Neue Partei der Linkspopulistin Wagenknechts Spektakel beginnt – ohne Parteiprogramm
Das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will die deutsche Politik grundlegend verändern. Die Sache mit dem Personal ist offenkundig ein heikles Thema.
Wie auch immer die Sache ausgeht, an mangelnder medialer Aufmerksamkeit wird Sahra Wagenknecht nicht scheitern. Die Bundespressekonferenz in Berlin ist voll, wie schon im Oktober, als Wagenknecht, immerhin die ehemalige Fraktionschefin der Linken, die Welt wissen liess, dass sie aus ihrer alten Partei ausgetreten sei, um bald eine neue zu gründen.
Am Montag ist aus ihren Plänen bürokratische Realität geworden. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist nun offiziell Teil des durchaus bunten Parteienspektrums in Deutschland. Am Vormittag habe man die Papiere unterschrieben, wird Wagenknecht gleich berichten und dass man damit «das deutsche Parteiensystem dauerhaft verändern» wolle. Sahra Wagenknecht ist ohne Zweifel die grösste Attraktion, die das politische Berlin derzeit zu bieten hat. Weniger klar ist, was sich inhaltlich hinter dem Spektakel verbirgt.
Programm erst nach dem Parteitag
Ein genaues Parteiprogramm will das BSW erst nach dem ersten Bundesparteitag Ende Januar erarbeiten. Die Partei möchte dabei mit nicht näher definierten Expertenräten zusammenarbeiten. Bis zur Bundestagswahl, die planmässig im Herbst 2025 stattfinden wird, soll dann also definiert sein, wofür das Bündnis Sahra Wagenknecht eigentlich steht, von der Person Sahra Wagenknecht mal abgesehen.
Schon «bald» werde man aber ein Wahlprogramm für die Europawahl Anfang Juni präsentieren, heisst es. Es ist die erste Wahl, bei der das BSW antreten will, und die Spitzenkandidaten sind an diesem Montag auch gleich gekommen: Der eine ist Fabio De Masi (43), der bis 2021 für die Linke im Bundestag gesessen ist und zuvor auch schon mal im Europaparlament war. Vor gut eineinhalb Jahren trat er aus der Linken aus, seither hat er seinen parteiübergreifend guten Ruf als Experte für Finanz- und Wirtschaftskriminalität zementiert.
Der heimatlose Sozialdemokrat
Der andere ist Thomas Geisel, bis 2020 Oberbürgermeister von Düsseldorf und erst vor ein paar Wochen für 40 Jahre Mitgliedschaft in der SPD geehrt. Die ist jetzt zu Ende, weil Geisel (60) konstatiert: «Sozialdemokraten in der Tradition von Willy Brandt und Helmut Schmidt scheinen in der SPD heimatlos geworden zu sein.» Grosse Pläne mit der neuen Partei haben beide, daran lassen sie keinen Zweifel. De Masi sagt: «Wir streben an, mittelfristig eine Volkspartei zu werden.»
Ob das gelingen kann, wird sich mehr noch als bei den Europawahlen vermutlich bei den drei ostdeutschen Landtagswahlen im Herbst zeigen. Voraussetzung dafür, dort anzutreten, ist nach Aussage Wagenknechts, dass man in jedem dieser Länder «eine solide, kompetente Liste» habe. Bei jungen Parteien bestehe immer das Risiko, dass es auch Menschen auf die Wahlliste schafften, deren politische Ausrichtung oder inhaltliche Kapazität gar nicht zu dem passe, was man eigentlich erreichen wolle, sagt Wagenknecht. Das werde dem BSW nicht passieren. «Wir werden Listen aufstellen mit lauter kompetenten Menschen.»
Spenden sind gefragt
Überhaupt ist die Sache mit dem Personal offenkundig ein heikles Thema für die neue Partei. In den Gründungsparteitag will sie mit 450 Mitgliedern gehen, die man in den kommenden Tagen aufnehmen werde. Die habe man alle in den vergangenen Wochen «kennen gelernt», sagt Wagenknecht. Und so wolle man es auch in Zukunft halten: Statt gleich Mitglied zu werden, sollten Interessierte sich doch erst mal als «Unterstützer» oder «Förderer» melden. So könnte man beim Wahlkampf mithelfen oder finanziell beitragen.
Spenden sind gefragt – bislang hat das BSW etwa 1,4 Millionen Euro eingeworben. Das ist üppig für eine Partei, deren genaue Positionierung noch immer niemand kennt, aber es ist zu wenig, um in einem Jahr vier Wahlkämpfe zu bestreiten.
Bei der Aufnahme neuer Mitglieder will die Partei dennoch erst prüfen, wer genau sich ihr da anschliessen will. «Wir müssen eben gucken, ob es nicht die Falschen sind», sagt Wagenknecht.
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