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Neuer Vorstoss gegen die AfD
Soll Höcke aus der Politik verbannt werden?

A demonstrator holds up a placard showing Thuringia's AfD leader Bjoern Hoecke giving the Nazi salute and reading "Never Again" as activists from different groups demonstrate against right extremism and the policy of Germany's far-right the Alternative for Germany (AfD) party in front of the Brandenburg Gate in Berlin, Germany on January 14, 2024. The action group organised the demonstration in a reaction to reports that officials from Germany's far-right AfD attended a meeting with an Austrian extremist leader to discuss a proposal for mass deportations of immigrants. Citing undercover research, investigative media outlet Correctiv had reported that Martin Sellner, who leads the white pride Identitarian Movement in Austria, had presented a plan to "reverse the inward migration of foreigners", and remove migrants and asylum seekers instead. (Photo by Adam BERRY / AFP)
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Zehntausende sind in den vergangenen Tagen gegen die Alternative für Deutschland auf die Strassen gegangen, in Potsdam, Berlin, Leipzig, Rostock oder Essen. Die Menschen demonstrierten ihre Abscheu vor publik gewordenen Plänen der Partei, Menschen mit Migrationsgeschichte millionenfach aus Deutschland zu deportieren.

Angesichts stetig steigender Umfragewerte der rechtsradikalen Partei scheint das Bewusstsein dafür zu wachsen, welche Gefahr die AfD bedeuten könnte, sollte sie an die Macht gelangen. Gleichzeitig wirken Politik und Medien ratlos, wenn es um Wege geht, wie der Höhenflug der Partei gebremst werden könnte.

In der Politik kommen Verbote bislang schlecht an

Als Indiz dafür mag gelten, dass vermehrt über Verbote der Partei oder einzelner ihrer Landesverbände debattiert wird – eine extreme Massnahme, die das deutsche Grundgesetz aber ausdrücklich zulässt, um gegen Verfassungsfeinde vorzugehen. In der Politik will davon derzeit aber kaum jemand etwas wissen: Die rechtlichen Hürden für ein Verbot scheinen zu hoch, politisch würde es den Vorwurf erhärten, die etablierten Parteien wollten sich eines unliebsamen Konkurrenten entledigen.

In den letzten Tagen ist nun ein neuer Vorschlag populär geworden, den die frühere Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff im vergangenen Oktober in einem Fachartikel skizzierte: Statt eine ganze Partei zu verbieten, könnte man unter Zuhilfenahme von Artikel 18 des Grundgesetzes einzelnen erwiesen extremistischen Exponenten politische Rechte entziehen – etwa das Wahlrecht oder die Wählbarkeit. Dieser Eingriff wäre zielgenauer und liesse sich schneller realisieren.

Eine Million Unterschriften

Eine Online-Petition nahm Lübbe-Wolffs Vorschlag auf und begann, Unterschriften zu sammeln: Bundeskanzler Olaf Scholz und die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien des Bundestags mit Ausnahme der AfD werden aufgefordert, beim Bundesverfassungsgericht den Entzug der politischen Grundrechte von Björn Höcke zu beantragen. In den letzten Tagen schnellte die Zahl der Unterschriften von 300’000 auf über eine Million.

ARCHIV - 17.11.2023, Thüringen, Pfiffelbach: Björn Höcke, AfD-Landeschef, sitzt im Saal des Hotel Pfiffelburg während des Landesparteitags der AfD. Informelle Treffen politisch Gleichgesinnter sind nicht nur im rechten Spektrum Normalität. Kontakte zwischen AfD-Politikern und Aktivisten der sogenannten Neuen Rechten sind nicht neu. Weshalb sorgt eine Zusammenkunft in Brandenburg jetzt dennoch für Aufsehen? Foto: Martin Schutt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Martin Schutt)

Höcke, Landeschef in Thüringen, führt die AfD aus dem Hintergrund und könnte nach den Landtagswahlen im Herbst Ministerpräsident werden. Landes- und Bundesverfassungsschutz halten ihn für erwiesen rechtsextrem.

Die scharfen Schwerter der «wehrhaften Demokratie»

Artikel 18 zur «Grundrechtsverwirkung» gehört wie Artikel 21, Absatz 2 (Parteiverbote) zu den scharfen Schwertern der «wehrhaften Demokratie», als die sich die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg neu gründete. Sie sollen verhindern, dass Anti-Demokraten noch einmal die Demokratie nutzen, um diese abzuschaffen, wie einst in der Weimarer Republik.

Bis anhin ist der Artikel in der Bundesrepublik toter Buchstabe geblieben: 1960, 1974 und 1996 scheiterten vier Versuche gegen rechtsextreme Politiker – jeweils nicht vor dem Bundesverfassungsgericht, sondern schon auf dem Weg dorthin. Auch auf die aktuelle Forderung, ihn auf Höcke anzuwenden, reagierten die anderen Parteien skeptisch bis ablehnend: Die Politik habe die Aufgabe, dem Aufstieg der AfD mit politischen Mitteln zu begegnen – nicht diese samt ihren Anhängern aus der Demokratie auszuschliessen. Zudem bestehe die Gefahr, Höcke zum Märtyrer zu machen.

Die Ideengeberin bleibt selbst skeptisch

Auch Gertrude Lübbe-Wolff, die juristische Ideengeberin, warnt vor Illusionen: Gegen das Misstrauen vieler Menschen gegen die etablierten Parteien oder das politische System insgesamt helfe nur eine Politik, «die sich entschlossener und realistischer den nicht verfassungsfeindlichen Anliegen der Bürger zuwendet. Ohne eine in der Mehrheit abwehrbereite Bürgerschaft, die sich demokratiewidrigen Bestrebungen widersetzt, nützt auf Dauer auch das beste verfassungsrechtliche Abwehrsystem nichts.»