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Kurswechsel beim Pharmakonzern
Krebs und Adipositas statt seltene Krankheiten: Roche beschränkt seine Forschung

Thomas Schinecker, CEO Roche Group, speaks during the 2023 full-year results media conference of pharmaceutical companie Roche in Basel, Switzerland, on Thursday, February 1, 2024. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
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In Kürze:
  • Roche fokussiert die Forschung auf fünf Therapiegebiete.
  • Dazu gehören Krebs, Herzkreislauf- und Stoffwechselkrankheiten sowie neurologische Erkrankungen. Sie werden die Hälfte aller Menschen betreffen.
  • Roche will sich auch auf den Kostendruck der Krankenkassen einstellen.
  • Die Gesundheitssysteme verlagern Therapien zunehmend aus Spitälern, um so Kosten zu sparen.

Der Pharmakonzern Roche ändert seinen Kurs: Er konzentriert sich in seiner Forschung und Entwicklung nur noch auf fünf Therapiegebiete. Entscheidend für die Auswahl ist die hohe Zahl der Erkrankten pro Therapiefeld.

Bis 2035 wird es sich bei der Hälfte der weltweiten Erkrankungen um Krebs, Herzkreislauf- und Stoffwechselprobleme sowie neurologische Krankheiten handeln. «Dort gibt es den grössten medizinischen Bedarf», sagt Roche-Chef Thomas Schinecker am Investorentag des Konzerns in London. Zudem forscht Roche an Immun- und Augenkrankheiten, die wegen der älter werdenden Bevölkerung zunehmen werden.

Die neue Strategie ist nicht nur auf die Krankheiten der Zukunft zugeschnitten, sondern auch auf Roches Börsenerfolg. Dieser ist nicht nur für Roche-Anlegerinnen und Anleger bedeutend. Die Firma ist das Schwergewicht im Schweizer Leitindex SMI, weshalb ihre Börsenschwäche auch die Rendite von Pensionskassen schmälert.

Für Bewegung an der Börse sorgte jüngst Roches Einstieg in die Forschung an Fettleibigkeitstherapien. Der gesamte Markt wird bis 2030 auf einen Wert von 100 bis 150 Milliarden Dollar geschätzt. Der Grund dafür: Die Zahl der Übergewichtigen wird nicht nur in den Industriestaaten, sondern auf der ganzen Welt massiv zunehmen.

Hier haben momentan Konkurrenten wie Novo Nordisk mit der Abnehmspritze Wegovy die Nase vorn. Doch Roche versucht nachzuziehen und ist daran, zwei verschiedene mögliche neue Therapien gegen Adipositas (sie zählt zu Stoffwechselerkrankungen) zu entwickeln.

Roche setzt sich neue Messlatte

Der neue Kurs stellt eine wesentliche Wende dar. «Roche ist seit Jahrzehnten dafür bekannt, nur der Wissenschaft zu folgen», betonte Pharmachefin Teresa Graham. Dies solle trotz der neuen Ausrichtung auf bestimmte Krankheitsgebiete und der damit verbundenen Beschränkung der Forschung nicht aufgegeben werden, betont sie.

Doch Roche hat sich für jedes einzelne seiner Forschungsprojekte eine neue Messlatte gesetzt: Es muss Erfolg versprechend sein, soll einen neuen Behandlungsstandard setzen und möglichste viele Patienten erreichen. Dies aber dürfte einige Projekte von vornherein ausschliessen.

In den letzten Jahren hatte Roche unter einer Serie von Fehlschlägen in der Forschung gelitten. Der Konzern erzielte dennoch im zweiten Quartal einen 9 Prozent höheren Umsatz. Schinecker betonte, dass Roche auch im gesamten laufenden Jahr und auch im nächsten Jahr im hohen einstelligen Bereich wachsen werde. Doch der Börse sind diese Erfolgsmeldungen nicht genug.

Konzernchef in der Zwickmühle

Auch die neue Strategie reicht der Anlegerschaft zunächst nicht, sie wartet auf neue Forschungserfolge für umsatzstarke Medikamente. Die Roche-Wertpapiere notierten trotz neuer Forschungsstrategie bis zum Nachmittag leicht tiefer.

Schinecker sitzt in der Zwickmühle: Er muss für hohe Umsätze und überzeugende Wachstumsaussichten bei Roche sorgen. Zugleich rechnet er damit, dass im Gesundheitswesen weltweit gespart werden wird. Nicht nur in der Schweiz ist die Prämienexplosion ein grosses Thema. Auch in den anderen europäischen Staaten und den USA nimmt der Druck auf die Pharmaindustrie zu.

«Die durchschnittlichen Gesundheitskosten wachsen schneller als das Bruttoinlandprodukt, wir müssen hierfür Lösungen finden», erklärte Schinecker. Das ist ein weiterer Grund, weshalb sich Roche deshalb auf die gängigsten Krankheitsgebiete fokussiert. Der Roche-Chef geht davon aus, dass den Krankenkassen für andere Erkrankungen kaum noch Geld bleibt.

Behandlungen ausserhalb von Spitälern

Zudem erwartet Schinecker, dass die Gesundheitssysteme der Industriestaaten die Therapien ausserhalb von Spitälern verlagern. Dies, um Kosten zu sparen. In den nächsten zehn Jahren dürfte sich die Zahl der ambulanten Behandlungen verdreifachen, so Schinecker. Hierauf stellt sich Roche ein: Sein MS-Medikament Ocrevus, das bislang nur als Infusion verabreicht wurde, kann in einer neuen Formulierung auch einfach unter die Haut gespritzt werden. Auch das Krebsmedikament Tecentriq kann neu gespritzt werden.

Roche richtet sich mit seiner neuen Forschungsstrategie aber auch auf die allgemein schärfer erwarteten Nutzen- und Wirtschaftlichkeitssansprüche der Krankenkassen aus. Es gehe nicht mehr nur darum, das Leben von Patientinnen und Patienten durch Medikamente zu verlängern, sagte Schinecker. Sondern darum, Krankheiten zu heilen oder sogar zu verhindern.

Nicht nur mit Gentherapien wie Elevidys, sie wirkt gegen eine schwere Erbkrankheit, will Roche auf die Stufe kurativer und präventiver Medikamente vorstossen. Auch Fettleibigkeitstherapien haben das Potenzial dazu. Reduzieren sie das Gewicht tatsächlich dauerhaft, könnten sie eine Reihe von Folgeerkrankungen wie etwa Herzprobleme verhindern.

Parallel zur neuen Strategie lanciert Schinecker ein Sparprogramm. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen nicht weiter steigen, sagte er. Roche zählt mit 14,2 Milliarden zu den Pharmakonzernen weltweit, die hier am meisten investieren.

Der Roche-Chef gibt zu, dass das Geld nicht immer effizient eingesetzt wurde. Er nennt hierfür auch einen Grund: Der Konzern erzielte bislang genügend hohe Gewinne, um nicht nach seinen Kosten schauen zu müssen. Damit sei es nun aber vorbei.