Geschäftsbericht 2022 Credit Suisse räumt Versäumnisse bei internen Kontrollen ein
Die Credit Suisse hat ihren Geschäftsbericht publiziert. Darin stösst der Buchprüfer PWC auf «wesentliche Schwachstellen». Und: Das miserable Ergebnis führt zu einer tieferen Entlöhnung der Topmanager.
Die Schweizer Grossbank räumt Versäumnisse bei den internen Kontrollen ein. Dies, nachdem sie in der letzten Woche aufgrund eines Anrufs der US-Börsenaufsicht SEC die Veröffentlichung des Jahresberichts verschoben hatte. (Lesen Sie hier mehr dazu)
Das Unternehmen schreibt im nun erschienenen Geschäftsbericht, dass «das Management keinen wirksamen Risikobewertungsprozess entwickelt und aufrechterhalten hat, um das Risiko wesentlicher falscher Angaben in der Jahresrechnung zu identifizieren und zu analysieren». Für die Jahre 2021 und 2022 sei das interne Kontrollsystem der Gruppe für die Finanzberichterstattung nicht wirksam gewesen.
Kritik kommt daher von PWC, der Revisionsstelle der Credit Suisse. Sie weist auf Mängel bei den internen Kontrollen der Grossbank hin, für die das Management die letzte Verantwortung trage.
Laut dem Geschäftsbericht seien Bankchef Ulrich Körner und Finanzchef Dixit Joshi zum Schluss gekommen, dass die Kontrollmechanismen für die Finanzberichterstattung nicht funktionieren. Zu diesem Schluss kam auch der Buchprüfer PWC. PWC schreibt: «Nach unserer Auffassung verfügte der Konzern zum 31. Dezember 2022 nicht in allen wesentlichen Belangen über ein wirksames internes Kontrollsystem für die Finanzberichterstattung.» Unklar ist, wer zuerst zu diesem Schluss kam. Angaben dazu macht die Bank nicht
Diese «wesentliche Schwachstelle» sorgte laut dem Bericht aber dafür, dass die Bank über bestimmte Kennzahlen nicht genau Bescheid gewusst hat. Unter anderem hat das CS-Management keine wirksamen Kontrollen für die Erfassung der Kapitalflussrechnung, also des Cash Flows, entwickelt und aufrechterhalten. Das Management der CS will diese «wesentliche Schwachstelle» nun möglichst schnell schliessen.
Die Aktie der Credit Suisse legt heute Mittag leicht zu. Am Tag davor hatte sie wegen der Bankenkrise in den USA 10 Prozent verloren.
Finanzchef verdient mehr als Konzernchef
Zur Erinnerung: Die Bank vermeldet für das letzte Geschäftsjahr einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken. (Lesen Sie hier mehr dazu.) Die miserablen Jahreszahlen haben Konsequenzen für die Topmanager. Die Geschäftsleitung der angeschlagenen Grossbank erhält insgesamt eine Entschädigung von 32,2 Millionen Franken nach 38,1 Millionen im bereits schwachen Jahr 2021. Wie bereits angekündigt, werden 2022 keine Boni an die Geschäftsleitung gezahlt.
CS-Chef Ulrich Körner, der den Chefposten per Anfang August übernommen hatte, erhält für das vergangene Jahr eine Entschädigung von 2,5 Millionen Franken. Vor seiner Ernennung zum Konzernchef leitete er das CS-Asset Management, also das Geschäft mit professionellen Anlegern.
Allerdings war Körner im abgelaufenen Jahr nicht das bestbezahlte Mitglied der Geschäftsleitung. Das war Finanzchef David Mathers, der im April 2022 abtrat. Mathers bezog eine Gesamtentschädigung von knapp 3,9 Millionen Franken. Diese setzt sich zusammen aus einem Basissalär von 3,55 Millionen Franken und Pensionskassenbezügen von 340’000 Franken.
Zum Vergleich: Mathers’ direkter Vorgesetzter Körner erhielt einen Grundlohn von 2,95 Millionen Franken sowie Einzahlungen in die Pensionskasse von 210’000 Franken. Bereits im Jahr 2021 hatte Mathers mehr verdient als der Konzernchef. Körners Vorgänger Thomas Gottstein hatte in dieser Periode noch eine Entschädigung von 3,8 Millionen Franken erhalten.
Die Credit Suisse hatte bereits vor Monatsfrist bei der Vorlage der Jahreszahlen 2022 mitgeteilt, dass die Geschäftsleitung aufgrund des massiven Jahresverlusts ganz auf variable Entschädigungen verzichtet. Allerdings sollen die Manager einen «einmaligen aufgeschobenen aktienbasierten Transformation Award» von maximal 30,1 Millionen erhalten. Dieser soll von Leistungsbedingungen im Zeitraum 2023 bis 2025 abhängen.
Weiterhin Vermögensabflüsse
Die Bank hat im letzten Geschäftsjahr Abflüsse von Kundengeldern zu verschmerzen. Dazu kam es vor allem im Oktober. Der Geschäftsbericht gibt Anhaltspunkte, dass die Abflüsse zwar abnehmen, aber noch immer nicht ganz gestoppt sind. Dort heisst es nun: «Im Jahr 2023 haben sich diese Abflüsse bisher weiter abgeschwächt.» Die Bank versuche nun, weiterhin Massnahmen zu ergreifen, um Kundengelder zurückzugewinnen. Doch dürfte der Rückgang an verwalteten Vermögen zu kleineren Einnahmen führen. Daher wird das Vermögensverwaltungsgeschäft im 1. Quartal des aktuellen Geschäftsjahres wohl einen Verlust schreiben.
«Wir kaufen keine Kundenvermögen.»
Die Bank versuche, frische Kundengelder anzuziehen. Doch geschehe das laut Bankchef Körner nicht mit unüblichen Sonderkonditionen. Er sagte am Dienstag an einer Konferenz: «Wir kaufen keine Kundenvermögen.» Wegen der sinkenden Kosten soll das Vermögensverwaltungsgeschäft aber schon bald wieder Gewinne schreiben. Die Gesamtbank wird aber auch in diesem Jahr rote Zahlen schreiben. Erst 2025 soll der Umbau abgeschlossen sein. «Ich bin super zuversichtlich, dass wir unsere Ziele für 2025 erreichen werden», so Körner.
Riesige Antrittszahlungen für neue Chefinnen und Chefs
Die Bank hat im letzten Jahr die Geschäftsleitung fast komplett erneuert. Die neuen Geschäftsleitungsmitglieder liessen sich ihre Wechsel zur CS und ihre damit verlorenen Boni bei den vorherigen Arbeitgebern für gutes Geld abgelten. Technologiechefin Joanne Hannaford (6 Millionen Franken), Risikochef David Wildermuth (10 Millionen Franken) und Vermögensverwaltungschef Francesco De Ferrari (3,5 Millionen Franken) erhielten dafür Barauszahlungen.
De Ferrari kann auf weitere Boni in der Form von Aktien im Umfang von 1,7 Millionen Franken hoffen. Der neue Finanzchef Dixit Joshi erhielt im ersten Quartal eine Ausgleichszahlung von rund 7 Millionen Franken.
«Für 2022 wurden die Anforderungen an den Aktienbesitz erhöht, um die Interessen der Aktionäre besser zu berücksichtigen.»
Die CS-Führungskräfte müssen künftig mehr Aktien der Bank halten, damit sie eine stärkere Verpflichtung gegenüber der Bank eingehen. So heisst es im Vergütungsbericht: «Für 2022 wurden die Anforderungen an den Aktienbesitz erhöht, um die Interessen der Aktionäre besser zu berücksichtigen.»
Weil aber im letzten Jahr so viele Wechsel in der Geschäftsleitung stattfanden, besitzen mehrere Geschäftsleitungsmitglieder noch keine Aktien. Per Ende des letzten Jahres galt das für Francesca McDonagh, Chefin für operative Aufgaben, Rechtschef Markus Diethelm und Finanzchef Dixit Joshi.
Nur zwei der elf Mitglieder erfüllten zu jenem Zeitpunkt die Mindestquote. Daher gilt: Bankchef Körner und die anderen Vorstandsmitglieder dürfen keine Aktien verkaufen, bis sie die Mindestbeteiligung erfüllt haben — ausser es ist notwendig, um die steuerlichen Verpflichtungen für die entsprechenden Aktien zu erfüllen.
Präsident verzichtet auf 1,5 Millionen
Die Gesamtvergütung des Verwaltungsrats zwischen den Generalversammlungen 2022 und 2023 betrug 10,4 Millionen Franken gegenüber 11,7 Millionen im Jahr davor. Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann erhielt eine Vergütung von 3,2 Millionen Franken. Für sein erstes volles Jahr im Amt verzichtet er freiwillig auf eine Entschädigungsgebühr von 1,5 Millionen Franken, die ihm als Vorsitzender des Aufsichtsgremiums zugestanden hätte.
Für die Periode zwischen den Generalversammlungen 2023 und 2024 sollen die Verwaltungsräte erneut mit bis zu 13,0 Millionen entschädigt werden.
Die Credit Suisse hatte 2022 das schlimmste Geschäftsjahr seit der Finanzkrise 2008 erlebt. Bereits im Jahr davor hatte die Grossbank einen Verlust von 1,6 Milliarden Franken erlitten. Die Schweizer Grossbank kämpft zudem mit hohen Geldabflüssen: Im vergangenen Jahr zogen Kunden rund 123 Milliarden Franken ab.
Kritik am Nachhaltigkeitsbericht
Die Bank legte am Dienstag auch ihren Nachhaltigkeitsbericht vor. Dieser wird von der Nichtregierungsorganisation Shareaction als zu wenig ambitioniert kritisiert. Kelly Shields, Kampagnen- und Projektmanagerin bei der Organisation, sagt: «Die Bank muss dringend ihre Öl- und Gaspolitik verbessern.»
Diese gehöre zu den schwächsten im europäischen Bankensektor, solange die CS keinen verbindlichen Fahrplan aufzeige, wie sie aus der Finanzierung von Öl- und Gasförderer aussteigen wolle, müssten die Aktionäre die Bank weiterhin zu mehr Ehrgeiz in Sachen Klimaschutz drängen.
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