Rechtsextreme EU-FraktionEuropas selbst ernannte «Patrioten» werden Machtfaktor in Brüssel
Viktor Orbans Rechnung geht auf: Er bildet mit Verbündeten eine neue Fraktion im EU-Parlament. Die «Patrioten für Europa» verbindet der gute Draht nach Moskau.
Viktor Orban gewinnt seine Wette: Die Fraktion der «Patrioten für Europa» hat sich formell im EU-Parlament als neue politische Kraft konstituiert. Zu der Initiative – angestossen durch Ungarns Regierungschef sowie Herbert Kickl von der österreichischen FPÖ und Tschechiens Ex-Premier Andrej Babis mit seiner ANO-Partei – kam am Montag Marine Le Pens Rassemblement National mit insgesamt 30 Abgeordneten hinzu.
Und kein Geringerer als Jordan Bardella wird Fraktionsvorsitzender. Den Premierposten in Paris hatte er nach dem enttäuschenden Abschneiden der französischen Rechtsextremen nicht ergattern können. Und sogleich machte Bardella klar, worum es geht. Die neue Fraktion wolle das Machtgefüge in Europa verändern, sich gegen die «Überflutung mit Migranten» wehren, den «strafenden Umweltschutz» beenden und sich gegen die Beschlagnahmung der nationalen Souveränität wehren, sagte er.
Ein «patriotisches Manifest» beinhaltet nun die bekannten Positionen der rechtsextremen Parteien. Österreichs Herbert Kickl etwa fordert einen EU-Kommissar für «Remigration», ein Kampfbegriff der Rechtsextremen. Viktor Orban will überhaupt die «Brüsseler Eliten» das Fürchten lehren. Ungarns Regierungschef und derzeitiger EU-Rats-Vorsitzender ärgert die europäischen Partner gerade mit seiner selbst erklärten «Friedensmission», um die Ukraine zu einem Waffenstillstand zu bewegen.
Hohe Hürde geschafft
Wer eine Fraktion im EU-Parlament bilden will, braucht mindestens 23 Abgeordnete aus sieben Ländern. Die Hürde ist also relativ hoch, doch am Ende klappte es ohne grössere Mühe. 84 Abgeordnete aus elf Mitgliedsstaaten will die neue Fraktion nach eigenen Angaben zählen, bei insgesamt 721 Sitzen im Europaparlament. Offiziell bestätigt werden soll die Gründung in der kommenden Plenarsitzung nächste Woche in Strassburg.
Neben Geert Wilders mit seiner Freiheitspartei machen auch die italienische Lega von Matteo Salvini oder Spaniens Vox und Belgiens Vlaams Belang mit. Wilders und Co. verbindet, dass sie die EU hassen, aber Wladimir Putin bewundern. Das klingt zunächst wie ein Widerspruch. Aber tatsächlich wollen die selbst ernannten Patrioten einfach ein anders Europa, ein «Europa der Vaterländer», ein christliches Europa mit möglichst wenig Ausländern, ein Europa, in dem der Rechtsstaat wie in Ungarn ausgehöhlt, Gewaltenteilung, Minderheitenrechte oder Medienfreiheit langsam geschleift würden. Ein Europa also, das auch dem russischen Präsidenten gefallen würde.
Nicht dabei ist vorerst die Alternative für Deutschland (AfD). Vor allem bei Marine Le Pen und Italiens Matteo Salvini gibt es da noch Berührungsängste, nachdem AfD-Exponenten mit Äusserungen zum Nationalsozialismus und Vorwürfen der Spionage für China ihnen zu weit gegangen waren.
Für Viktor Orban ist die neue Fraktion ein doppelter Erfolg. Nach der letzten Europawahl war er mit seiner Fidesz-Partei noch Teil der grössten Parteienfamilie, der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP). Nach dem Rauswurf dort waren die Fidesz-Abgeordneten isoliert und ohne Einfluss. Die neue Fraktion der «Patrioten für Europa» könnte nun aus dem Stand drittstärkste Kraft im EU-Parlament werden, hinter der konservativen EVP und den Sozialdemokraten, aber vor der nationalkonservativen EKR, zu der unter anderem Giorgia Melonis Fratelli d’Italia gehören.
Der Einfluss der «Patrioten» dürfte aber beschränkt bleiben, solange die Brandmauer der proeuropäischen Mehrheit hält. So wollen Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne nächste Woche die Vorsitze der einflussreichen Ausschüsse im Parlament unter sich ausmachen. Aber Sand ins Getriebe streuen können die Rechtsextremen auch so. Von der Grösse der Fraktion hängt die Redezeit ab, und die werden die selbst ernannten Patrioten für ihre Angriffe auf die «Brüsseler Eliten» zu nutzen wissen.
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