Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Gastbeitrag zu Arznei-Zulassung
Gentherapien können Leben retten

Alexa, die an spinaler Muskelatrophie (SMA Typ 1) leidet, schaut sich neben Mutter Margarete und Bruder Theo, der dieselbe Krankheit hat, ein Buch an. Bei der Verlosungsaktion einer Gentherapie für todkranke Babys haben jetzt auch Kinder in Deutschland eine Chance...Das Schweizer Pharmaunternehmen Novartis startete die Verlosung einer Behandlung mit Zolgensma für 100 Kinder am 03.02.2020. Es handelt sich um das teuerste Medikament der Welt, mit rund zwei Millionen Euro für eine Dosis. Die Therapie ist für Kinder unter zwei Jahren, die an SMA leiden, die Muskelschwund verursacht und in schweren Fällen unbehandelt zum Tod führen kann. (KEYSTONE/DPA/Sebastian Gollnow)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Im vergangenen Jahr wurden in den USA, dem international taktgebenden Arzneimittelmarkt, fünf neue Gentherapeutika zugelassen. Die Kosten pro Patient belaufen sich allein für die Arzneimittel auf mehrere Millionen US-Dollar, hinzu kommen noch die Kosten für Krankenhausaufenthalte, Labortests und Nachsorge. Bei zwei der fünf zugelassenen Gentherapeutika sind Schweizer Unternehmen involviert: Casgevy, ein Mittel zur Behandlung der Sichelzellkrankheit, wurde von Crispr Therapeutics mit Sitz in Zug und dem US-amerikanischen Unternehmen Vertex Pharmaceuticals entwickelt. Für Elevidys, welches bei der Duchenne-Muskeldystrophie zur Anwendung kommt, hält Roche die Vermarktungsrechte ausserhalb der USA. 

Durch Gentherapien sind mehrere zuvor unheilbare, häufig bereits im Kindesalter tödlich verlaufende Erkrankungen potenziell heilbar geworden. Gleichzeitig wird in Medien und Politik immer wieder über die extrem hohen Preise von Gentherapien diskutiert. 

In der Schweiz sind viele der inzwischen verfügbaren Gentherapeutika (noch) nicht zugelassen. Aktuell sind in den USA insgesamt 18, in der EU 15 und in der Schweiz nur 9 Gentherapeutika zugelassen. Ein Beispiel ist Zolgensma, eine Gentherapie zur Behandlung der Spinalen Muskelatrophie, einer ohne Therapie bereits im Kleinkindalter tödlich verlaufenden Muskelerkrankung. In den USA wurde Zolgensma im Mai 2019, in der EU im Mai 2020, in der Schweiz erst im Juni 2021 zugelassen. Für die Betroffenen sind derartige Verzögerungen von über zwei Jahren nicht selten fatal. Zwar können in der Schweiz lebensrettende, bislang nur im Ausland zugelassene Medikamente von der Krankenkasse ausnahmsweise erstattet werden, doch handelt es sich dabei um Einzelfallentscheidungen der jeweiligen Krankenkasse. 

Den Patienten den Zugang erleichtern

Eine nationale Gesundheitsstrategie zu Gentherapien, nach dem Vorbild der nationalen Gesundheitsstrategien zu Demenz, eHealth, Grippe, Krebs oder Tuberkulose, ist deshalb dringend nötig. Eine solche Strategie sollte einerseits die Zugangsmöglichkeiten von Patientinnen und Patienten zu Gentherapien verbessern, andererseits das Potenzial von Gentherapeutika für den schweizerischen Wirtschaftsstandort ausschöpfen.

Drei Massnahmen wären aus unserer Sicht vordringlich: Erstens sollten in der Schweiz zusätzliche Anreize für die Forschung zu Gentherapien gesetzt werden – gerade auch für seltene Erkrankungen, deren Erforschung aus einer Business-Perspektive zunächst wenig attraktiv erscheint. Zweitens sollten Entscheidungen zur Kostenübernahme für sehr teure, bislang nicht in der Schweiz zugelassene Medikamente in Zukunft nicht mehr dezentral von den Krankenkassen, sondern einheitlich auf Bundesebene getroffen werden. Drittens sollte das Bundesamt für Gesundheit Strategien für den Zugang schweizerischer Patientinnen und Patienten zu Arzneimitteln entwickeln, die in den USA oder der EU bereits zugelassen sind. Ein besonderer Schwerpunkt sollte hierbei auf Gentherapien für Erkrankungen liegen, für die keine andere wirksame Therapie zur Verfügung steht und die unbehandelt regelmässig tödlich verlaufen. Vielversprechend sind hier die Vorschläge für eine beschleunigte Zulassung und Vergütung von Arzneimitteln, die die Eidgenössische Finanzkontrolle diesen Januar vorgelegt hat.

Nikola Biller-Andorno ist Professorin am Institut für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich. Julian März arbeitet als Forscher am selben Institut.