Neue Partei in DeutschlandProminenter Zuwachs: So hat Wagenknecht ihr Bündnis aufgestellt
Das Bündnis Sahra Wagenknecht lebt ganz von seinem Star. Nun hat die Partei weitere Mitstreiter dazugewonnen. Drei Namen überraschen besonders.
Seit letzter Woche besteht das Bündnis Sahra Wagenknecht als Partei. Geführt wird dieses von der Namensgeberin zusammen mit Amira Mohamed Ali, der früheren Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linken, von der sich das Bündnis abgespalten hat.
Ein 26-seitiges Wahlprogramm für die Europawahlen im Juni liegt bereits vor. Wie erwartet fällt es betont EU-kritisch («Die EU in ihrer aktuellen Verfassung schadet der europäischen Idee») und russlandfreundlich aus: Europa solle Russland an den Verhandlungstisch locken, indem es die Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine in Aussicht stelle, steht da etwa. Wagenknecht wirbt auch dafür, wieder billiges russisches Öl und Gas zu kaufen.
Hohes Potenzial, aber tiefe Umfragewerte
Am 27. Januar findet in Berlin der erste Parteitag statt, an dem 450 handverlesene Mitglieder teilnehmen. Wagenknechts Partei wird ein grosses Potenzial attestiert, von bis zu 20 Prozent national ist die Rede. In den Umfragen im Bund wird sie aber derzeit nur mit 3 Prozent gemessen.
In den östlichen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg, in denen im Herbst die Landtage gewählt werden und Wagenknechts Aussichten besonders günstig scheinen, fällt es der Partei besonders schwer, bekannte Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer zu gewinnen. Mit drei prominenten Zugängen hat die Partei dafür im Bund überrascht: Fabio De Masi und Thomas Geisel werden sie in die Europawahl führen, Ralph Suikat kümmert sich um Spenden und Organisation.
Der Millionär
Mit dem 58-jährigen Ralph Suikat hat Wagenknecht einen Mann für ihre Partei gefunden, der sich mit Start-ups auskennt, wenn auch nicht mit politischen. Mit 28 Jahren gründete er ein Unternehmen, das Software für Insolvenzverwalter und Anwaltskanzleien entwickelt. 2016 stieg er aus der florierenden Firma aus und verdiente damit einige Millionen.
Danach wandte er sich Initiativen zu, die sich vornehmen, die Welt und das menschliche Zusammenleben zu verbessern – erst recht, nachdem 2019 seine Frau nach schwerer Krankheit gestorben war. Suikat ist einer der Mitgründer der Initiative «Tax Me Now», mit der Vermögende dafür werben, höher besteuert zu werden.
Mit Politik im engeren Sinn hatte er bisher nicht zu tun. Dem «Spiegel» sagte er, er wisse nicht einmal, welche Parteien er früher alle gewählt habe. Wagenknecht jedoch machte ihm Eindruck, und nach einem Treffen hatten beide das Gefühl, sie könnten für die Gründung der neuen Partei zusammenspannen. Ohne sie hätte er es nicht gemacht, sagt Suikat, und Wagenknecht meint: sie ohne ihn vermutlich auch nicht.
1,4 Millionen Euro Spenden hat der Schatzmeister bereits gesammelt, das soll aber nur ein Anfang sein – Wahlkämpfe verschlingen schnell enorme Summen. Suikat glaubt an das Projekt. «Wenn das nicht klappt», sagte er dem «Spiegel», «dann wandere ich aus.»
Der Finanzdetektiv
Der 43-jährige Fabio De Masi ist ein Wiedereinsteiger. Er hatte die Politik 2021 verlassen, als er ausschlug, sich erneut für die Linkspartei in den Bundestag wählen zu lassen. De Masi ist bei Darmstadt aufgewachsen, als Sohn eines italienischen Gewerkschafters und einer deutschen Sprachlehrerin. Nach dem Studium heuerte der Ökonom als Mitarbeiter der Linkspartei an – und wurde dabei zu einer Art politischem Ziehsohn von Sahra Wagenknecht.
2014 wurde De Masi überraschend ins Europaparlament gewählt, wo er sich mit scharfen Äusserungen zu Finanz- und Steuerskandalen wie den Panama Papers oder den Lux Leaks hervortat. Ab 2017 übernahm er eine ähnliche Aufgabe im Bundestag und machte sich in den Ermittlungen zum sogenannten Cum-Ex-Skandal und zum betrügerischen Kollaps des Finanzdienstleisters Wirecard einen Namen.
In der Cum-Ex-Sache ging er derart hartnäckig dem Verdacht nach, der damalige Hamburger Bürgermeister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz habe zu Treffen mit einem örtlichen Banker gelogen, dass Medien und Oppositionsparteien dem «Quälgeist» lagerübergreifend Respekt entgegenbrachten.
Aus der Politik und der Linkspartei ausgestiegen war De Masi aus denselben Gründen, die Wagenknecht zur Gründung ihrer eigenen Partei bewogen. Nach eigener Aussage hätte er damals nicht gedacht, dass er nun bei ihr wieder einsteigen würde.
Der SPD-Dissident
Eine besondere Überraschung war das Engagement des 60-jährigen Thomas Geisel, der von 2014 bis 2020 noch für die Sozialdemokraten als Oberbürgermeister Düsseldorf regiert hatte. Erst vor einem Monat war Geisel für seine 40-jährige SPD-Mitgliedschaft geehrt worden und hatte dabei versprochen, er werde sein Leben lang Sozialdemokrat bleiben. Einen Tag bevor er als neuer Mitstreiter von Sahra Wagenknecht auftrat, kündigte er seine Mitgliedschaft per E-Mail.
Die SPD sei schon lange nicht mehr die Partei Willy Brandts und Helmut Schmidts, begründete Geisel seinen Wechsel. Insbesondere in der Russland- und in der Asylpolitik verweigerten sich die Sozialdemokraten zunehmend der Realität. Vor seiner Zeit als Oberbürgermeister hatte Geisel viele Jahre für die Ruhrgas AG gearbeitet – zu einer Zeit, als Erdgas aus Russland noch als Grundlage des Erfolgs der deutschen Industrie galt. Bei Wagenknecht findet Geisel also politisch sozusagen wieder nach Hause.
Fehler gefunden?Jetzt melden.