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Europawahl in Deutschland
Die AfD erobert Platz 2 – Regierungs­parteien abgestraft

09.06.2024, Berlin: Alice Weidel (M) und Tino Chrupalla (Mitte r), beide AfD-Bundesvorsitzende, jubeln in der AfD-Parteizentrale bei der Prognose zur Europawahl. Die Europawahl begann am 6. Juni und in Deutschland wurde am 9. Juni gewählt. Foto: Joerg Carstensen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Jörg Carstensen)
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Schlimmer hätte der Wahlkampf der Alternative für Deutschland schwerlich verlaufen können. Nach einem Bericht über Deportationsfantasien gingen Anfang Jahr erst Millionen von Deutschen gegen Rechtsextremismus und die AfD auf die Strasse. Der Höhenflug der Partei in den Umfragen fand ein abruptes Ende: Innert Wochen verlor sie ein Viertel ihrer Wählerinnen und Wähler und fiel von 22 auf 17 Prozent.

Dann folgte das Debakel um ihre Spitzenkandidaten für die Wahl zum Europaparlament. Maximilian Krah und Petr Bystron pflegen eine selbst für die AfD irritierende Nähe zu Russland, Krah zudem auch zu China. Beide stehen nach Informationen westlicher Geheimdienste und Ermittlungen von Staatsanwaltschaften mehrerer Länder unter Verdacht, erhebliche Geldsummen aus kremlnahen Kreisen angenommen zu haben – Krah zudem auch von chinesischen Geheimdiensten.

Krah wird überdies verdächtigt, mit Jian G., einem langjährigen Mitarbeiter, einen Agenten chinesischer Geheimdienste ins Europaparlament eingeschleust und diesem Zugang zu vertraulichen Unterlagen ermöglicht zu haben. Neuerdings wird zudem der Verdacht untersucht, dass Krahs früherer Mitarbeiter Guillaume P., ein französischer Rechtsextremist, seinerseits einem russischen Spion Zugang in Brüssel und Strassburg eröffnet habe.

(FILES) Maximilian Krah, Member of the European Parliament of the German far-right Alternative for Germany (AfD) party attends a voting session as part of a plenary session at the European Parliament in Strasbourg, eastern France, on April 23, 2024. Germany's far-right AfD party on May 22, 2024 banned its leading candidate from EU election campaign events, as it battled to draw a line under a series of scandals that has sparked a break with its French allies. Maximilian Krah, the Alternative for Germany's top candidate in the upcoming vote, is being investigated for suspicious links to Russia and China. Compounding the AfD's woes, comments Krah made over the weekend about the SS paramilitary force in Nazi Germany led France's National Rally (RN) party to announce a split with the AfD on May 22, 2024. (Photo by FREDERICK FLORIN / AFP)

Die AfD, die sich stets ihrer besonderen Liebe für Deutschland rühmt, musste sich von der Konkurrenz und vielen Medien nun anhören lassen, sie sei in Wahrheit eine Partei von «Landesverrätern». Das Ausmass der Affären wurde am Ende sogar der Parteispitze um Alice Weidel und Tino Chrupalla zu viel. Da sie ihre Spitzenleute nicht ersetzen konnte, zog sie sie aus dem Wahlkampf ab. Aber selbst aus dem Off schaffte es Krah noch, mit verharmlosenden Äusserungen über die SS die Französin Marine Le Pen so sehr zu verärgern, dass diese die europäische Fraktionsgemeinschaft ihrer Partei mit der AfD aufkündigte.

Und dennoch glänzt die AfD am Wahlabend mit 16 Prozent der Stimmen als zweitstärkste Partei. Bei der Europawahl 2019 kam sie auf 11 Prozent. Nun profitierte die AfD vor allem von der Enttäuschung vieler Deutscher über die Regierung und davon, dass ihre Lieblingsthemen Migration und Frieden den Wahlkampf prägten. Auch das islamistische Attentat von Mannheim dürfte ihr noch Stimmen verschafft haben. Ob die AfD ihren Erfolg auch in Europa für mehr Einfluss nutzen kann, ist jedoch unsicher: Mit Krah und Bystron droht ihr die grosse Isolation.

Klarer Sieger der Europawahl sind wie erwartet die Christdemokraten von Friedrich Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. CDU und CSU gewinnen mit 30 Prozent doppelt so viele Stimmen wie die nächstbesten Parteien. Obwohl das Ergebnis im historischen Vergleich höchstens mittelmässig ausfällt, macht der 68-jährige Merz damit einen grossen Schritt hin zur Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl im Herbst 2025. Über die Personalie wird nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September entschieden.

Die Grünen fallen noch weiter zurück als erwartet

Die Regierungsparteien der Ampelkoalition hingegen werden auch bei dieser Wahl abgestraft. Am schlimmsten trifft es die Grünen, die bei der letzten Europawahl 2019, die vom Thema Klima dominiert wurde, mit 20,5 Prozent noch ein nationales Rekordergebnis erzielten. Mit 12 Prozent fallen sie jetzt auf ihre Kernwählerschaft zurück – und liegen auch fast 3 Prozentpunkte unter jenem Wert, den sie bei der Bundestagswahl 2021 erreicht haben. Die SPD und die FDP wiederum schneiden mit 14 bzw. 5 Prozent noch schlechter ab als bei der bereits historisch schlechten Wahl von 2019 und verlieren gegenüber 2021 dramatische 11 bzw. 7 Prozentpunkte.

Der SPD nützte es nichts, dass sie ihren Kanzler Olaf Scholz grossflächig als «Friedenskanzler» anpries, den Grünen nicht, dass sie Vizekanzler Robert Habeck und Aussenministerin Annalena Baerbock in den Kampf schickten, und der FDP nicht, dass sie vor der Wahl in der Regierung kompromissloser gegen Sozialdemokraten und Grüne opponierte denn je zuvor. Die Spannungen in der Koalition dürften nach der Wahl deswegen weiter wachsen, statt sich zu lösen.

Ein grosser Erfolg ist die Europawahl schliesslich für die abtrünnige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, die mit ihrem erst vor einem halben Jahr gegründeten Bündnis auf Anhieb 6 Prozent der Stimmen erobert. Wagenknecht überflügelt nicht nur alle anderen Kleinparteien und die FDP, sondern auch ihre alte Links-Partei, die mit der Seenotretterin Carola Rackete erfolglos um enttäuschte Wählerinnen und Wähler der Grünen warb. Für ein links-nationalistisches Angebot mit asylkritischem und antiamerikanischem Schwerpunkt gibt es in Deutschland offenbar Bedarf.