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Umfragen in Grossbritannien
Auch bei den Briten bringt sich die Rechte in Stellung

Britain's far right party leader Reform UK Nigel Farage reacts as he attends a Reform UK Press Conference, in central London, on November 28, 2024. (Photo by BENJAMIN CREMEL / AFP)
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In Kürze:
  • Keir Starmer hat viel Vertrauen verloren seit seinem Amtsantritt als Premierminister.
  • Labour erntet Spott für wiederholte Zielanpassungen und schwache Kommunikation.
  • Nigel Farages Reform-Partei hat in Umfragen Labour bereits überholt.
  • Farage plant, seine Beziehungen zu Donald Trump für eigene Ziele zu nutzen.

Schlechter hätte es für Keir Starmer kaum laufen können. Seit seine Partei im Juli die Unterhauswahlen gewann und er Premierminister wurde, hat Grossbritanniens Labour-Vorsitzender viel Vertrauenskapital verspielt.

Begonnen hatte die Krise, als die Regierung zehn Millionen bedürftigen Rentnerinnen und Rentnern die Winterbeihilfe strich. Später weigerte sich die Regierung, sich von der Sparpolitik der Konservativen abzusetzen und Familien mit mehr als zwei Kindern wieder zusätzliche Hilfe zu gewähren.

In der Folge brachte Starmer mit unerwarteten Steuererhöhungen überall im Land Kleinbetriebe, Bauern und Gemeinderäte gegen sich auf. Seine Stabschefin Sue Gray zwang er schon nach kurzer Zeit aus dem Amt. Zuvor hatten Berichte über ihr hohes Gehalt für grosse Unruhe gesorgt.

Vage Pläne und zögerliche Schritte im Sozialbereich

Linke Kritikerinnen und Kritiker mochte er in der Fraktion nicht dulden. Und die Staatsbeamtenschaft provozierte er mit Bemerkungen, die nach Ansicht der Betroffenen sogar dem designierten US-Präsidenten Donald Trump «zur Ehre gereicht» hätten.

Im Verhältnis zur EU hat er sich schwergetan mit dem versprochenen «Neustart» – aus Angst vor der Beschuldigung, er wolle sein Land in die Union zurückführen. Auch die ungelöste Migrationsfrage bleibt eine Last für ihn. Vor allem aber verunsichert Starmer die eigene Partei mit vagen Plänen und zögerlichen Schritten im Sozialbereich. Befürchtungen, dass er schlicht keine Vision für sein Land habe und auf neue Herausforderungen im In- und Ausland nur mit aufgewärmten Tory-Rezepten reagiere, haben sein Ansehen auf den Winter hin gefährlich untergraben.

Mehrfach revidierte Zielvorgaben für seine Amtszeit haben in der Folge Spott und Ungläubigkeit ausgelöst. Die immer neuen Proklamationen finden wenig Anklang, solange der grundlegende Wandel, den Labour verheissen hat, nicht zu spürbar besseren Lebensverhältnissen führt. Ein chronischer Mangel an angemessener Kommunikation hat dabei auch nicht geholfen. Schon gar nicht gegen die wütenden Attacken, mit denen die noch immer einflussreiche Rechtspresse der Insel täglich gegen Labour zu Felde zieht.

Tories können die Labour-Schwächen nicht nutzen

Mittlerweile ist man im Labour-Lager äusserst nervös geworden. Die Partei sinkt in der Gunst der Wählerinnen und Wähler von Tag zu Tag. Laut letzten Umfragen kann sie sich inzwischen auf nicht viel mehr als ein Viertel der Wählerschaft stützen. In einer Umfrage hat Nigel Farages Partei Reform UK, die Partei der Rechtspopulisten, Labour sogar schon überholt.

Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass es der Konservativen Partei nicht gelungen ist, nach ihrer vernichtenden Niederlage des Sommers wieder Fuss zu fassen. Statt sich den Abwärtstrend Labours zunutze zu machen, sind sich die Tories nicht klar über ihren eigenen Kurs.

Die Partei ist zutiefst gespalten. Die neue Vorsitzende Kemi Badenoch weiss nicht, ob sie sich auf ihrer Position überhaupt wird halten können. Während der moderate Flügel der Konservativen ihr die Gefolgschaft verweigert, drängen nationalkonservative Tories sie immer weiter nach rechts, auf das Terrain der Rechtspopulisten hin.

Reform-Partei hat schon 100’000 Mitglieder

Und so hat von den massgeblichen Akteuren nur Nigel Farage in letzter Zeit kontinuierlich an Beliebtheit gewonnen. Im Schnitt der Umfragen liegt seine Reform-Partei heute schon bei über 20 Prozent. Just hat sie, mit einer ehemaligen Tory-Ministerin, ihr 100’000. Mit­glied willkommen geheissen. Immer mehr prominente Konservative laufen zu ihr über. Mit 400 Ortsverbänden beginnt sie sich eine Basis zu schaffen für dauerhafte Präsenz.

Zwar verfügt Reform UK im Unterhaus, wegen der Eigenheiten des britischen Wahlrechts, nur über fünf Abgeordnete – wiewohl sie bei den Wahlen schon auf über vier Millionen Stimmen kam. Und finanziell steht sie derzeit noch auf relativ schwachen Beinen.

Gemäss hartnäckigen Gerüchten plant Elon Musk, Farage demnächst 100 Millionen Dollar zukommen zu lassen. Auf Farages Ankündigung bei X, seine Partei werde «die britische Politik für immer verändern», antwortete Musk: «Wann gibt es die erste Wahlmöglichkeit?»

Farage will eine Revolution lostreten

Farage seinerseits ist unterdessen fest entschlossen, seine guten Beziehungen zu Donald Trump vom kommenden Jahr an voll zu nutzen. Er betrachtet sich als britischen Liebling des gewählten US-Präsidenten, als Londons künftigen «Verbindungsmann» zu Washington.

Überhaupt scheint der frühere Ukip- und Brexit-Party-Vorsitzende keinen Zweifel mehr daran zu hegen, dass er angesichts des wachsenden Unmuts in der Bevölkerung in den nächsten Jahren eine regelrechte «Revolution» in der britischen Politik lostreten kann. Nigel Farage sieht sich schon als nächsten Premierminister, als Bezwinger der beiden etablierten Parteien. Und zurzeit stehen die Zeichen gut für ihn.

Reform UK party leader Nigel Farage delivers a speech on the opening day of the Reform UK 2024 annual Party Conference in Birmingham on September 20, 2024. (Photo by BENJAMIN CREMEL / AFP)

Denn die alten Loyalitäten in der britischen Wählerschaft beginnen sich immer mehr aufzulösen. Zunehmend wenden sich die Briten von beiden grossen Parteien ab. Umso bewusster ist es Starmers Partei, wie viel von einer Konsolidierung Labours und von raschen, von überzeugenden Erfolgen der Regierung abhängt.

Würde Keir Starmer scheitern, würde das viele Wählerinnen und Wähler zweifellos in der Überzeugung bestärken, dass keine der «alten» Parteien mehr in der Lage sei, für Besserung auf der Insel zu sorgen. Nigel Farage bringt sich für diesen Fall schon einmal in Stellung.