ist, ob sich die ukrainische Armee tatsächlich auf Melitopol konzentriert. Oder ob es sich um ein Ablenkungsmanöver handelt, um später an einem anderen Ort eine Offensive zu starten. Diese Strategie verfolgte die ukrainische Armee schon, als sie zuerst Cherson und dann die Russen im Umland von Charkiw angriff.

Die russische Seite meldete am Samstagabend mehrere Artillerieangriffe des ukrainischen Militärs unter anderem auf die russisch besetzte Stadt Melitopol im Südosten der Ukraine. Zudem war die russische Flugabwehr über der Region aktiv geworden.

Am Sonntag bestätigte auch der ukrainische Generalstab eine Reihe von Luftangriffen in den russisch besetzten Gebieten. Zeitgleich seien seit Samstagabend eine Reihe von Kommandostellen, Unterkünften und Nachschublagern mit Rohr- und Raketenartillerie beschossen worden. Die genauen Ziele wurden jedoch nicht genannt

Die russische Seite schrieb von zwei Toten und zehn Verletzten. Der ukrainische Bürgermeister von Melitopol, Iwan Fjodorow, schreibt aus dem Exil via Telegram, dass schätzungsweise 200 Besatzer bei dem Angriff getötet wurden.

Verschiedene Quellen, russische und ukrainische, behaupten, dass bei dem Angriff die von den USA gelieferten hochmobilen Artillerieraketensysteme (Himars) eingesetzt worden sind. Erst letzten Freitag erklärten die Vereinigten Staaten, dass sie Kiew weitere Hilfe zur Verstärkung der Luftabwehr und zur Abwehr von Drohnen zukommen lassen wollen.

In den sozialen Medien wird derweil rege diskutiert, ob die Ziele militärisch oder zivil waren. Fjodorow schreibt, der Angriff habe russische Militärgebiete getroffen. Die russischen Behörden meinen jedoch, das Ziel sei ein Erholungszentrum für «friedliche» Zivilistinnen und Zivilisten gewesen, die am Samstagabend beim Abendessen getroffen worden seien.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Ein Twitter User postet das Video aus Melitopol: Auf ukrainischer Seite werden die Russen oft als «Orks» bezeichnet – plündernde Banden unmenschlicher Wesen aus «Herr der Ringe».

Gemäss geolokalisiertem Filmmaterial handelt es sich in der Tat um einen Restaurant-Hotel-Komplex und eine Kirche, wie das «Institute for the Study of War» schreibt. Nach Angaben von Bürgermeister Fjodorow sind diese jedoch von den russischen Streitkräften als Stützpunkt für den Föderalen Sicherheitsdienst und als Quartier für Soldaten genutzt worden.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Nun wurde am Montagabend auch noch die Konstantinowka-Brücke in einem östlichen Vorort Melitopols getroffen. Die prorussische Verwaltung beschuldigt «Terroristen», einen Sprengstoffanschlag auf die Brücke verübt zu haben.

In den vergangenen Monaten haben sich gegen die Besatzungsbehörden gerichtete Sabotageakte und gezielte Tötungen im besetzten Süden der Ukraine gehäuf

Wladimir Rogow, Vertreter der russischen Besatzungsverwaltung, machte am Dienstag im Onlinedienst Telegram keine Angaben zum Ausmass des Schadens an der Brücke, verbreitete aber Bilder, auf denen ein eingestürzter Abschnitt zu sehen ist.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Gemäss Rogow diente die Brücke der Versorgung der russisch besetzten Gebiete in den Regionen Cherson und Saporischschja und auf der 2014 von Moskau annektierten ukrainischen Halbinsel Krim.

Die Regierung in Kiew hat ihren festen Willen bekundet, diese Gebiete zurückzuerobern. Falls die Ukraine die Stadt Melitopol einnimmt, würde sie so den Russen die Landbrücke zur Krim abschneiden.

Ein Selenski-Berater sagte gemäss der «New York Times» in einem Podcast, dass Melitopol ein Schlüssel für den Sieg der Ukraine sei: «Wenn Melitopol fällt, bricht die gesamte russische Verteidigung bis nach Cherson zusammen, und die ukrainischen Streitkräfte springen bis zur Grenze zur Krim.»

Mariupol – der vergessene Schauplatz?

Von Nora Seebach

This photograph taken on November 29, 2022 shows a damaged car in front of ruins in the Russian-occupied Azov Sea port city of Mariupol in southeastern Ukraine. (Photo by STRINGER / AFP)

Westliche Journalistinnen und Journalisten kommen grundsätzlich nicht nach Mariupol. Zugang verwehrt. Viel zu gefährlich. Die Stadt ist seit Mai unter russischer Besatzung.

Und weil unabhängige Berichte rar sind, liefern sich die ukrainische und die russische Seite nun einen Informationskrieg.

Während der korrupte Selenski um Gelder und Waffen aus dem Westen bettelt, hängt jetzt der Wiederaufbau Mariupols an Russland. Spitäler, Wohnhäuser: Russland baut und baut – alles für die Menschen in Mariupol.

So beschreibt es die russische Seite auf sozialen Medien.

Mariupol im Winter 2022: Anstatt Fenster haben die Menschen Pappe oder Folien, in den Küchen gefriert das Wasser in den Hähnen. Noch vor einem Jahr hatten diese Menschen ein anständiges Leben. Dann kam Russland und zerstörte es in seinem kranken imperialen Krieg.

So stellen ukrainische Beobachterinnen und Beobachter die Situation dar.

Während der russischen Belagerung zwischen Ende Feburar und Ende Mai wurde fast ganz Mariupol in Schutt und Asche gelegt. Dass Russland nun den Wiederaufbau vorantreibt, ist dank Satellitenbildern erwiesen, wie im Blogbeitrag vom 6. Dezember schon diskutiert wurde.

Allerdings sind auch viele der auf den sozialen Medien geteilten Fotos, die den Wiederaufbau der Stadt zeigen sollen, gefälscht. In Wahrheit zeigen sie Städte in Russland, wie folgendes Beispiel zeigt:

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Was passiert in Mariupol? Frieren die Menschen, sterben die Menschen, oder kümmert sich Russland ausreichend oder gar fürsorglich um sie?

Aufschluss geben kann ein im Oktober vom russischen Medium «The Village» geleakter Bauplan des russischen Bauministeriums für Mariupol. Der Plan schätzt die Bevölkerung von Mariupol für 2022 auf 212’000 Menschen – weniger als die Hälfte der Vorkriegsbevölkerung.

Velostreifen sind geplant: Screenshot einer Seite des Bauplanes der russischen Behörden für die besetzte Stadt Mariupol.

Ein Stadtplaner sagte anonym gegenüber «The Village»: «Der eigentliche Zweck des Dokuments ist nicht die langfristige strategische Entwicklung, sondern etwas ganz konkret Taktisches: die Spuren des Krieges im Zentrum schnell zu verwischen und zumindest einen kleinen Teil der Stadt als funktionierend und fröhlich darzustellen. Nicht für die Bewohner der Stadt, sondern für die Betrachter von aussen.»

Pedestrians walk past a damaged building in the Russian-occupied Azov Sea port city of Mariupol in southeastern Ukraine, on November 29, 2022. (Photo by STRINGER / AFP)

Auch das gekürzte Tagebuch eines russischen Ingenieurs, der nach Mariupol gesendet wurde, um bei den Bauarbeiten zu helfen, erlaubt Einblicke. Publiziert wurde es kürzlich auf dem unabhängigen russischen Nachrichtenportal Mediazona.

Der Russe beschreibt Mariupol – irgendwann diesen Herbst – als trist und zerstört:

«Die Stadt gleicht einer Ruine, fast alle mehrstöckigen Gebäude sind auf die eine oder andere Weise beschädigt, die Zäune sind von Granatsplittern zerfetzt, und die Häuser sind mit den Aufschriften ‹Menschen hier› und ‹Kinder› gekennzeichnet.» Auf einem weiteren Graffito steht «Tod und Horror».

Der Mann arbeitet auf einer Baustelle, sieben Tage die Woche, von Morgen bis Abend. Er beschreibt verschiedene Begegnungen mit Anwohnerinnen und Anwohnern. «Ich weiss nicht, wie viele Menschen noch übrig sind, aber ich hatte den Eindruck, dass es sich um eine parallele Realität handelt – hier ein zerstörtes Haus und Armeeangehörige mit Schrotflinten und dort drüben Kinder auf ihren Fahrrädern.»

Residents receive hot meals in the Russian-controlled Azov Sea port city of Mariupol in southeastern Ukraine on October 27, 2022. (Photo by STRINGER / AFP)

Ukrainischen Schätzungen nach sind 25’000 Menschen in Mariupol umgekommen, viele geflüchtet, und 100’000 Menschen leben noch in der Stadt.

Es herrscht eine Sperrstunde: 21 Uhr. Die russischen Arbeiter sind dazu angehalten, nicht durch hohes Gras zu laufen, besser nur auf Asphalt – wegen der Minen. Immer wieder hört er Kriegsgeräusche: Explosionen, Knalle. Er beobachtet den Himmel, wie Raketen aus verschiedenen Richtungen über Mariupol fliegen – und fürchtet um sein Leben.

Der russische Ingenieur fasst zusammen: «Wir sind hier nicht willkommen.»

epa10354089 Windows with lights on in a damaged building on the main street of Mariupol, Ukraine, 07 December 2022. Mariupol had seen a long battle for its control between the Ukrainian forces and the Russian army and Russian backed separatist Donetsk PeopleâÄ™s Republic (DPR) as well as a siege, the hostilities lasted from February to the end of May 2022 killing thousands of people and destroying most of the city in the process. A ccording to the DPR government which took control after May 2022, more than five thousand builders are currently working in Mariupol, they expect the city to be completely rebuilt in a three years time. EPA/SERGEI ILNITSKY

Auch das unabhängige russische Nachrichtenportal iStories konnte Anfang Dezember mit Einwohnerinnen und Einwohnern von Mariupol sprechen.

Andriy Zonder ist Hausmeister in einem Wohnblock. Er kämpft seit Monaten erfolglos dafür, dass die Schäden am Haus geflickt werden. «Es ist kalt im Haus. Die Leute werden krank, auch ich. Ich habe letzte Nacht nicht geschlafen, um 4 Uhr morgens windete es stark, und die Folien an den Fenstern rissen ab, dann waren es noch 3 Grad», sagte er. Wenigstens hätten sie nach sechs Monaten das erste Mal wieder Wasser, aber nur kaltes.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Eine Anwohnerin erzählt, dass keinerlei humanitäre Hilfe sie erreiche. Im Sommer gab es mal für eine kurze Zeit Brotlieferungen. «Der Brottransporter kam um 11 Uhr, und um 5 Uhr morgens standen die Leute bereits Schlange. Und wenn man wegen der Ausgangssperre erst um 6 Uhr morgens ankam, war man bereits die 600. Person in der Schlange, und sie brachten nur 300 Brote. Also hatten sie natürlich keins für dich.» Weil es dann zu «wilden» Szenen gekommen sei, hätten die Besatzer die Essenslieferungen wieder eingestellt.

Residents receive hot meals in the Russian-controlled Azov Sea port city of Mariupol in southeastern Ukraine on October 27, 2022. (Photo by STRINGER / AFP)

Die Frau aus Mariupol erklärt, dass es nicht mehr ganz so teuer sei zu flüchten wie während der Belagerung. Jedoch führten die Routen via Russland und seien gefährlich, zu gefährlich für die Grossmutter mit wunden Beinen und die Tochter im Schulalter.

Visitors sit in a bar in the Russian-occupied Azov Sea port city of Mariupol in southeastern Ukraine, on November 28, 2022. (Photo by STRINGER / AFP)

Eine andere Anwohnerin beschreibt, wie ein Auto durch die Stadt fährt und mit einem grossen Bildschirm russische Nachrichten verbreitet. Einige Ukrainerinnen und Ukrainer begännen der russischen Propaganda zu glauben – es sei ohne ein VPN-Programm, mit dem sich Internetsperren umgehen lassen, unmöglich, andere Quellen zu konsultieren.

Am 7. Dezember schrieb die US-amerikanische Organisation Institute for the Study of War, dass die russischen Streitkräfte sich in der Nähe von Mariupol niedergelassen hätten – wohl um eine Militär- und Logistikbasis hinter der Frontlinie aufzubauen. Dies habe auch zu einer erneuten Verschärfung von Sicherheitsmassnahmen in der Stadt geführt, wie zum Beispiel Patrouillen und Checkpoints.

Viele Menschen hätten zu trinken begonnen, sagt eine der Anwohnerinnen. Einerseits, weil Alkohol billiger sei als Lebensmittel. Zweitens, um die schweren Verluste und die Traumata der Belagerung und Besetzung wegzuschwemmen. Es könnten aber auch die Sorgen darüber sein, wie der Winter zu überleben ist.

Die Menschen in Mariupol sind es mittlerweile fast schon gewohnt, dass die Besatzungsbehörden ihnen neue Fenster oder Essen versprechen und dann nichts passiert. Auch kein ausgeklügelter Bauplan aus Moskau täuscht darüber hinweg, dass nach Monaten unter den Russen in Mariupol der Horror zum Alltag geworden ist.

Russland kann trotz monatelanger Sanktionen weiterhin Marschflugkörper herstellen

Von Nora Seebach

Am 23. November fielen wieder Bomben auf Kiew. Getroffen haben sie die zivile Infrastruktur, die Wasserversorgung wurde unterbrochen, und der Strom fiel aus.

Am gleichen Tag starb in der Nähe von Saporischschja ein neugeborenes Baby durch einen russischen Luftangriff auf einer Entbindungsstation.

Und immer noch scheinen die Angriffe nicht abzureissen.

Der Iran liefert kontinuierlich Drohnen an Russland. Und als der Sekretär des russischen Sicherheitsrates im November Teheran besuchte, standen auch iranische Marschflugkörper hoch oben auf der Einkaufsliste, wie der «Guardian» berichtet. Wegen des diplomatischen Drucks habe der Iran jedoch noch keine solchen Waffen an Russland verkauft.

This aerial picture taken on December 7, 2022 shows an expert of the prosecutor's office examining collected remnants of shells and missiles used by the Russian army to attack the second largest Ukrainian city of Kharkiv, amid the Russian invasion of Ukraine. (Photo by Aleksey FILIPPOV / AFP)

Ein Marschflugkörper (Cruise-Missile) ist ein unbemannter militärischer Lenkflugkörper, der mit einer Gefechtsladung ausgerüstet ist. Einmal gestartet, steuert er sich selbst ins Ziel.

Russland wird vom Westen strikt sanktioniert. Deshalb stellt sich die Frage, wie viele Marschflugkörper Russland noch auf Lager hat und wo diese herkommen. Die Zahlen variieren je nach Quelle (zum Beispiel Tweet unten) massiv. Expertinnen und Experten haben nun Erstaunliches entdeckt.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Ein paar Tage vor dem heftigen Angriff am 23. November war ein Expertenteam des Conflict Armament Research (CAR) in Kiew angekommen – auf Einladung des ukrainischen Geheimdienstes. Die unabhängige britische Gruppe ist darauf spezialisiert, Waffen und Munition in Kriegen zu identifizieren. Auch die Schweiz unterstützt die Organisation mit Fördergeldern.

Zwei Tage nach den erwähnten Angriffen im November führte das Team eine Untersuchung an Waffentrümmern durch und entdeckte Hinweise, die darauf hindeuten, dass ein Marschflugkörper im Sommer und ein anderer erst im Herbst dieses Jahres in Russland hergestellt wurde.

Es handelt sich dabei um russische Kh-101-Marschflugkörper. Diese haben eine Reichweite von 2500 bis 5500 km, je nach Quelle. Das ist weiter als Zürich–Moskau, viel sogar.

In vergangenen Untersuchungen hat das CAR festgestellt, dass Kh-101-Marschflugkörper Teilchen und Technologien von Unternehmen in den USA und Westeuropa brauchen, um angefertigt zu werden.

Die Funde in Kiew zeigen, dass Russland trotzdem noch in der Lage ist, solche Marschflugkörper selber herzustellen. Das CAR gibt drei mögliche Erklärungen dafür:

  1. Die Sanktionen gegen Russlands indirekte Lieferketten sind unwirksam.

  2. Putin hat vor der Invasion genügend Komponenten auf Vorrat anschaffen lassen (zum Beispiel die sanktionierten Mikrochips).

  3. Russland hat inzwischen alternative Beschaffungswege organisiert.

Schon im April zirkulierten Spekulationen, dass Russland langsam die Marschflugkörper ausgehen könnten. Oft setzen Kriegsparteien zuerst älterere Waffen ein, die sie auf Vorrat haben, bevor sie die neueren einsetzen oder gar herstellen.

Auch wenn die genaue Anzahl Waffen im Arsenal Russlands unklar bleibt, könnten diese neuen Befunde durchaus darauf hindeuten, dass der Bestand älterer Marschflugkörper schwindet.

Die Antwort steckt in den Nummern

Aber wie geht das CAR vor? Die Teams des CAR inspizieren Waffen, indem sie alle Gegenstände fotografisch dokumentieren, datieren und die Fundorte geolokalisieren. Manchmal führen sie auch Interviews mit den Streitkräften, in deren Besitz die Waffen sind.

Auf ihrer Spurensuche in Kiew entdeckten die Expertinnen und Experten eine winzige Nummer auf dem Blech untersuchter Fragmente. Es ist ein 13-stelliger Produktionscode. Die Nummern an den Stellen sieben und acht geben Aufschluss über das Jahr und das Quartal des Jahres, in dem die Waffe hergestellt worden ist.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Andere Zahlen stehen zum Beispiel für die Anzahl gefertigter Marschflugkörper und geben Auskunft darüber, um den wievielten Marschflugkörper innerhalb der Charge es sich handelt. Im Prinzip sind die Marschflugkörper beschriftet wie die limitierte Edition eines Fotodrucks: zum Beispiel «Nummer 2 von 100».

«Die ersten drei Ziffern sind immer ‹315› – das ist der Code der Produktionsstätte», sagte ein polnischer Journalist gegenüber der «New York Times». Und dass diese Raketen von der Firma Raduga in Dubna entwickelt und hergestellt würden – etwa ähnlich weit von Moskau entfernt wie das diese Woche von ukrainischen Drohnen angegriffene Djagilewo-Flugfeld.

Neue Satellitenbilder: Russland baut im besetzten Mariupol

Von Nora Seebach

«Für die Menschen von Mariupol» steht auf dem Hufeisen-förmigen Gebäude. Es befindet sich in der Nähe des Zentrums der Stadt, die sich unter russischer Besatzung befindet.

This combination of satellite images provided by Maxar Technologies shows a site before the construction of new Russian military facility in Mariupol, Ukraine, on March 29, 2022, top, and on Nov. 30, 2022. (Maxar Technologies via AP)

Das britische Nachrichtenportal BBC und die Fotoagentur Keystone nennen das Gebäude ein Militärlager. Russische Beobachter sprechen von einem im September eröffneten Spital. Davon gibt es sogar ein russisches Werbevideo:

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Ob «für die Menschen von Mariupol» ein Spital oder ein Militärkomplex errichtet wurde, konnte nicht unabhängig verifiziert werden.

Lesen können wir den Schriftzug dank Maxar, einer auf Erdbeobachtung spezialisierten Firma, die ihre Satellitenbilder über ihr eigenes «News Bureau» verkauft.

Die Maxar-Aufnahmen waren schon vor der Invasion wichtige Quellen. Sie zeigten zum Beispiel, wie sich Putins Kriegsmaschinerie formierte. Und im März erlaubten die Satellitenbilder von Maxar, das Ausmass der Zerstörung von Mariupol zu begreifen. Nun können wir auf den Bildern die Bauprojekte der Besatzungsmacht nachverfolgen.

Ab dem 24. Februar wurde die Stadt Mariupol von den russischen Streitkräften belagert. In den folgenden drei Monaten zerstörten die Russen einen grossen Teil der zivilen Infrastruktur – bis die letzten ukrainischen Verteidiger im Asow-Stahlwerk den Widerstand aufgaben. Je nach Quelle wurden 49 bis 90 Prozent der Stadt in Schutt und Asche gelegt. Inzwischen hat Russland begonnen, das Trümmerfeld wieder aufzubauen. Gebäude, die so beschädigt sind, dass sie nicht repariert werden können, werden abgerissen.

Der Stadtrat von Mariupol sieht darin Spurenverwischung: «Auf diese Weise vernichten die Russen die Spuren ihrer Verbrechen. Und mit ihnen unsere Wohnungen, Erinnerungen, unser vergangenes Leben…»

This combination of satellite images provided by Maxar Technologies shows damaged apartments on Bakhchyvandzhy Street in Mariupol, Ukraine, on March 29, 2022, top, and demolition of them underway on Nov. 30, 2022. (Maxar Technologies via AP)

Die Zahl der Todesopfer von Mariupol variiert je nach Quelle. Die Ukraine beziffert sie auf 25’000 und fügt hinzu, dass etwa 5000 bis 7000 Zivilisten und Zivilistinnen unter ihren Häusern begraben worden seien. Die UNO hat 1348 Opfer bestätigt, vermutet jedoch eine viel höhere Dunkelziffer.

Ein weiterer Vorher-nachher-Vergleich von Satellitenbildern zeigt, dass der lokale Starokyrmske-Friedhof zwischen März und November beträchtlich erweitert wurde – um geschätzte 1500 Gräber laut einer BBC-Analyse.

This combination of satellite images provided by Maxar Technologies shows the Starokyrmske Cemetery in Mariupol, Ukraine, on March 29, 2022, top, and additional graves seen on Nov. 30, 2022. (Maxar Technologies via AP)

Ein weiteres Bauprojekt betrifft das Theater von Mariupol, das nach einem Raketenangriff Mitte März tragische Berühmtheit erlangte. Hunderte Menschen, die sich dort versteckten, sollen umgekommen sein. Nun erkennen wir auf den Bildern eine grosse Leinwand, rund um die Ruinen des Theaters herum, die jegliche Sicht darauf zu versperren scheint.

This combination of satellite images provided by Maxar Technologies shows the destroyed Mariupol, Ukraine Theater on March 29, 2022, top, and a screen built around it seen on Nov. 30, 2022. (Maxar Technologies via AP)

Das russische Verteidigungsministerium teilte damals mit, der Vorwurf, dass sie das Theater bombardiert hätten, sei eine Lüge. Russische Streitkräfte würden nämlich keine Städte bombardieren.

Amnesty International hat die Bombardierung des Theaters als Kriegsverbrechen eingestuft, und die ukrainische Organisation «Center for Spatial Technologies» ermittelt gerade, was genau an diesem Märztag geschah.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Eine Rückeroberung der Stadt könnte sich für die Ukraine als schwierig erweisen. «Ein ukrainischer Durchbruch bei Mariupol wäre der strategische Super-GAU für die russische Armee», sagte Sarah Pagung, Expertin für russische Sicherheitspolitik, Anfang Monat im Interview.

Die Landbrücke zur Krim führt durch Mariupol, deshalb wird Russland die Stadt höchstwahrscheinlich nicht aufgeben. Laut Berichten des britischen Verteidigungsministeriums stellt Russland zurzeit in Fabriken in Mariupol «Drachenzähne» her – das sind Betonblöcke, die zur Verteidigung von Strassen verwendet werden.

In den sozialen Medien macht derweil ein Video die Runde, das den Bildern der Zerstörung ein Video von Mariupol vor genau einem Jahr gegenüberstellt. Eine Stadt voller Weihnachtszauber und Optimismus. Auf einem Lichterbogen prangt strahlend die damals bevorstehende Jahreszahl 2022.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Wie der junge KGB-Offizier Wladimir Putin Künstler jagte

Von Nora Seebach

«Ihr könnt die Freiheit kreuzigen, aber die menschliche Seele kennt keine Fesseln!» Mit diesem Slogan befasste sich seinerzeit der junge KGB-Offizier Wladimir Putin.

Das Jahr war 1976, Putin war 23 Jahre alt. In St. Petersburg hatte jemand diesen Satz an die Wand der Peter-und-Paul-Festung gemalt – oder geschmiert. Die Festung ist ein ehemaliges Gefängnis.

Nun hat ein russischer Historiker im Archiv ein Dokument gefunden. Dabei handelt es sich um einen Einsatzbericht der Hausdurchsuchung eines verdächtigen Künstlers. Putins Name ist darin vermerkt.

Der junge Putin war also Teil der Ermittlung, die aufdeckte, wer diese aufständischen Schmierereien – einer der ersten Fälle öffentlicher Protestkunst in der Sowjetunion – zu verantworten hatte. So berichtet es das unabhängige russische Medienportal «Medusa».

Der Historiker Konstantin Scholmow entdeckte diesen Hausdurchsuchungsbericht im Archiv in St. Petersburg: Putins Name ist rot unterstrichen.

Die zwei Künstler Juli Rybakow und Oleg Wolkow hatten am frühen Morgen des 3. August 1976 mit weisser Farbe den über 40 Meter langen Schriftzug an die Wand gemalt. Verschiedene Beobachter vermuten, dass es sich dabei um eine Referenz auf ein Gedicht des russischen Nationaldichters Alexander Puschkin handelt.

Sofort versuchten KGB-Offiziere, die Inschrift zu verdecken. Dabei stellten sie sich laut Berichten eher unbeholfen an: In ihrer Hast fiel ihnen nichts anderes ein, als sich aus einer nahe gelegenen Werkstatt Sargdeckel auszuleihen, die sie vor die Buchstaben an die Mauer stellten. Doch zuerst mussten sie die Wand erreichen, was wegen des hohen Wasserstandes des Flusses nur mit Gummibooten möglich war.

Auf diesem Foto, das der Historiker auf Facebook postete, sieht man, wie die KGB-Leute mit Sargdeckeln die Protestworte unleserlich machen.

Einen Monat nach der Tat durchsuchte Putin mit anderen KGB-Leuten die Wohnung von Oleg Wolkow. Ein paar Tage später wurden beide Künstler verhaftet. Sie waren keine Unbekannten und hatten schon mit mehreren Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Einmal waren sie in ein Tramdepot eingebrochen und hatten auf die Trams «Freiheit für alle politischen Gefangenen!» geschrieben.

Zunächst wurden die Künstler wegen antisowjetischer Agitation und Propaganda angeklagt, dann wurden die Vorwürfe abgemildert. Die finale Anklage: böswilliger Hooliganismus und Beschädigung von Staatseigentum und historischen und architektonischen Denkmälern. Hooliganismus ist ein Delikt, mit dem die Sowjetunion und heute auch Russland alles belegen, was ihnen nicht in den Kram passt. Dass die KGB-Offiziere viel mehr besorgt um die politische Botschaft als um die Beschädigung der Wand waren, zeigt die Sarg-Aktion.

Wolkow wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Rybakow erhielt sechs Jahre.

Foto aus Juli Rybakows KGB-Dossier.

Nach seiner Freilassung führte Rybakow seinen künstlerischen Aktivismus fort. Er begann jedoch auch, sich auf staatlicher Ebene politisch zu engagieren und wurde zu einem bekannten Mitglied der Staatsduma in den 90er-Jahren und zum offenen Gegner Putins.

Dass der russische Präsident Putin als 23-jähriger KGB-Mann die Bleibe eines jungen Künstlers wegen eines Graffito durchwühlte, ist bemerkenswert. Vor allem, da Putin seine Zeit als Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes hauptsächlich als glamourösere Auslandseinsätze darstellt – zum Beispiel in Dresden zwischen 1985 und der Wende.

Es dürfte heute deshalb den Putin-Gegner Rybakow erstaunt haben, zu erfahren, dass Putin bei seiner Verhaftung, damals in den 70er-Jahren, mitgewirkt hat.

Putins Stasi-Ausweis.

Die Menschen haben genug von Putins Krieg in der Ukraine

Von Zita Affentranger

Wie steht das russische Volk zu Präsident Wladimir Putins Krieg in der Ukraine? Das ist seit der russischen Invasion am 24. Februar eine intensiv diskutierte Frage, die lange ohne klare Antwort blieb, weil die Meinungsinstitute nicht offen nach dem Krieg fragen durften.

Doch nun hat das unabhängige Onlineportal Medusa eine Geheimumfrage des Kremls öffentlich gemacht, gemäss der nur noch ein Viertel der Russinnen und Russen den Krieg in der Ukraine weiterführen will. Über 50 Prozent sprechen sich hingegen für die Aufnahme von Friedensgesprächen mit Kiew aus.

Das bedeutet gemäss der geleakten Daten, die Medusa bereits mehrmals von hohen Kreml-Beamten zugespielt wurden, einen massiven Stimmungsumschwung: Noch im Juli sprachen sich gemäss den Angaben 57 Prozent der Befragten für eine Weiterführung des Kriegs aus und nur 32 Prozent für Friedensgespräche.

Auch Putins Rating ist gesunken

Der Meinungsumschwung wurde wohl durch die Niederlagen gegen die ukrainische Armee auf dem Schlachtfeld, aber vor allem durch die unpopuläre Teilmobilmachung ausgelöst, die Putin am 21. September verkündet hatte. Bis dahin hatte der Krieg für viele Russinnen und Russen weit entfernt von ihrem Alltag stattgefunden.

Die Einberufung von 300’000 Soldaten, die der Kreml wegen ihrer Sprengkraft lange hinausgezögert hatte, wühlte die russische Gesellschaft auf. Es gab Proteste, Zehntausende vor allem junge Männer verliessen das Land fluchtartig.

Der neue Trend lässt sich auch an Putins Rating ablesen, welches das renommierte Lewada-Institut in Moskau jeden Monat erhebt. Die Zustimmung für den Präsidenten ist im September von 83 auf 77 Prozent deutlich gefallen.

Der Einmarsch in die Ukraine hatte Putins Zustimmungsrate im März um rund 20 Prozent hochschnellen lassen – noch 2021 hatte er sich in einem Stimmungstief befunden.

Kein erneuter Krim-Effekt

Westliche Politiker mögen von Ratings um die 60 Prozent träumen, in der Welt des Wladimir Putin ist das extrem tief. Auch vor der Annexion der ukrainischen Krim 2014 hatte Putin tiefe Werte. Damals stieg das Rating auf fast 90 Prozent und blieb mehrere Jahre lang auf hohem Niveau, weil die Annexion der Krim in Russland populär war und Putin Zustimmung bis weit ins Oppositionslager eintrug.

Ein solcher Krim-Effekt liess sich nach dem Einmarsch in die Ukraine nie ablesen. Der hohe Wert von 83 Prozent hielt zwar bis zum August an, doch dann begann der Sinkflug.

Obwohl die Umfragen nun klarer blicken lassen, bleibt es schwierig, die Haltung der russischen Bevölkerung zum Krieg im Detail zu eruieren. Denn die Soziologen dürfen nicht nach dem Krieg fragen, weil der Kreml dank einem neuen Gesetz jeden vor Gericht stellen kann, der das Wort «Krieg» verwendet.

Das Lewada-Zentrum fragt stattdessen danach, ob die Menschen die russische Armee, die in der Bevölkerung zumindest bis zum Krieg grosses Vertrauen genoss, unterstützen. Dieser Wert bleibt hoch und liegt zwischen 75 und 80 Prozent.

Auf die Einstellung zum Krieg lässt sich daraus jedoch nicht direkt schliessen. Deshalb fragen die Soziologen auch: «Beunruhigt Sie die Lage in der Ukraine?» Hier lässt sich wieder ein eindeutiger Trend beobachten: Die Zahl jener, die mit Ja antworten, ist seit der Teilmobilmachung deutlich um 14 Prozent gestiegen. Nur ein Viertel der Russinnen und Russen unterstützt die Teilmobilisierung ohne Einschränkungen. Bei den jungen Leuten im Alter von 18 bis 24 Jahren sind es sogar nur 11 Prozent. Eine Mehrheit der Befragten befürchtet, dass es eine Generalmobilmachung geben wird im Land.

Russinnen und Russen sind weniger gleichgültig

Beobachter betonten nach Kriegsbeginn, dass der grösste Teil der Russen den Einmarsch weder gut noch schlecht fänden, sondern dass ihnen der Krieg egal sei. «30 Prozent sind blutrünstige Putin-Leute, die Ukrainer töten wollen», sagt dazu der Kreml-Kritiker Garri Kasparow im Interview. 10 Prozent lehnten den Krieg aus moralischen Gründen ab, und 60 Prozent wollten sich aus der Debatte heraushalten und keine Stellung beziehen.

Doch die Teilmobilmachung und die Misserfolge der Armee haben diese gleichgültige Mehrheit offenbar aufgerüttelt, wie die Grafik zum russischen Wohlbefinden belegt. Die Anzahl jener, die sich sehr gut und normal fühlen, ist seit dem Machtantritt Putins 1999 stetig gestiegen und dann bei deutlich über 70 Prozent stabil geblieben.

Doch nach der Mobilmachung im September ist die Stimmung im Land regelrecht gekippt: Nur noch 52 Prozent geben an, die Stimmung sei positiv. 47 Prozent sagen, sie fühlten sich gestresst, gereizt, ängstlich und traurig.

Experten betonen, dass die Umfragen vor allem die Angst der Russinnen und Russen spiegeln, selbst Opfer für den Krieg bringen zu müssen. Ein Wille, den Kreml zum Frieden in der Ukraine zu zwingen, lasse sich daraus nicht ableiten. Zudem scheint Kiew derzeit nicht gewillt, sich nach den Kriegsgewinnen der Armee auf Gespräche mit Russland einzulassen, das bisher faktisch auf eine Kapitulation Kiews pocht.

Innenpolitisch werden die Umfragen Putin jedoch Kopfzerbrechen bereiten. Zwar geht er brutal gegen alle vor, die sich ihm entgegenstellen, und er hat die russische Opposition die letzten Jahre und Monate praktisch vernichtet. Doch die Umfrageergebnisse deuten nun darauf hin, dass der ungeschriebene Gesellschaftsvertrag zwischen Putin und seinem Volk zerbrochen ist: Die grosse Mehrheit seiner Bürgerinnen und Bürger hatte sich bis zur Mobilmachungen darauf verlassen, dass der Kreml für Stabilität sorgt und sie in Ruhe lässt, wenn sie sich aus Protesten und der Politik heraushalten.

Das gilt nicht mehr, seit Putin 300’000 Russen eingezogen hat. Viele in Russland halten Putin nun ganz offensichtlich nicht mehr länger für den Garanten ihrer Zukunft.

Wie ein russischer Spion den Strafgerichtshof infiltrieren wollte

Von Nora Seebach

Der russische Geheimagent hatte sich als Brasilianer ausgegeben und an renommierten Universitäten in Irland und den USA Politologie studiert: Sergei Wladimirowitsch Tscherkassow.

Die Geschichte liest sich wie ein Spionageroman: Im April 2022 landete ein Mann mit einem brasilianischen Pass in den Niederlanden. Victor Muller Ferreira, 33 Jahre alt, steht dort drin. Doch die niederländischen Behörden verweigerten ihm die Einreise und setzten ihn auf den nächsten Flug zurück nach Brasilien.

Der Grund: Victor ist in Wahrheit Sergei Wladimirowitsch Tscherkassow, 37 Jahre alt, und ein Spion Russlands. Er hatte versucht, sich Zugang zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu verschaffen – als Praktikant. Dort laufen derzeit Ermittlungen gegen Russland wegen Kriegsverbrechen.

So schrieb es der niederländische Geheimdienst im Juni in einer Pressemitteilung und publizierte dazu ein mehrseitiges Dokument, in dem der Agent im Jahr 2010 seine Fake-Biografie zusammengefasst haben soll.

Laut Geheimdienst handelt es sich wahrscheinlich um eine Gedächtnisstütze – mit möglichst vielen Details, um die Geschichte glaubwürdiger zu machen, inklusive einer Mutter, die Schmetterlinge sammelte, einer Schwärmerei für die Geografielehrerin und einer Vorliebe für Trance-Musik.

 Ausschnitt des Dokuments, das vom niederländischen Geheimdienst veröffentlicht wurde.

Der Russe hat den Bachelor in Politikwissenschaften am renommierten Trinity College in Dublin und den Master im Jahr 2020 an der Johns Hopkins University’s School of Advanced International Studies (SAIS) erworben.

Sein Professor am SAIS postete auf Twitter, er habe dem Agenten sogar ein Empfehlungsschreiben für den Strafgerichtshof geschrieben: «Ich bin wütend, ich fühle mich dumm, ich fühle mich naiv, ich fühle mich müde. Ich wurde reingelegt.»

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Der Spion zeigte sich am Trinity College in Dublin als ehrgeiziger Student, der nebenbei einen Blog über Geopolitik führte – wo er klar prowestliche Ansichten vertrat und Putin mit der Krankheit Krebs verglich. Der Blog wurde gelöscht wie auch sein Twitter-Account. Einzig sein Facebook-Account ist noch aufrufbar, auf dem er sich bei der Abschlussfeier und mit seinen Motorrädern präsentiert.

Bei dem Russen handelt es sich offenbar um einen sogenannten «Illegalen»: einen Spion, der über Jahre eine Identität aufbaut und verdeckt arbeitet.

Sergei präsentiert sich als Victor auf dem Motorrad.

Bellingcat hat auch über seine wahre Identität einiges in Erfahrung bringen können: Sergei Tscherkassow stammt aus Kaliningrad, einer russischen Exklave zwischen Polen und Litauen. Schon im Alter von 20 Jahren reiste der Mann vermehrt nach Moskau. Auf einem russischen Telegram-Kanal steht, er habe eine militärische Ausbildung in Russland genossen. Dies konnte jedoch noch nicht verifiziert werden.

Nachdem Tscherkassow aus den Niederlanden wieder nach São Paulo fliegen musste, wurde er verhaftet. Mittlerweile wurde er wegen betrügerischer Erlangung und Missbrauchs brasilianischer Identitätsdokumente zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Doch dort will Russland ihn nicht bleiben lassen. Im Juli forderten russische Behörden die Auslieferung des Spions. Sie gaben sogar zu, dass er Sergei und nicht Victor heisse. Doch behaupten sie, er sei kein Agent, sondern vielmehr der ehemalige Anführer eines Heroinschmuggelrings.

Laut Berichten bestätigt Tscherkassow diese Geschichte und will ausgeliefert werden – obwohl ihm für Drogenschmuggel in Russland eine längere Strafe als die 15 Jahre droht.

Gegenüber mehreren Medien erzählten seine ehemaligen Mitstudierenden, dass er eher zurückhaltend war: Sergei Tscherkassow bei der Bachelor-Abschlusszeremonie am Trinity College 2018.

Eine neue Recherche von Bellingcat und The Insider belegt, dass die Version Russlands nicht stimmen kann. Die Ermittlerinnen und Ermittler glichen die offiziell von Russland eingereichten Dokumente mit Informationen vom russischen Datenschwarzmarkt ab.

Erstens zeigen Reisedaten, dass Tscherkassow zur Zeit der mutmasslichen Drogengeschäfte gar nicht in Russland war. Zweitens deuten Ungereimtheiten in der Anklageschrift auf Pfuscherei hin. Drittens sind in einer Pressemitteilung zum Fall im Jahr 2015 die anderen Mitglieder des Drogenrings aufgelistet, aber er nicht. Viertens reiste er zu der Zeit, in der nach ihm gefahndet wurde, mit seinem richtigen Namen immer wieder nach und durch Russland. Fünftens erschien der erste Eintrag ins russische Strafregister erst nach seiner Verhaftung in São Paulo.

Die Schlussfolgerung: Tscherkassows Name wurde zu einem existierenden Straffall nachträglich hinzugefügt.

Ob die brasilianischen Behörden den Spion Tscherkassow nach den offensichtlich falschen Angaben aus Moskau ausreisen lassen, darf also bezweifelt werden.

Für Trinkwasser kochen sie Schnee ab

Von Nora Seebach (Text) und Rebecca Pfisterer (Bildredaktion)

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Auf russischen Telegram-Kanälen wird hämisch ein bearbeitetes Bild gepostet, das zeigen soll, wie die Ukraine komplett im Dunkeln liegt – ohne Licht, ohne Strom, und deshalb auch ohne Heizung. Doch dieses Propagandabild hat in der Tat einen wahren Kern.

Eine Seniorin in Kiew kocht ihr Abendessen auf einem Gaskocher, daneben eine batteriebetriebene Lampe. Sie wärmt sich mit einer Decke.

Am Mittwoch wurde die Ukraine wieder von schweren Luftangriffen getroffen – etwa 70 Raketen sowie Drohnen wurden auf die Ukraine abgefeuert. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe wurden 51 Raketen und 5 Drohnen abgefangen.

Kiew liegt am Mittwochabend im Dunkeln: Autos fahren an Wohnblocks vorbei, die nach einem russischen Raketenangriff ohne Strom sind.

Am Donnerstagmorgen verkündete der Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko, auf seinem Telegram-Kanal: «70 Prozent der Hauptstadt sind bisher ohne Elektrizität.». Am Freitag meldet er, dass noch die Hälfte der Haushalte ohne Strom sind.

Der 26-jährige Petro zündet nach einem Stromausfall in Lwiw einen alten Ofen an, um zu heizen. Die Öfen stammen noch aus der österreichisch-ungarischen Zeit und wurden jahrzehntelang nicht benutzt.

Seit Sergei Surowikin Anfang Oktober zum Hauptkommandeur der russischen Truppen in der Ukraine ernannt wurde, haben sich die Angriffe auf kritische Infrastruktur gravierend intensiviert.

Am Dienstag muss einem 13-jährigen Jungen in Cherson der Arm amputiert werden. Die russischen Angriffe in der kürzlich befreiten Stadt Cherson nehmen gerade zu und die Ärzte kämpfen mit wenig Wasser, Strom und fehlender Ausrüstung.

Am Donnerstag erklärte der russische Botschafter bei der UNO, Wassili Nebenzya, dass die Angriffe am Mittwoch als Reaktion auf westliche Waffenlieferungen zu verstehen seien. Und er doppelte nach: Russland werde die Raketenangriffe fortsetzen, bis Kiew eine «realistische Position» einnehme und an den Verhandlungstisch zurückkehre.

In Kiew ist letzte Woche der erste Schnee gefallen: Kinder bauen einen Schneemann.

Mit dem einbrechenden Winter wird es nicht nur immer dunkler, sondern auch kälter. «Das ist die russische Formel des Terrors», erklärte Präsident Wolodimir Selenski vor dem UNO-Sicherheitsrat per Video.

Senioren und Seniorinnen in Kiew erhalten Essen und Handschuhe gegen die Kälte.

Der Ausfall von Strom betrifft auch die Wasserversorgung und Heizungen – und die Temperatur in der Ukraine liegt an vielen Orten um den Gefrierpunkt. «Die Wohnung ist noch warm von den letzten paar Tagen, wir werden sehen, wie lange es anhält. Doch wir haben Decken und Schlafsäcke», schreibt ein Berater Selenskis aus Kiew via Twitter.

Auch in diesem Keller am Rande von Kiew wärmen sich die Leute mit Decken und Schlafsäcken. Ganz in der Nähe hat der britische Künstler Banksy eines seiner Kunstwerke an die Wand gesprüht.

Einige finden auch kreative Lösungen und kochen den Schnee und das Eis ihrer Balkone ab, um Trinkwasser daraus zu machen.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

In den sozialen Medien weist ein Ukrainer darauf hin, dass Russland gut reden hat mit den hämischen Posts über Stromausfälle in der Ukraine, während im eigenen Land sogar Spitäler, nicht weit von Moskau entfernt, regulär mit Holz heizen:

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Putin rekrutiert afghanische Elitetruppen – trainiert wurden sie von der Nato

Von Nora Seebach

Während Russland in der Ukraine immer mehr an Boden verliert, sucht Putin ausgerechnet Verstärkung bei Soldaten, die von der Nato ausgebildet wurden.

Wie die Associated Press (AP) und «Foreign Policy» berichten, sollen ehemalige afghanische Elitesoldaten nun für den Krieg in der Ukraine rekrutiert werden.

Die afghanischen Spezialkommandos waren vom US-Militär (im Rahmen der Nato Training Mission) während des Krieges in Afghanistan rekrutiert, ausgebildet und bezahlt worden. Dies hat die USA knapp 90 Milliarden US-Dollar gekostet.

Im November 2020 trainieren Soldaten der «Afghan National Army» in Herat, Afghanistan.

Dabei handelt es sich um 20’000 bis 30’000 hoch ausgebildete Kämpfer – ein ehemaliger US-Soldat sagt gegenüber der AP: «Ich möchte sie, ehrlich gesagt, auf keinem Schlachtfeld sehen, aber ganz sicher nicht im Kampf gegen die Ukrainer.»

Wie viele von den Soldaten via Signal und Whatsapp angefragt worden sind und wie viele bereit sind, für Russland zu kämpfen, ist bis jetzt noch unklar und schwer zu bestätigen. Gegenüber der AP sagt ein Soldat, er sei mit mindestens 400 anderen in Kontakt, die den Einsatz für Russland in Erwägung zögen.

Hinter den Rekrutierungsbemühungen soll laut verschiedenen Quellen die Wagner-Truppe stecken. Unplausibel ist dies nicht, da schon zu Beginn des Krieges Berichte auftauchten, nach denen die Wagner-Söldnertruppe Syrern 3000 US-Dollar für einen Kampfeinsatz in der Ukraine versprochen haben soll. Die Söldnertruppe von Jewgeni Prigoschin bestreitet diese Darstellungen.

FILE - New Afghan Army special forces members attend their graduation ceremony after a three-month training program at the Kabul Military Training Center (KMTC) in Kabul, Afghanistan, Saturday, July 17, 2021. Afghan special forces soldiers who fought alongside American troops and then fled to Iran after the chaotic U.S. withdrawal last year are now being recruited by the Russian military to fight in Ukraine, three former Afghan generals told The Associated Press.

Bezahlung für sechs Monate Training: 1500 bis 3000 Dollar pro Monat. Für den Kampfeinsatz: 7000 Dollar. Laut einer Quelle der AP, die sich für einen Einsatz entschieden hat, gehen die Soldaten während zweier Monate ins Training und dann direkt an die Front in der Ukraine.

Doch der springende Punkt: Ihnen soll die russische Staatsbürgerschaft angeboten worden sein, und als Bonus gelte dies auch für ihre engsten Familienmitglieder, wie ein afghanischer Fernsehsender berichtet. Dies ist besonders verlockend, da viele der Soldaten sich seit der Machtübernahme der Taliban letztes Jahr entweder verstecken oder ins Ausland geflüchtet sind.

Taliban fighters collect military clothes near damaged Afghan military aircraft after the Taliban's takeover inside the Hamid Karzai International Airport in Kabul, Afghanistan, Sunday, Sept. 5, 2021.

Die Geflüchteten fürchten eine Deportation zurück nach Afghanistan, wo ihnen Hinrichtung oder Verschleppung droht, wie ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch schon im November 2021 belegte. Zu einem ihrer Kommandanten, der mit der AP sprach, sagten die Soldaten verzweifelt: «Nennen Sie mir eine Lösung! Was sollen wir tun? Wenn wir nach Afghanistan zurückgehen, werden uns die Taliban töten.»

Da die Soldaten nicht offiziell für den amerikanischen Staat gearbeitet hatten, wurden sie auch nicht beim US-Rückzug aus Afghanistan evakuiert. US-Soldaten, an deren Seite diese Männer gekämpft hatten, warnten aber schon vor Monaten, dass diese Kämpfer in eine ausweglose Situation gedrängt werden könnten und für Rekrutierer leichte Beute seien, wie die AP berichtet.

U.S. Marine Sgt. Terry L. Hall from Palm Bay, Fla., of the 7-5 "Sheepdogs" embedded training team, teaches the correct shooting positions to an Afghan National Army soldier at Forward Operations Base Blessing on the Pech Valley, Kunar Province, Afghanistan, Saturday, Dec. 19, 2009. (AP Photo/Dario Lopez-Mills)

Laut einer Quelle von «Foreign Policy» zählen die Rekrutierer aus Russland darauf, dass sich die afghanischen Soldaten gegenseitig weiter rekrutieren. Ein Soldat könne «die Hälfte seiner alten Einheit dazu bringen, sich anzuschliessen, weil sie wie Brüder sind».

Der afghanische General Abdul Raouf Arghandiwal sagte gegenüber dem Onlineportal «Radio Free Europe / Radio Liberty», dass die iranischen Behörden – die ursprünglich die Soldaten aus Afghanistan grosszügig aufgenommen hatten – nun afghanischen Spezialkräften ein Ultimatum stellen würden: entweder nach Afghanistan zurückkehren oder für Russland in der Ukraine kämpfen. Diese Aussage konnte jedoch nicht überprüft werden.

Aber auch eine Quelle von «Foreign Policy» bestätigt die Vermittlerrolle des Iran: Manche Rekruten würden von Afghanistan über den Iran nach Russland geflogen.

Verschiedene Beobachter meinen, dass die afghanischen Söldner im Ukraine-Krieg kriegsentscheidend sein könnten. Bis jetzt – mit dem kürzlich eingetretenen Verlust Chersons und dem Rückzug der russischen Truppen im südlichen Teil der Front – hat man davon aber noch nichts mitbekommen.

Kremlnahe Fake-Anrufer legen Polens Präsidenten Duda rein

Von SDA

Nach dem Einschlag einer Rakete in Polens Grenzgebiet zur Ukraine ist Präsident Andrzei Duda in einem Telefonat von russischen Komikern hereingelegt worden. Das Duo gaukelte Duda in dem auf der Plattform Rutube veröffentlichten Gespräch vor, er spreche mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Das Telefonat habe sich im «Verlauf mehrerer Telefonverbindungen mit Staats- und Regierungschefs» nach der Explosion der Rakete ereignet, teilte die Präsidialverwaltung am Dienstag auf Twitter mit. Im Verlauf des Anrufs habe Duda aufgrund der ungewöhnlichen Gesprächsführung erkannt, dass es sich um einen Täuschungsversuch handeln könnte, und das Gespräch beendet.

«Es war eine russische Rakete»

Hinter der Aktion stecken die Komiker Vovan (Wladimir Kusnezow) und Lexus (Alexei Stoljarow). In dem siebenminütigen Gespräch berichtet Duda dem vermeintlichen Macron von dem Raketeneinschlag im Grenzgebiet zur Ukraine. «Es war ohne Zweifel eine Rakete. Wer sie abgefeuert hat, wissen wir nicht. Es war eine russische Rakete, also produziert von Russland», erklärt Duda in holprigem Englisch.

Dann wird es brisant: Duda berichtet weiter, er habe bereits mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gesprochen und angekündigt, dass Polen die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 4 des Nato-Vertrags beantragen könnte. Artikel 4 sieht Beratungen der Nato-Staaten vor, wenn einer von ihnen die Unversehrtheit seines Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sieht.

Für Gazprom-Internetplattform tätig

Duda erzählt dem Anrufer auch von seinem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden. «Und was sagt er? Beschuldigt er Russland?», will der Anrufer wissen. «Nein», antwortet Duda. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hingegen sei überzeugt, dass die Rakete von Russland abgefeuert wurde. «Ich glaube, wir brauchen keine Eskalation, keinen Krieg zwischen Russland und der Nato», sagt der vermeintliche Macron. «Emmanuel, ich brauche auch keinen Krieg mit Russland. Ich bin extra-vorsichtig», versichert Duda.

Vovan (Wladimir Kusnezow, l.) und Lexus (Alexei Stoljarow) am Eastern Economic Forum in Wladiwostok am 6. September 2022.

Das Duo «Vovan und Lexus» ist in Russland seit Jahren bekannt dafür, Politiker und andere internationale Promis mit Fake-Anrufen hereinzulegen. Anfang des Sommers liessen die Komiker mehrere Bürgermeister in EU-Hauptstädten glauben, mit Kiews Bürgermeister Witali Klitschko zu reden. Zu den Opfern des Telefonstreichs gehörte auch Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey. Vor geraumer Zeit räumten sie nach ARD-Angaben in einem «Kontraste»-Interview ein, für eine Internetplattform zu arbeiten, die dem russischen Staatskonzern Gazprom gehört.

Banksy bekennt sich per Video zu Werken in der Ukraine

Von Joshua Beer

Der britische Street-Art-Künstler Banksy hat auf Instagram ein Video gepostet, das eine Reihe von Graffiti-Werken in der Ukraine zeigt. Die Veröffentlichung auf seinem Instagram-Kanal bedeutet normalerweise, dass er seine Urheberschaft an diesen Werken bestätigt. Bislang hatte sich Banksy nur zu einem der Bilder bekannt. Seine Identität verschleiert er bis heute.

Die gezeigten Bilder wurden fast alle auf die Wände von zerbombten Gebäuden gesprüht, zum Teil sind sie schon vor Tagen entdeckt worden und kursierten in den sozialen Medien. Das nun veröffentlichte Video ist eine Art Making-of. Zunächst ist jemand beim Ausschneiden von Schablonen und beim Sprühen zu sehen, dann werden seine Bilder gezeigt.

Ein alter Mann, der in einer Häuserruine im Dorf Horenka in einer Badewanne sitzt und sich den Rücken schrubbt:

This photograph taken on November 16, 2022 shows a graffiti made by Banksy on the wall of a heavily damaged building in the Gorenka village, near Kyiv, amid the Russian invasion of Ukraine. (Photo by Genya SAVILOV / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY MENTION OF THE ARTIST UPON PUBLICATION - TO ILLUSTRATE THE EVENT AS SPECIFIED IN THE CAPTION

Eine Frau mit Lockenwickler, Gasmaske und Feuerlöscher an der Fassade eines ausgebrannten Hauses:

This photograph taken on November 16, 2022 shows a graffiti made by Banksy on the wall of a destroyed building in the town of Gostomel, near Kyiv, amid the Russian invasion of Ukraine. (Photo by Genya SAVILOV / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY MENTION OF THE ARTIST UPON PUBLICATION - TO ILLUSTRATE THE EVENT AS SPECIFIED IN THE CAPTION

Auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew wippen die Silhouetten zweier Kinder scheinbar auf einer Panzersperre.

Ein Motiv zeigt einen Militärlastwagen, dessen Geschütz wie ein in der Schultoilette hingeschmierter Penis aussieht. Auf dem Lkw prangt der Buchstabe Z, der zum russischen Symbol des Angriffskriegs geworden ist.

Am Ende des Videos ist ein glatzköpfiger Mann zu sehen, der sich den Raketenwerfer anschaut und sagt: «Dafür trete ich ihm alle Zähne aus und breche seine Beine.» Wer der Mann ist oder wer das Video gedreht hat, bleibt unklar.

Über das Ganze ist eine Version des ukrainischen Lieds «Chervona Ruta» gelegt. Zum Schluss schiebt sich ein Schriftzug ins Bild mit den Worten: «In Solidarität mit den Menschen der Ukraine».

Schon zuvor war Banksy in Krisengebieten unterwegs, unter anderem im Westjordanland. Auf Instagram versuchen einige User nun in ihren Kommentaren, den Künstler auf einen weiteren Konflikt hinzuweisen. Einer schreibt: «Hey Banksy. Hast du vom Iran gehört?!»

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Mehr Hintergrund zum Ukraine-Krieg? Ältere Beiträge finden Sie hier und hier.