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Nach Kickls Durchbruch in Österreich
Könnte Alice Weidel jetzt deutsche Kanzlerin werden?

Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, spricht im Bundestag am 16. Dezember 2024 vor einer Misstrauensabstimmung gegen Kanzler Olaf Scholz.
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Donald Trump in den USA, Javier Milei in Argentinien, Giorgia Meloni in Italien, Geert Wilders in den Niederlanden, nun Herbert Kickl in Österreich, bald vielleicht Marine Le Pen in Frankreich, Nigel Farage in Grossbritannien – und Alice Weidel in Deutschland?

Der Aufstieg von rechtspopulistischen bis rechtsextremistischen Politikerinnen und Politikern, geebnet meist durch gemässigt Konservative, geht um die Welt. Nirgends aber scheint der Weg zur Macht noch weiter als für Weidels Alternative für Deutschland (AfD). Warum das so ist – und warum die Zukunft trotzdem offen scheint.

Kann Alice Weidel deutsche Kanzlerin werden?

Dass Herbert Kickl in Österreich als erster FPÖ-Politiker Kanzler werden könnte, beflügelt auch die AfD. Alice Weidel rief den Kanzlerkandidaten der Christdemokraten, Friedrich Merz, umgehend dazu auf, die «Brandmauer» nun Brandmauer sein zu lassen und nach der Wahl Ende Februar mit der AfD zusammen eine Regierung zu bilden. Die AfD ist laut Umfragen derzeit mit 19 Prozent zweitstärkste Partei; CDU und CSU stehen bei 32 Prozent.

Zurzeit schliessen allerdings alle etablierten deutschen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch aus. Weidels Partei wolle die liberale Gesellschaftsordnung stürzen und gefährde die Demokratie, so das Argument. Der Verfassungsschutz betrachtet die AfD als «rechtsextremistischen Verdachtsfall», einzelne Landesverbände gelten schon länger als «gesichert rechtsextrem». Längst hat eine Debatte begonnen, ob man die Partei verbieten müsse. Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche «Brandmauer» gegen die AfD nach der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar einstürzt, ist winzig bis nicht existent.

Worin bestehen die Unterschiede zu Österreich?

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich nach der militärischen, politischen und moralischen Katastrophe von Hitler-Diktatur, Weltkrieg und Holocaust 1949 auf dem Versprechen «Nie wieder!» neu gegründet. Wie kaum ein anderes Land hat sich Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten seiner historischen Verantwortung gestellt und den Rechtsextremismus geächtet. Nirgends dauerte es deswegen auch länger als hier, bis sich eine in Teilen rechtsextremistische Partei wieder im nationalen Parlament etablieren konnte – der AfD gelang dies 2017.

Die Vorläufer der österreichischen FPÖ wurden hingegen noch von Altnazis gegründet. Ihr Tribun Jörg Haider baute die Partei in den 1990er-Jahren zu einer modernen und bei Wahlen erfolgreichen rechtspopulistischen bis rechtsextremistischen Bewegung um – als einer der Pioniere in Europa. Seit 2000 regierte die FPÖ im Bund bereits dreimal als Juniorpartner mit (2000-2003, 2003-2005, 2017-2019), nun könnte sie erstmals den Kanzler stellen. Anders als die AfD in Deutschland ist die FPÖ derzeit auch in fünf (von neun) Landesregierungen vertreten. Eine «Brandmauer» gegen sie hat es in Österreich im Grunde nie gegeben. Das Land sei Deutschland deswegen weit voraus, kommentierte Björn Höcke die jüngste Entwicklung in Wien. Er meinte es anerkennend und bedauernd zugleich.

Wie fest steht die «Brandmauer» von CDU und CSU?

Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU, gestikuliert während seiner Rede auf der CDU-Konferenz in Essen, Nordrhein-Westfalen.

Extrem rechte Bewegungen gelangen in der Regel nur an die Macht, wenn gemässigte Konservative sie ihnen anvertrauen – oft im Glauben, diese so besser mässigen oder kontrollieren zu können. In Deutschland ist deswegen die Haltung der Christdemokraten zur AfD entscheidend. CDU und CSU bilden gleichzeitig auch die letzte grosse, klassische christdemokratische Partei in Europa.

Für CDU-Chef Friedrich Merz ist es unvorstellbar, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Er hat dies nicht nur unzählige Male öffentlich beteuert, sondern ist auch davon überzeugt. Merz findet die AfD widerlich und gefährlich. Eingeweihte sagen, er grüsse deren Politiker nicht einmal, wenn er sie im Bundestag im Lift treffe. CDU und CSU haben aus den Erfahrungen ihrer Schwesterparteien im Ausland gelernt, dass die Rechtsextremen mit ihnen nicht zusammenarbeiten, sondern sie zerstören wollen. Merz wiederum weiss, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD die CDU und die CSU innerlich zerreissen würde.

Unter welchen Voraussetzungen könnte sich das ändern?

Ein möglicher Kipppunkt könnte erreicht sein, wenn die AfD bei Bundestagswahlen CDU und CSU überflügelt und stärkste Partei wird. In Thüringen war das bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst erstmals der Fall. Allerdings bildete die CDU in der Folge in Thüringen wie auch in Sachsen ebenso ungerührt eine Regierung an der AfD vorbei wie die Sozialdemokraten in Brandenburg – in beiden Ländern lag die AfD fast gleichauf mit den Wahlsiegern. Derzeit würden auch im Bundestag die anderen Parteien eine Regierung gegen die AfD bilden, stünde diese am Abend des 23. Februar auf Platz 1.

Diese Gleichung könnte sich allerdings verändern, sollte sich die AfD politisch wandeln, um näher an die Macht zu rücken. Anders als vergleichbare Parteien im Ausland hat sich die Partei in den vergangenen Jahren nämlich weiter radikalisiert, nicht gemässigt. Weidel ist zwar keine Rechtsextremistin wie Höcke, duldet die Extremisten aber neben sich. Solange die AfD nicht bereit ist, dem Radikalismus in ihren Reihen Grenzen zu setzen, dürfte ihr der Weg an die Macht in Deutschland dauerhaft verwehrt bleiben.

Muss das immer so bleiben?

In der AfD wie bei CDU und CSU schielt man bereits auf die übernächste Bundestagswahl 2029: mit Hoffnung bei den Radikalen, mit Sorge bei den Bürgerlichen. Wird Merz Kanzler, wird von ihm eine konservative Zeitenwende erwartet – was allerdings schwerfallen dürfte, wenn er, wie die Umfragen nahelegen, mit Sozialdemokraten oder Grünen koalieren muss, um eine Mehrheit zu bilden.

Versinke die neue Regierung in Streit und Chaos wie die letzte, so die Sorge bei den Christdemokraten, könnte erneut die AfD davon profitieren und 2029 sogar stärkste Partei werden. Denkbar ist freilich auch, dass CDU und CSU durch überzeugendes Regieren die AfD wieder schrumpfen. Die Opposition gegen eine bürgerliche Regierung dürfte der AfD jedenfalls weniger leicht fallen als wie zuletzt gegen die irrlichternde Ampel-Koalition.