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Wahlkampf gegen Nancy Faeser
Ein CDU-Mann lässt die Ampel für sich arbeiten

CDU-Wahlkämpfer Rhein auf der Lauterbacher Kirmes im Juni 2023
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Wer in ein hohes Staatsamt gelangt, ohne davor eine Volkswahl gewonnen zu haben, muss sich zuerst einmal bekannt machen, bevor an eine Bestätigung zu denken ist. Boris Rhein, seit 16 Monaten Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Hessen, hat sich dieser Aufgabe mit besonderer Inbrunst und Akribie angenommen.

Kein Volksfest war vor ihm sicher. Rhein posierte für Fotos, schüttelte Hände, durchschnitt Bänder, stach Bierfässer an, übernahm Patenschaften, hinterliess Grussworte, liess sich von Jahrmarktsbahnen durch die Luft wirbeln. «Grüssaugust» schimpfte ihn am Ende die sozialdemokratische Konkurrenz. Der Christdemokrat nahm es als Lob.

Einst nur eine «Verlegenheits­lösung»

Wie nötig die Operation «Rhein macht sich bekannt» war, zeigen Umfragen: Trotz vollen Körpereinsatzes kennt ein Fünftel der 6,4 Millionen Hessen seinen Regierungschef auch heute noch nicht. Dabei hat der 51-jährige Jurist in seiner Heimat durchaus schon etwas geleistet: Mit 38 Jahren wurde er 2010 hessischer Innenminister, ab 2019 präsidierte er den Landtag in Wiesbaden, durchaus zum Gefallen des Parlaments und der Medien.

Rhein hat aber eben auch schon eine kapitale Wahl verloren, 2012, als er bei der Wahl zum Oberbürgermeister von Frankfurt völlig überraschend einem mehr oder weniger Unbekannten unterlag. Auch als der altgediente Ministerpräsident Volker Bouffier im letzten Jahr einen Nachfolger suchte, war Rhein keineswegs erste Wahl. Aber weil alle anderen Kandidaten entweder dem grünen Koalitionspartner, der Basis der CDU oder deren Führung nicht passten, blieb am Ende Rhein übrig – ein Politiker, gegen den niemand wirklich etwas hatte.

A woman rides bicycle past election posters showing German Interior Minister Nancy Faeser, SPD top candidate and German Green Party's candidate Tarek Al-Wazir ahead state parliamentary elections in Frankfurt am Main, western Germany, on September 28, 2023. State parliamentary elections in Hesse are scheduled for October 8, 2023. (Photo by Kirill KUDRYAVTSEV / AFP)

Gemäss den letzten Umfragen dürfte Rhein die Landtagswahl am Sonntag mit grossem Abstand gewinnen: 15 Prozentpunkte liegt seine CDU vor den Grünen seines Stellvertreters Tarek Al-Wazir, den Sozialdemokraten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Alternative für Deutschland. Wie hat die «Verlegenheitslösung» das nur geschafft?

Rhein konzentrierte seinen Wahlkampf ganz auf Hessen, vermied laute Töne und Fehler – und vertraute ansonsten ganz darauf, dass der grosse Ärger über die Regierung von SPD, Grünen und FDP in Berlin seine Konkurrenz vor Ort klein hält. Sein Kalkül ging auf. Der Hesse brauchte nur zu betonen, wie gut er in seinem Land mit den Grünen regiert, um sicher zu sein, dass er vom unaufhörlichen Ampel-Gezänk in Berlin profitiert.

Auf Distanz mit Merz und Söder

Rhein legte im Wahlkampf bewusst auch ein wenig Distanz zwischen sich, Friedrich Merz und Markus Söder. Die Chefs von CDU und CSU hatten zuletzt vor allem die Grünen mit immer schärferen Worten angegriffen und eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene geradezu lustvoll ausgeschlossen.

Während Merz bei seinen Auftritten in Hessen Alfred Dregger und Roland Koch lobte, die den Landesverband in der Vergangenheit als polarisierende «Stahlhelm»-Truppe zum Erfolg geführt hatten, orientiert sich der amtierende Ministerpräsident eher an den Kollegen Hendrik Wüst und Daniel Günther, die ihrerseits in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein mit den Grünen gedeihlich zusammen regieren. Rhein ist ein Konservativer, ohne Frage, aber Kulturkampfparolen waren in seinem Wahlkampf nicht zu hören – ganz anders als beim Bayern Söder.

25.09.2023, Hessen, Frankfurt/Main: Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident von Hessen, geht im Verlagsgebäude eine Treppe hoch. Der Radiosender ·Hit Radio FFH· veranstaltet in den Räumen der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) eine Diskussionsrunde mit den Spitzenkandidaten von CDU, SPD und Bündnis90/Die Grünen zur Landtagswahl. Die Landtagswahl in Hessen soll am 8. Oktober 2023 abgehalten werden. Foto: Andreas Arnold/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Andreas Arnold)

Gleichzeitig vermied es Rhein geschickt, den empfindlichen Merz mit Kritik vor den Kopf zu stossen. Wurde er auf die neuste Polemik des Parteichefs angesprochen, antwortete er meist nur, das seien Merz’ Worte, nicht seine. Auch persönlicher Angriffe auf Al-Wazir und Faeser enthielt er sich konsequent: Mit einer der beiden Parteien wird er ja am Ende weiter regieren müssen.

Seine Frau mag die Grünen lieber

Seit 24 Jahren sind die Christdemokraten im einst roten Hessen an der Macht, die letzten zehn Jahre zusammen mit den Grünen – es war einst das erste schwarz-grüne Bündnis in Deutschland. Es ist gut möglich, dass es nach der Wahl vom Sonntag dabei bleibt.

Übrigens: Boris Rhein ist in Frankfurt aufgewachsen, der Wirtschaftsmetropole am Main, der Hessen nicht unwesentlich seinen Wohlstand verdankt. Seine Frau, die politisch eher den Grünen zuneigt als den Christdemokraten, arbeitet als Richterin. Die beiden haben zwei Söhne, 20 und 12 Jahre alt.