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Neuwahlen in Deutschland
Wagenknecht bekommt es mit der Angst zu tun

Sahra Wagenknecht, leader of the left-wing Sahra Wagenknecht Alliance (BSW) party, attends a session on November 13, 2024 at the Bundestag (lower house of parliament) in Berlin, following the breakdown of Chancellor Scholz' three-party coalition. Germany is headed for snap elections on February 23, the main parties agreed on November 12, aiming to form a stable government after Chancellor Olaf Scholz's three-party coalition collapsed on November 6, 2024. The agreement seeks to quickly restore political stability at a time when Europe's biggest economy is set to shrink for a second year in a row and amid heightened geopolitical volatility, with wars raging in Ukraine and the Middle East and president-elect Donald Trump readying to take power in the US in January 2025. (Photo by John MACDOUGALL / AFP)
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In Kürze:
  • Die vorgezogene Neuwahl setzt die kleine Partei unter enormen Druck.
  • Wagenknechts Ziel ist es, den Bundestag aufzumischen.
  • Trotz grossen Spenden fehlt es der Partei auch an Geld.

Wie es um die Koalitionsverhandlungen im deutschen Osten steht, ist zuweilen auch für Profis nicht leicht zu überblicken – und stets dreht sich die Aufregung um das Bündnis Sahra Wagenknecht.

Am heftigsten tobte der Streit in Thüringen. Katja Wolf, die starke Frau vor Ort, begann gegen den ausdrücklichen Wunsch der Parteigründerin mit Christ- und Sozialdemokraten zu verhandeln und musste sich in der Folge von Wagenknecht und ihren Getreuen öffentlich anhören, sie sei eine machtgeile Karrieristin und eine Schande für die Partei.

Besorgt um die Regierbarkeit ihres Bundeslandes, machte Wolf unbeirrt weiter. Wagenknecht ihrerseits begann, handverlesene Unterstützerinnen und Unterstützer in den thüringischen Landesverband einzuschleusen, um einen unliebsamen Koalitionsvertrag vor Ort ablehnen zu lassen. Während Wochen stand in Erfurt eine Spaltung der erst gerade gegründeten Partei im Raum.

Eine Zeit lang schien es, als mache sich Wagenknecht daran, die Koalitionsverhandlungen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg systematisch zu sabotieren. In allen drei Bundesländern können ohne ihre Partei keine Regierungen gebildet werden, die ohne die rechtsextreme AfD auskommen.

Dem Bündnis Sahra Wagenknecht fehlt es an Personal, Filialen und Geld

Die 55-Jährige war offenkundig der Ansicht, kompromisslose Oppositionspolitik könnte sich für ihre Partei mehr lohnen als mühselige Kleinarbeit in der ostdeutschen Provinz. Ihr eigentliches Ziel war und ist ja Berlin: Dort will sie künftig mit einer möglichst grossen Protesttruppe den Bundestag aufmischen.

Anfang November änderte sich auf einen Schlag die politische Gesamtlage. Nach dem Platzen der Ampel-Regierung wird der neue Bundestag nicht erst im nächsten Herbst, sondern schon im Februar gewählt. Die kurze Frist ist selbst für etablierte Parteien eine grosse Herausforderung, für ein neues Bündnis wie das von Wagenknecht aber eine echte Zerreissprobe.

Das Personal der Parteizentrale passe in zwei Taxis, sagte Generalsekretär Christian Leye kürzlich – die Apparate von CDU oder SPD sind im Vergleich dazu riesig. Noch gibt es nicht einmal in allen Bundesländern Filialen. Und trotz Spenden in Millionenhöhe fehlt es Wagenknecht an Geld. Erst kürzlich bat sie Unterstützerinnen und Unterstützer deswegen erneut um Hilfe.

Erstmals in der Geschichte der jungen Partei sinkt diese zudem in den Umfragen, je nach Institut an oder sogar unter die 5-Prozent-Schwelle. Auch Wagenknecht persönlich hat laut den Erhebungen an Vertrauen verloren, selbst unter Menschen, die sie eigentlich unterstützen.

Steffen Schuetz and Katja Wolf, co-chairs of left-wing Sahra Wagenknecht Alliance (BSW) party in Thuringia, present the coalition agreement in Erfurt, eastern Germany on November 22, 2024, following the September 1 state elections. (Photo by JENS SCHLUETER / AFP)

Die Parteigründerin reagierte, indem sie umsteuerte: Nachdem sie höchstpersönlich noch einige Lieblingsformulierungen in Katja Wolfs Koalitionsvertrag für Thüringen geschrieben hatte, lobte sie diesen nun auf einmal über den grünen Klee. Eine Passage gegen die geplante Stationierung von neuen amerikanischen Mittelstreckenraketen in Deutschland hatte sie mit dem künftigen CDU-Ministerpräsidenten Mario Voigt sogar über den Kopf von Wolf hinweg ausgehandelt.

Mittlerweile macht sich die Wagenknecht-Partei daran, in immerhin zwei der drei Bundesländer tatsächlich mitzuregieren. Nur in Sachsen, wo die Hürden anfänglich am niedrigsten schienen, ist eine Beteiligung geplatzt – an Wagenknechts vorschnellem Veto.

Bei den Verhandlungen ging es für sie in erster Linie darum, ihre Kritik an der Ukraine-Politik der Bundesregierung in möglichst ablehnende Formeln zu giessen. Dabei ist allen Beteiligten bewusst, dass die Länder in der Aussenpolitik eigentlich gar nichts zu sagen haben.

Aber gerade weil die Stellungnahmen zu Krieg und Frieden aus Dresden, Erfurt oder Potsdam nur symbolisch sein konnten, liess sich mit ihnen aus Wagenknechts Sicht formidabel Politik machen. Die Unterschiede in den «Friedensformeln», die im einen Fall zum Erfolg, im anderen Fall zur Aufkündigung von Verhandlungen geführt haben, sind bei Lichte besehen klein bis winzig. Nur nicht für Sahra Wagenknecht.