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Meinung

Wahlerfolge in Bayern und Hessen
Die AfD träumt jetzt von der Macht

dpatopbilder - 08.10.2023, Hessen, Wiesbaden: Robert Lambrou (2.v.r), Co-Landesvorsitzender der AfD Hessen, und Bundessprecherin Alice Weidel jubeln über die erste Prognose bei der Landtagswahl in Hessen. In Hessen fand am Sonntag die Wahl zum 21. Hessischen Landtag statt. Foto: Helmut Fricke/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Es gibt Bilder, auf denen fliegt Alice Weidel quasi in der Luft. Die Freude über die Spitzenergebnisse war am Sonntagabend so beflügelnd, dass die AfD-Chefin inmitten ihrer Parteifreunde ausgelassener jubelte als jemals zuvor.

18,6 Prozent der Stimmen gewann die Alternative für Deutschland in Hessen, sie pulverisierte damit ihren Rekord bei einer westdeutschen Landtagswahl. In Bayern erzielte sie 14,6 Prozent, und dies, obwohl die rechtspopulistischen Freien Wähler mit 16 Prozent eine starke Konkurrenz waren.

«Die gesellschaftliche Verankerung der AfD kommt voran.»

Beatrix von Storch, AfD

«Die Rekordergebnisse geben unserer Politik recht», freute sich Weidel. Es sei eine «Denkzettelwahl» gegen die Ampel-Regierung in Berlin gewesen, die «Politik gegen die eigene Bevölkerung» betreibe. «Die gesellschaftliche Verankerung der AfD kommt voran», meinte Beatrix von Storch und sah ein Indiz dafür im Umstand, dass in Hessen 40 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter ihre Partei gewählt hatten.

09.10.2023, Berlin: Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, nimmt an einer Pressekonferenz in der Bundespressekonferenz nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen teil. Foto: Fabian Sommer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Fabian Sommer)

Weidel betrachtet die Erfolge in Hessen und Bayern freilich nur als Zwischenziele. Unter dem Hashtag #bereitfuermehr schürt die AfD seit einigen Monaten die Erwartung, die Partei werde bald auch da oder dort mitregieren. Vor allem auf die nächsten Landtagswahlen komme es an, jene im Herbst 2024 in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. In allen drei Ostländern gilt die AfD derzeit mit über 30 Prozent der Stimmen als stärkste Partei.

Wird Weidel bald Kanzlerkandidatin?

Spätestens dann werde die «Brandmauer» der anderen Parteien gegen die AfD einstürzen, glaubt Weidel. Und sollten sich die Christdemokraten einer Zusammenarbeit verweigern, würden ihr die Funktionäre im Osten «von der Fahne gehen». «Die Brandmauer bricht», sagt auch Robert Lambrou, Spitzenkandidat der hessischen AfD. «Die Frage ist nur, wann und wo.»

Die AfD wird im nächsten Jahr entscheiden, ob sie erstmals in ihrer zehnjährigen Geschichte eine Kanzlerkandidatur wagt – Weidel sieht sich selbst als mögliche Kandidatin. Solange die AfD in den Umfragen vor der Kanzlerpartei SPD stehe, meinte die 44-Jährige am Wahlabend, sei die Partei dafür alleweil legitimiert.

Viele wählen die AfD aus Überzeugung

Dank Nachwahlbefragungen, welche die ARD durchführen liess, weiss man über die Motive der Menschen, die in Bayern und Hessen die AfD wählten, relativ gut Bescheid. In Bayern etwa war für 55 Prozent der AfD-Wählenden die «zu grosse Zuwanderung» nach Deutschland der wichtigste Grund. Auch die «fehlende Sicherheit» wurde oft als Motiv genannt, ebenso die Angst, bei gewissen Themen ausgegrenzt zu werden, wenn man die eigene Meinung sage.

In Hessen wählten 52 Prozent die AfD «aus Enttäuschung über die anderen Parteien», in Bayern eine relative Mehrheit von 47 Prozent «aus Überzeugung». In Hessen sagten 80 Prozent und in Bayern 92 Prozent der AfD-Wählerinnen und -Wähler, ihnen sei es egal, dass die Partei in Teilen rechtsextrem sei, solange sie die «richtigen Themen» anspreche.

Schlüsselt man die Wahl soziodemografisch auf, zeigt sich, dass die AfD-Wähler eher männlich und eher mittelalt sind, eher in Dörfern oder kleinen Städten leben und am häufigsten aus dem Milieu der Arbeiter und Angestellten stammen. In Hessen gewann die AfD bei den Männern 22 Prozent der Stimmen, bei den Frauen nur 14 Prozent, in Bayern war das Verhältnis ähnlich (17 zu 12).

Die Analyse der Wählerwanderungen belegt, dass die AfD im Vergleich zu 2018 von allen Parteien Stimmen dazugewann: in Hessen etwa 32’000 von der SPD, 28’000 von der FDP und 15'000 von der Linkspartei, in Bayern 60’000 von den Freien Wählern, 40’000 von der FDP und 20’000 von den Grünen.

Der Unterschied zwischen Bayern und Hessen

In Bayern verlor die CSU 110’000 Stimmen an die AfD (holte aber auch 30’000 Stimmen von ihr zurück), die CDU in Hessen 40’000 Stimmen (bei einem Gewinn von 23’000). Unter dem Strich ist die Bilanz für die Union in Bayern also erheblich schlechter (minus 80’000) als im halb so bevölkerungsreichen Hessen (minus 17’000).

Fachleute sehen politische Gründe für die Differenz: Markus Söder bestritt seinen Wahlkampf in Bayern zu weiten Teilen mit Kulturkampf gegen die Grünen und stärkte dabei offenbar auch das Narrativ der AfD (und der Freien Wähler); Boris Rhein, der in Hessen mit den Grünen regiert, enthielt sich scharfer Töne. Ob er die AfD damit tatsächlich bremste, lässt sich aber schwer nachweisen.

Die AfD wirkt jetzt schon

Gewiss ist freilich jetzt schon, dass die Erfolge der AfD Druck auf alle anderen Parteien ausüben, insbesondere in der Asylpolitik. Nicht nur die Wählerinnen und Wähler der AfD fordern bei diesem Thema eine Kehrtwende, sondern auch die der Union, der FDP und in Teilen die der SPD. 59 Prozent der Wählenden in Bayern und 53 Prozent in Hessen meinten, Deutschland könne die hohe Zahl der Flüchtlinge nicht mehr verkraften. «Wir sind nicht blind und taub», sagte dazu am Wahlabend Kevin Kühnert, Generalsekretär der Kanzlerpartei SPD.