Über 7 Milliarden VerlustHorrorjahr für die Credit Suisse
Die angeschlagene Bank schloss das vergangene Jahr mit einem Minus von 7,3 Milliarden Franken ab. Und sie hat auch für 2023 Hiobsbotschaften. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Mit einem Verlust von 7,3 Milliarden Franken wird 2022 als eines der schlimmsten überhaupt in die Geschichte der zweitgrössten Schweizer Bank eingehen. Die Credit Suisse hat in riesigem Umfang Kundengelder verloren und steckt mitten in einem radikalen Umbau – inklusive eines umstrittenen Geschäfts mit einem ehemaligen Verwaltungsrat. (Lesen Sie hier den Kommentar dazu).
Wir zeigen, wie es dazu gekommen ist und wie es mit der Grossbank weitergeht.
Woher stammt der Riesenverlust?
Die Credit Suisse hat sieben der vergangenen neun Quartale in den roten Zahlen abgeschlossen. Hohe Kosten, drastische Wertberichtigungen und der Abfluss von Kundengeldern sind dafür mitverantwortlich.
Trotz des hohen Verlustes ist die Grossbank immer noch mit ausreichend Kapital ausgestattet. Das sogenannte harte Kernkapital ist per Ende Jahr auf 14,1 Prozent gestiegen und liegt damit weit über den regulatorischen Mindestanforderungen der Finma.
Wie haben die einzelnen Geschäftsbereiche abgeschnitten?
Am stärksten war der Rückgang bei der Investmentbank. Neben der Reorganisation hat sich das Marktumfeld zu Ungunsten der Credit Suisse entwickelt. Im vergangenen Jahr sind deutlich weniger Firmen an die Börse gegangen, und es haben auch weniger Übernahmen statt gefunden.
Im vierten Quartal sind neu auch die Vermögensverwaltung für reiche Kunden (Wealth Management) und die Vermögensverwaltung für institutionelle Kunden (Asset Management) in die Verlustzone geraten.
Vergleichsweise stabil hat sich einzig das Geschäft auf dem Heimmarkt (Swiss Bank) entwickelt. Hier erwirtschaftete die Bank sogar einen Gewinn.
Besonders schmerzhaft: Im Oktober und November haben Kunden hohe Volumen an Kundengeldern abgezogen, vor allem in der Vermögensverwaltung. Alleine im vierten Quartal waren es 110 Milliarden Franken. Über das ganze Jahr gesehen summierten sich die Abflüsse auf 123 Milliarden Franken.
Wurde der Abfluss der Kundengelder mittlerweile gestoppt?
Ja, sagt zumindest die Credit Suisse. «Wir haben im Januar Zuflüsse gesehen», sagte Bankchef Ulrich Körner. Verzeichnet wurden sie in der Vermögensverwaltung, insbesondere in Asien, und in der Swiss Bank.
Bis Kundinnen und Kunden allerdings sämtliche Gelder, die im vierten Quartal von der Bank abgezogen worden sind, wieder zurück zur Credit Suisse bringen, wird es dauern. Wie viel Vermögen sie verwaltet, ist für eine Bank wichtig. Davon hängen die künftigen Einnahmen ab, und erst diese sorgen dafür, dass die Bank aus den roten Zahlen kommt – nicht zuletzt weil sich die Credit Suisse nach ihrem Umbau stärker auf die Vermögensverwaltung für reiche Privatkunden konzentrieren will.
Um Kunden und deren Vermögen zurückzugewinnen, seien «umfassende Massnahmen» ergriffen worden, lässt die Grossbank verlauten. Fachleute gehen jedoch davon aus, dass die Credit Suisse besonders wichtigen Kunden Sonderbedingungen bietet – ähnlich, wie es die UBS nach der Finanzkrise machen musste. Die Bank verneint dies. Vermögenswerte würden keine zurückgekauft, sie biete wettbewerbsfähige Konditionen.
Wie läuft der angekündigte radikale Umbau?
Bankchef Ulrich Körner hat am Donnerstag betont, dass die Credit Suisse damit rascher voran schreite, als ursprünglich geplant. Die Grossbank will ihre Investmentbank umbauen und sich hauptsächlich auf die Vermögensverwaltung und das Geschäft in der Schweiz konzentrieren. Zudem muss sie wegen der schrumpfenden Erträge sparen. Bis Ende 2025 will sie ihre Kosten um rund 2,5 Milliarden Franken senken.
Bereits über die Bühne gegangen ist die Kapitalerhöhung, und eine erste Tranche des Verbriefungsgeschäfts wurde an den US-Finanzinvestor Apollo verkauft. Noch im Gang ist ein grosser Personalabbau. Rund 9000 Stellen werden in den kommenden drei Jahren gestrichen. Im vierten Quartal fielen 4 Prozent der Arbeitsstellen weg. Überdurchschnittlich stark war der Abbau in der Investmentbank.
Wie kommt die Verkleinerung der Investmentbank voran?
Die Grossbank will einen Teil ihrer Investmentbank in eine neu gegründete CS First Boston auslagern. Dazu hat sie am Donnerstag den Kauf der Investmentbank des US-Finanzinvestors Michael Klein bekannt gegeben. Dieser erhält dafür rund 175 Millionen Dollar.
Das ist aus der Sicht der «Good Governance» ein durchaus umstrittener Schritt. Klein kumuliert verschiedene Ämter in seiner Person. Bis vor Kurzem war er Mitglied im Verwaltungsrat der Grossbank. Nun wird er designierter Chef der neuen CS First Boston und nimmt gleichzeitig auch noch Einsitz in der Geschäftsleitung der Credit Suisse.
In zwei Jahren könnte CS First Boston bereits an die Börse kommen. Für das neue Konstrukt sagt die Credit Suisse Erträge in der Höhe von mehr als 2,5 Milliarden Dollar vorher. Für sie ist dies eine riskante Wette, nicht zuletzt weil unklar ist, wann das Geschäft in diesem Bereich wieder anzieht.
Wie hoch fallen die Boni der Banker aus?
Für das vergangene Jahr verzichtet die Geschäftsleitung aufgrund des schlechten Geschäftsgangs auf variable Vergütungen. Die übrigen Angestellten der Bank müssen eine Reduktion ihrer Boni um die Hälfte hinnehmen.
Eine Gruppe soll allerdings trotzdem belohnt werden. Den sogenannten Transformation Award gibt es für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die neben ihrer üblichen Tätigkeit wichtige Aufgaben beim Umbau der Credit Suisse zu erfüllen haben – «unabhängig von der Hierarchie», wie Bankchef Körner betont.
Wie hoch die Sonderzulage ausfällt und wer in den Genuss davon kommt, gibt die Credit Suisse nicht bekannt. Ein paar Hundert Mitarbeitende könnten es laut informierten Kreisen sein. Ausbezahlt wird die Zulage ab 2025, sofern die Ziele des Umbaus erreicht wurden.
Schreibt die Credit Suisse 2023 schon wieder Gewinn?
Nein. Im ersten Quartal kann sie zwar den Verkaufserlös des Verbriefungsgeschäfts in der Höhe von 800 Millionen Dollar verbuchen. Trotzdem stellt die Bankführung im Wealth Management und der Investmentbank einen Verlust in Aussicht.
Für das ganze Jahr erwartet die gesamte Credit-Suisse-Gruppe einen «erheblichen» Vorsteuerverlust. 2024 will sie dann erstmals seit Jahren profitabel sein, wie Körner versichert.
Zumindest Anlegerinnen und Anleger zeigten wenig Vertrauen. Die Aktien der Grossbank fielen am Donnerstag wieder unter die Marke von 3 Franken. Zeitweise fielen sie um mehr als 16 Prozent. Zum Börsenschluss war eine Aktie noch 2.77 Franken wert – minus 14,7 Prozent. Innerhalb eines Jahres haben die Papiere mehr als zwei Drittel ihres Wertes eingebüsst.
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