«Wir können die nächsten Wahlen gewinnen!»Die britischen Rechtspopulisten fühlen sich siegessicher
Hochstimmung bei der britischen Reform-Partei: Das neue Jahr bringt ihr einen Rekordzulauf, stetig wachsende Popularität und die Aussicht auf eine erstmals solide finanzielle Basis.
- Farages Partei übertrifft laut eigenen Angaben die britischen Konservativen an Beliebtheit.
- Die Reform-Partei wächst durch zunehmende Frustration mit der Labour-Regierung.
- Hürden durch britisches Wahlrecht schmälern den Reform-Partei-Erfolg.
- Musk und Trump erweisen sich als Helfer.
In Hochstimmung bringt das neue Jahr Nigel Farages Reform-Partei, die Partei der Rechtspopulisten in Grossbritannien. Die Partei glaubt die britischen Konservativen an Beliebtheit bereits übertroffen zu haben und erlebt einen Aufschwung, der auch Keir Starmers regierende Labour Party zutiefst beunruhigt in diesem Januar.
Auf dem ersten von vier regionalen Sonderparteitagen, die binnen einer Woche abgehalten werden sollen, erklärte Parteichef Farage am Wochenende im ostenglischen Chelmsford triumphierend: «Wir können die nächste Unterhauswahl gewinnen!» Der Auftrieb, den seine Partei derzeit in ganz Grossbritannien verspüre, sei «nur der Anfang» eines mittlerweile nicht mehr aufzuhaltenden Siegeszugs.
Zia Yusuf, der Generalsekretär der Reform-Partei, sah in seiner Rede auf dem Chelmsford-Parteitag Farage schon «als Premierminister in No 10 Downing Street einziehen»: «Der Wandel kommt. Wir werden das Steuer herumreissen hierzulande und dem Vereinigten Königreich wieder den ihm zukommenden Rang verschaffen – als eines der grössten Länder in der Welt.»
Tausend Konferenzteilnehmer applaudierten diesem Anspruch begeistert. Chelmsford hatte Farage zur ersten Illustration seiner Zuversicht für 2025 gewählt, weil es der Wahlkreis Kemi Badenochs, der Parteichefin der Konservativen, ist.
Die anhaltende Frustration kommt ihnen zugute
Nach Angaben der Reform-Partei haben die Rechtspopulisten die Tories in der Zahl ihrer Mitglieder bereits klar überflügelt. Während Badenochs Konservative auf rund 132’000 eingeschriebene Aktivisten kommen, will Reform es auf 170’000 geschafft haben am Wochenende. Tausende kommen offenbar jede Woche dazu.
Unübersehbar ist zugleich der generelle Aufschwung in der Gunst der Wähler dieser Tage. Die anhaltende Frustration mit den Konservativen und die immer spürbarere Unzufriedenheit mit dem Start der Labour-Regierung unter Keir Starmer in den letzten sechs Monaten sind der Reform-Partei als der selbst deklarierten «Partei für echten Wandel» zugutegekommen.
Von rund 15 Prozent im vergangenen Sommer sind die Rechtspopulisten in den Umfragen inzwischen auf über 20 Prozent geklettert. Mit den Tories liegen sie vielerorts gleichauf. Und einer Umfrage zufolge haben sie sogar schon Labour eingeholt. Viele der wichtigsten Minister der gegenwärtigen Regierung müssten bei einem entsprechenden Wahlausgang um ihre Wahlkreise fürchten, also um ihren Sitz im Unterhaus.
Einen entscheidenden Einfluss
Wegen des spezifischen britischen Wahlrechts sieht sich Farages Partei allerdings auch vor erheblichen Hindernissen. Und die nächsten Unterhauswahlen stehen erst für 2029 an.
Dass die Reform-Partei bis dahin stärkste Partei im Parlament werden könnte, glauben bislang nur wenige Beobachter. Selbst mit 120 der 650 Unterhaussitze, die ihnen das Forschungsinstitut Stonehaven zurzeit voraussagt, könnten sie aber entscheidenden Einfluss auf die Regierungsbildung ausüben.
Eine eigene Mehrheit würde ihnen winken, wenn sie auf über 30 Prozent der Stimmen kämen und die beiden «etablierten Parteien», Tories und Labour, jeweils nur noch 20 bis 25 Prozent erhielten. Das Wettbüro Ladbrokes bietet jetzt immerhin schon gute Quoten darauf an, dass Farage – und nicht Badenoch – Starmer bei den nächsten Wahlen ablösen wird.
Unterstützung von früherem Tory-Gönner
Den gegenwärtigen Aufwärtstrend nutzt Farages Partei jedenfalls, um sich in aller Form von einer kleinen Protestbewegung zu einer regelrechten Konkurrenzpartei der «Grossen» zu mausern. Über mehr als 400 Ortsvereine, deren Zahl sich stetig erhöht, verfügt die Partei bereits.
Der Wahlapparat wird mächtig geschmiert. PR-Veranstaltungen wie die derzeitigen Regionalparteitage werden organisiert. Neue Stellen für die Verstärkung der Zentrale werden ausgeschrieben. Und nicht nur die zusätzlichen Mitglieder sorgen für mehr finanzielles Potenzial.
Mit dem jüngsten Übertritt des Milliardärs und früheren Tory-Gönners Nick Candy zur Reform-Partei hat Farage einen Schatzmeister gewonnen, der über seine Geschäftskontakte und aus eigener Tasche Millionen Pfund in die Parteikasse leiten kann. Spekulationen – die Nigel Farage freilich abzuschwächen sucht – sprechen hartnäckig davon, dass Elon Musk, der reichste Mann der Welt und prominente Donald-Trump-Vertraute, der Reform-Partei dieses Jahr 100 Millionen Dollar zukommen lassen will.
Musk erweist sich als hilfreich
Mit seinen guten Beziehungen zu Musk und vor allem zu Trump selbst hatte ja Farage bisher stets geprahlt. Dass er sich sehr gern als «Mittelsmann» zur Verfügung stellen will, sollte es zu Spannungen zwischen Trump und den Briten (etwa wegen drohender US-Zölle) kommen, bekräftigte er in den letzten Tagen immer neu.
Besonders hilfreich fand man es bei Reform in diesem Zusammenhang, dass Musk seit einiger Zeit aus allen Rohren gegen Starmers Regierung feuert und bereits erklärte, Farages Partei sei «die einzige Hoffnung» für Grossbritannien. Am Sonntag wandte sich der Amerikaner freilich völlig überraschend auch gegen Farage, der ihn offenbar nicht leidenschaftlich genug verteidigt hatte. Reform brauche «einen neuen Führer», liess Musk die Briten wissen. Farage habe «nicht das Zeug dazu».
Auch Nigel Farage ist sich unterdessen bewusst, dass es noch ein weiter Weg ist bis zum Ziel, das er angepeilt hat. Nahziel seiner Partei sind zunächst einmal die landesweiten Kommunalwahlen im Mai dieses Jahres. Bei denen hoffen sich Britanniens Rechtspopulisten erstmals weitflächig zu etablieren – und zu zeigen, wie ernst sie künftig zu nehmen sind.
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