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Italiens Oppositionsführerin
Der mühsame Kampf der Elly Schlein

epa10856704 Secretary of Italy's Democratic Party (PD) Elly Schlein attends a press conference on 'digital politics and innovation' at the Democratic Party's headquarters in Rome, Italy, 12 September 2023.  EPA/FABIO FRUSTACI
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«Lasst uns die Debatten wieder ins Parlament verlegen. Da gehören sie hin.» Fast flehentlich klang der Aufruf von Elly Schlein. Die Vorsitzende des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) hatte am Wochenende einen zweitägigen Europakongress organisiert, um sich gegen die rechte Regierungsmehrheit um Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (46) in Stellung zu bringen. Dort griff Schlein Meloni auch persönlich hart an, wegen der Kürzung von Sozialleistungen, aber auch beim Thema Migration (lesen Sie hier, wie Meloni gegenüber Migranten Härte zeigt). Die Ministerpräsidentin erschwere die Rettung von Menschen in Seenot und zeige keine Empathie für Opfer.

Als Vorsitzende der zweitgrössten Partei Italiens ist Schlein (38) die Oppositionsführerin. Allerdings muss sie erleben, dass ihre Partei in Umfragen bei nicht mal 20 Prozent Zustimmung liegt, während Melonis Fratelli d’Italia (FdI) fast 30 Prozent erklommen hat, deutlich mehr als noch bei der Wahl vor gut einem Jahr. Und das, obwohl die Regierung bei Lichte betrachtet wenig erreicht. Viele ihrer sehr rechten Wahlversprechen – etwa eine Begrenzung der Migration mit brachialen Methoden – hat sie nicht umsetzen können.

Meloni gewinnt an Statur

Meloni schafft dennoch, wovon andere Regierende in Europa derzeit nur träumen können, sie hielt ihr positives Momentum. Dies liegt nicht nur daran, dass sie in den Medien und in der Kultur dank ihrer Mehrheit Chefpositionen rigoros mit ihrer Gefolgschaft besetzen kann – die teilweise gar nicht erst versucht, ihre Loyalität gegenüber dem rechten Lager zu verbergen. Es liegt vielmehr auch daran, dass Meloni angesichts der Krisen in der EU und in der Welt auch als Regierungschefin an Statur gewinnt.

Gerade hat sie im Herzen Roms, in der Engelsburg, unter riesigem Medieninteresse das von ihr vor 24 Jahren gegründete Atreju-Festival durchgezogen, ein Treffen der rechten Politikelite, für das sie sogar ausländische Regierungschefs wie den britischen Premier Sunak als Redner gewinnen konnte. Anwesend war auch der Führer der rechtspopulistischen Vox in Spanien, Santiago Abascal, und der US-Milliardär und X-Eigentümer Elon Musk.

Unterricht bei Romano Prodi

Schlein wiederum hatte sich für ihren Europakongress die Mitwirkung des weithin angesehenen früheren Ministerpräsidenten und EU-Kommissions­Präsidenten Romano Prodi gesichert. Der 84-Jährige ist immerhin der letzte linke Ministerpräsident, der mit einem Mitte-links-Bündnis einen Rechten schlagen konnte: 1996 den mittlerweile verstorbenen Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi. Prodi am Rednerpult und Schlein samt Mitstreiterinnen und Mitstreitern in der ersten Reihe, das sei ein wenig so, schrieb der «Corriere della Sera», als würden die Sozialdemokraten beim Veteranen Unterricht nehmen, wie man erfolgreich Politik macht.

Prodi hatte verhaltendes Lob für Schlein dabei – «sie könnte in der jetzigen Situation die richtige Anführerin sein» – und lobte ausdrücklich deren Entscheidung, die Einladung zu einem Auftritt bei Melonis Festival auszuschlagen: «Wo Leute wie Abascal und Musk auf der Bühne sind, gehören wir nicht hin.» Aber wer sich rechtfertigen muss, beim politischen Gegner nicht anzutreten, ist eben schon in der Defensive.

Prodi beschönigte die Lage nicht. Der PD habe in den vergangenen Jahren sechs Millionen Stimmen verloren, «und wer keine politische Heimat mehr hat, flüchtet in den Populismus», analysierte er das Wählerverhalten. Die Kritik ging nicht gegen Schlein, sondern gegen ihre Vorgänger, die den Schwund nicht hatten stoppen können. Die in Lugano aufgewachsene Linkspolitikerin ist erst im März mit einer Kampfkandidatur gegen das realpolitische Establishment an die Spitze der Partei gerückt.

Machtbewusste Männer stehen im Weg

Aus Sicht von Prodi liegt die Chance der Opposition darin, sich für die Wahlen zum Europaparlament im Mai 2024 zusammenzutun. Das aber ist nicht einfach. Elly Schlein ist von sehr selbstbewussten, machtorientierten Männern umgeben, die sich nicht unterordnen wollen, auch nicht in einer losen Listenverbindung. Dabei wäre genau das für die Linke wichtig, denn Meloni hat klar zu erkennen gegeben, dass sie bei einem für sie vorteilhaften Wahlergebnis zur Führerin der Rechten in Europa aufsteigen will.

Namentlich den früheren Premier Giuseppe Conte (59) ficht das nicht an. Der Vorsitzende der zweitgrössten Oppositionspartei Cinque Stelle arbeitet weiter daran, an Schleins PD vorbeizuziehen. Und der Wirtschaftsliberale Carlo Calenda (50) hat deutlich gemacht, dass er seine Partei Azione nicht automatisch im Mitte-links-Lager sieht. Matteo Renzi (48) wiederum, Gründer sowie Chef der Partei Italia Viva, nahm sogar Melonis Konferenzeinladung an.

So endet das Jahr 2023 politisch so, wie es begonnen hat: mit einer ungefährdet regierenden Ministerpräsidentin. Und einer Opposition, die gegen Melonis «erbärmliche Show» wettert, ohne ihr damit etwas anhaben zu können.