TV-Kritik «Maischberger»Wagenknechts Auftritt dürfte Putin freuen
Weltpremiere in der ARD: Sandra Maischberger konfrontiert die Ex-Linke Sahra Wagenknecht mit dem ersten Wahlomat für eine Partei ohne Programm. Besorgniserregend: Antworten zu Migration und Gaza-Krieg.
Auf der Habenseite standen für die frisch von ihren bisherigen politischen Lebensabschnittspartnern geschiedene Sahra Wagenknecht um kurz nach Mitternacht etwa zwanzig Minuten, in denen sie exklusiv Werbung für ihren Parteigründungsverein machen durfte. Der Jingle lautete in mehreren Variationen so: Andere kündigen viel an, wir machen es. Politik, die durchdacht und logisch ist. Was für eine Partei, die noch keine Mitglieder, keine Strukturen und keinen Namen hat, dann doch eine recht selbstbewusste Ankündigung ist.
Wagenknechts Kosten bei der Sache waren: Von Moderatorin Sandra Maischberger bei quasi jeder Antwort unterbrochen zu werden, was Wagenknecht aber sportlich nahm. Ferner, dass die nicht anspielungsarme Kombination der Attribute «national» und «sozialistisch» im selben Atemzug mit ihrem Namen genannt wurde, während sie schon bereit fürs Interview in der Manege sass und in die Kamera lächeln musste. Weil Maischbergers Sidekick Theo Koll aber beim Reden über die anwesende Dritte sonst so klang wie frisch verknallt – «sie ist eine politische Ausnahmeerscheinung, das werden wir gleich wieder erleben» – wird sie vielleicht darüber hinweggesehen haben.
Tempolimit, Wölfe, Nato: Maischberger will es wissen
Dritter Posten auf der Kostenrechnung: Maischbergers Team hatte sich das Spielchen «Stellung beziehen» ausgedacht – und bei der Weltpremiere eines Wahlomats für eine Partei ohne Programm natürlich bevorzugt jene Themen auf die Frageliste gepackt, die jungen Vereinigungen mit Hang zum Populismus potenziell wehtun: Tempolimit? Ja, 130 kann man vielleicht vertreten, eiert Wagenknecht – und die etwa anderen 100 Mitglieder der «BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit», die es laut Wagenknecht gibt, wissen daheim an den Bildschirmen: Autsch, in der nächsten Umfrage gleich mal ein Prozentpunkt weniger.
Wölfe zum Abschuss freigegeben? Wagenknecht versteht die Landwirte, Wählerwanderung aus der Neoschamanismus-Ecke und der Tierschutzpartei abgesagt. Wahlalter auf 16 absenken, Cannabis freigeben? Nein und ja, mixed feelings bei der Jugend. EU-Austritt, Nato-Austritt? Lieber von innen verändern. Wladimir Putin, der es sich wie jeden Abend in Pantoffeln auf einem goldenen Brokatsofa bequem gemacht hat, um öffentlich-rechtliches deutsches Fernsehen zu gucken, hält mit seinem Kugelschreiber über dem unterschriftsreifen Scheck kurz inne.
Man kann nur hoffen, dass Wagenknecht die Moderatorin in dieser Sekunde nicht richtig verstanden hat.
Zu befürchten ist jedoch, dass Wagenknecht bei zwei anderen Punkten in gewissen Kreisen punkten konnte. Der eine ist das Thema Nahost, aus Tel Aviv zugeschaltet war da eben noch Roni Romann, deren Schwester in den Gazastreifen entführt wurde. Wagenknecht verurteilt den Terror der barbarischen Hamas und betont die deutsche Staatsräson von der Sicherheit Israels, um dann sehr schnell abzubiegen.
Es sei auch richtig, was der UNO-Generalsekretär António Guterres gesagt hat, betont sie: Der aktuelle Konflikt sei nicht im luftleeren Raum entstanden, die Terrororganisation habe auch Zulauf, weil «die Rechte von Palästinensern seit Jahren, seit Jahrzehnten mit den Füssen getreten» werden. «Von der Hamas?», fragt Maischberger wieder sehr schnell in den eben erst endenden Satz des Gastes, «auch von der Hamas?». «Nein, natürlich nicht von der Hamas», antwortet die und nennt das Thema Siedlungsbau. Und man kann nur hoffen, dass Wagenknecht die Moderatorin in dieser Sekunde nicht richtig verstanden hat.
«Syrien wird an jedem Wiederaufbau gehindert»
Der andere Punkt ist Migration, hier hatte Maischberger zuvor Cem Özdemir, den deutschen Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, zu Gast, der noch leicht erschöpft vom langen Bund-Länder-Gipfel zum Thema berichtete. Die Rolle des bodenständigen Schwaben kann der Grüne aber auch in völliger Übermüdung noch glaubhaft spielen, weil er im Grunde wohl einer ist. Und wenn er sagt: «S’Hemd schwitzt net alloi», um zu verdeutlichen, dass ein jeder, der bleiben will, nach Möglichkeit schon auch arbeiten sollte, wer will da widersprechen. Auch Zentren zur Prüfung von Asylanträgen etwa in Afrika kann er sich vorstellen.
Sahra Wagenknecht hingegen hat ihre sehr eigene Idee, wie Fluchtursachen bekämpft werden könnten: «Syrien wird durch massive Sanktionen an jedem Wiederaufbau gehindert», die sollte man besser streichen. Beim engsten Verbündeten von Diktator Baschar al-Assad in Moskau senkt sich der Kugelschreiber nun doch noch aufs Papier.
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