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AfD gegen die Bundesrepublik
Gefahr für die Demokratie? Die AfD wehrt sich vor Gericht

31.01.2024, Thüringen, Erfurt: Björn Höcke, AfD-Fraktionschef, spricht im Plenarsaal des Thüringer Landtags. Die Abgeordneten des Thüringer Landtags diskutieren auf Antrag der Fraktion der CDU zu dem Thema: "Respekt und Unterstützung für unsere Thüringer Landwirte und Spediteure - Bezahlbare Versorgung für Bürger und Wirtschaft sichern·. Foto: Martin Schutt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Martin Schutt)
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Seit drei Jahren stuft der deutsche Verfassungsschutz die Alternative für Deutschland als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Das heisst, als eine vermutlich «gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebung», wie es im charakteristischen Tonfall des Grundgesetzes heisst.

Die Partei hat gegen diese Einstufung geklagt, ist damit aber im März 2022 vor dem Verwaltungsgericht Köln unterlegen. Am Dienstag und Mittwoch wird der Fall nun in zweiter Instanz verhandelt, am nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht in Münster.

In Wahrheit geht es dabei um weit mehr als um die Details einer behördlichen Einstufung, das zeigt schon der Titel, unter dem die insgesamt drei Verfahren stehen: «AfD gegen die Bundesrepublik Deutschland». Die Frage lautet: Handelt der Verfassungsschutz rechtmässig, wenn er die AfD für eine Gefahr für die Demokratie hält und deswegen mit geheimdienstlichen Mitteln beobachtet? Oder geht er zu weit?

Die Frage ist politisch höchst umstritten, nicht nur unter den Kontrahenten vor Gericht, sondern auch in Politik und Gesellschaft. Je erfolgreicher die AfD bei Wählerinnen und Wählern ist, desto entschiedener wird sie von ihren Gegnern als extremistisch und gefährlich abgelehnt – oft gestützt auf Einschätzungen des Verfassungsschutzes. Zuletzt gingen Millionen von Deutschen auf die Strasse, um gegen die Partei zu demonstrieren. Viele verlangten dabei ihr Verbot.

Die AfD sieht sich als Opfer des Staatsapparats

Der Verfassungsschutz jedenfalls, der sich von Amtes wegen um extremistische Gruppen kümmert, hält die AfD potenziell für einen Feind, vor dem man die Demokratie schützen müsse. Die Partei handkehrum sieht in den Regierenden ihren Feind und glaubt, den «Volkswillen» gegen sie behaupten zu müssen.

Die AfD versteht sich als Opfer eines übergriffigen Staatsapparats, der die freie Meinung einschränken wolle. Der Verfassungsschutz sei keine neutrale Instanz, sondern der Erfüllungsgehilfe der «Altparteien», die sich mit seiner Hilfe einen unliebsamen Konkurrenten vom Leib halten wollten.

epa11149786 President of the German Federal Office for the Protection of the Constitution (Bundesamt fuer Verfassungsschutz, BfV), Thomas Haldenwang, gestures during a press conference at the Haus der Bundespressekonferenz in Berlin, Germany, 13 February 2024. German Interior Minister Nancy Faeser, President of the German Federal Office for the Protection of the Constitution (Bundesamt fuer Verfassungsschutz, BfV) Thomas Haldenwang, and Federal Criminal Police Office (Bundeskriminalamt, BKA) President Holger Muench talked about the current measures against right-wing extremism.  EPA/CLEMENS BILAN

Thomas Haldenwang, seit 2018 Präsident des Bundesverfassungsschutzes, ist dabei zu einer Art Lieblingsgegner der AfD avanciert. Je eindringlicher der Chef des Inlandgeheimdienstes vor den extremistischen Tendenzen der Partei warnt, desto häufiger zieht diese ihn vor Gericht, fühlt sich von ihm politisch verfolgt und verhetzt. Haldenwang wiederum sagt, er tue nur seine «Pflicht». Er alarmiere bei allen Extremisten, seien sie Islamisten, Antikapitalisten oder Identitäre.

Anders als bei früheren rechtsextremistischen Parteien genügt es bei der AfD nicht, ihr Programm auszuwerten, um zu belegen, dass sie keine Partei wie jede andere ist. Dort bemüht sich die AfD nämlich auffallend um einen verfassungs- und rechtstreuen Eindruck. Geredet wird in der Partei aber ganz anders, und zwar von ihren prägenden Exponentinnen und Exponenten.

20’000 Seiten extremistisches Material

20’000 Seiten und Hunderte von Stunden Videos hat der Verfassungsschutz offenbar intern bereits gesammelt, um die Verfassungsfeindlichkeit der AfD zu beweisen. Vor Gericht in Münster hat er einen Satz von 4264 Seiten und 116 Stunden Bild- und Tonmaterial eingereicht.

Belegen sollen die Dokumente insbesondere, dass die AfD eine im Kern völkische und rassistische Partei sei und damit gegen die «Menschenwürde» nach Artikel 1 des Grundgesetzes verstosse sowie gegen das Diskriminierungsverbot von Artikel 3.

Hält man sich an frühere Urteile des Bundesverfassungsgerichts, dürfte vor allem die rabiate Fremdenfeindlichkeit der AfD die Menschenwürde verletzen. Diese ist gut belegt: Quasi täglich sprechen Politikerinnen und Politiker der Partei davon, dass wegen der Einwanderung «Umvolkung» und «Volkstod» drohten, und grenzen «Volks»- und «Staatszugehörige» voneinander ab.

AfD-Leute fordern eine weitgehende Entrechtung von Migranten und «Passdeutschen» und wollen durch millionenfache «Remigration» «nicht assimilierter» Einwanderer und ihrer Helfer das deutsche Volk wieder «rein» machen. Die jüngsten Demonstrationen gegen die AfD hatten sich exakt an solchen Planspielen entzündet.

Nächste Einstufung droht – und ein Verbotsantrag?

Björn Höcke etwa, Chef der AfD in Thüringen, sagte schon 2018, dass man beim «Remigrationsprojekt» um eine «Politik der wohltemperierten Grausamkeit» wohl nicht herumkommen werde. Man werde dabei «ein paar Volksteile verlieren, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen». Höcke gilt schon länger als ideologischer Anführer der Partei.

Der Verfassungsschutz wird vor Gericht argumentieren, Leute wie Höcke prägten die AfD. Die Partei wird erwidern, seine und andere angeführte Äusserungen seien nur Einzelstimmen, die mit der Ausrichtung der Gesamtpartei wenig zu tun hätten.

Gewinnt der Verfassungsschutz vor Gericht, wird die AfD wohl erneut in Berufung gehen, diesmal vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Behörde selbst, so berichtete jedenfalls die «Süddeutsche Zeitung», habe die Arbeit an einem neuen Gutachten bereits weitgehend beendet und neige dazu, die AfD bald als «gesichert extremistische Bestrebung» einzustufen. Dann würde sich der Politik die Frage eines Verbots der Partei mit neuer Dringlichkeit stellen.