Italiens Ministerpräsidentin und TrumpGiorgia Meloni kann zur Brückenbauerin werden
Die Ministerpräsidentin will die Gesprächskanäle zu Donald Trump offenhalten. Wenn sie klug agiert, ist das sogar eine Chance.
Der italienischen Oppositionsführerin Elly Schlein bleibt derzeit nur Spott. Ihre erfolgreiche Gegenspielerin, Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, vergesse ob ihrer Begeisterung für die Rolle als Interpretin von Donald Trump und seines Intimus Elon Musk die traurige Realität des italienischen Volkes. Bei ihrer ersten grossen Pressekonferenz des Jahres habe sie in mehr als zwei Stunden kein Wort verloren über die sozialen Probleme im Land, die finanzielle Belastung von Familien und Unternehmen und die Probleme im öffentlichen Nahverkehr, die dazu führten, dass Italien jeden Tag eine Stunde zu spät losfahre.
Die Kritik ist berechtigt und verfehlt doch ihre Wirkung. Die aus drei sehr rechten Parteien gebildete Koalitionsregierung von Meloni hat in der Tat in ihren ersten gut zwei Jahren wirtschaftspolitisch wenig zustande gebracht, keine tiefgreifenden Strukturreformen angepackt und vor allem nicht die dramatische Verschuldung Italiens bekämpft, welche die internationalen Finanzmärkte bisher noch mit Langmut hinnehmen.
Interessanterweise sehen auch die Bürgerinnen und Bürger Meloni ihre Säumigkeit nach, in den Umfragen wird sie trotz unerfüllter Wahlversprechen nicht abgestraft. Stattdessen erkennen die Wähler offenbar an, dass ihre Regierungschefin aussenpolitisch gerade «bella figura» macht.
Als einzige Regierungschefin der EU, mit Ausnahme des weniger einflussreichen Ungarn Viktor Orbán, war die Römerin bereits bei Donald Trump, sie ist auch zur Amtseinführung eingeladen und darf auf einen guten Draht zum neuen US-Präsidenten hoffen. Das hängt auch mit der ideologischen Nähe der beiden Politiker zusammen, aber nicht nur. Seit ihrem Amtsantritt verleiht Meloni Italien aussenpolitisch ein Gewicht, wie es der drittgrössten Wirtschaftsnation der EU zusteht, es aber angesichts der teils chaotischen Regierungen oft nicht zu erkennen war.
Als Präsidentin der G7 hat Meloni an Statur gewonnen
Meloni baut auf einem Fundament auf, das ihr Vorgänger Mario Draghi gelegt hat. Die beiden schätzen sich, obwohl sie wahrlich wenig gemein haben: hier der international versierte ehemalige EZB-Präsident, die parteiübergreifend anerkannte graue Eminenz der italienischen Politik, dort die junge, anfangs unerfahrene Politikerin, die aus der postfaschistischen Jugendbewegung kommt und als Oppositionspolitikerin vor allem durch schrille rechtsextreme Parolen aufgefallen ist.
Als Ministerpräsidentin aber agiert sie souverän. Als G7-Präsidentin 2024 hat sie an Statur gewonnen. In Brüssel ist sie nach einem Durchhänger im Zuge der Europawahlen längst wieder obenauf.
Die Rolle der Trump- und Musk-Versteherin kommt da gerade recht. Ihr ist zuzutrauen, dass sie sich deren Respekt erwirbt. Sie ist keine Kritikerin der beiden, wohl wahr. Das seien keine Feinde der Demokratie, sondern ehrenwerte Menschen, erklärt sie. Impulsive Männer, gewiss, mit einer Wortwahl, die sie auch nicht immer gutheisse, aber wenn es der Sache hilft? Jedenfalls werde, das ist sinngemäss Melonis Botschaft, auch bei Trump und Musk nicht alles so heiss gegessen, wie es gekocht wird. Das kann man als beruhigende Relativierung in aufgeregten Zeiten werten – wenn es denn wirklich so kommen sollte.
Man kann von Donald Trump halten, was man will, aber er wird in den nächsten Jahren im Westen das Sagen haben, und es ist besser, mit ihm reden zu können, als von seinen Entscheidungen überrascht zu werden.
Dabei kann Meloni helfen – solange sie sich wirklich als Brückenbauerin versteht und nicht nur als Brückenkopf, um Trumps Interessen in Europa durchzusetzen.
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