Neue Tory-ChefinBadenochs Sieg stürzt die Tories in die nächste Ungewissheit
Eine «tiefblaue» Politikerin soll Grossbritanniens Konservativen zu neuem Schwung verhelfen. Aber hat Kemi Badenoch den nötigen Rückhalt?
- Kemi Badenoch wurde zur Vorsitzenden der britischen Konservativen gewählt.
- In ihrer Partei mangelt es Badenoch an Unterstützung.
- Der neue Haushaltsplan der Labour-Partei stellt die Tories vor grosse Herausforderungen.
- Badenoch gilt als impulsiv, Geduld ist nicht ihre Stärke.
Die Wahl der Tory-Politikerin Kemi Badenoch zur Vorsitzenden ihrer Partei an diesem Wochenende hat die britischen Konservativen nur wieder vor neue Probleme gestellt. Seit der Übernahme dieses Amtes durch die 44-Jährige rätseln ihre Parteigänger darüber, ob Badenoch über eine ausreichende Basis in der eigenen Partei verfügt – und welchen politischen Kurs sie einschlagen wird.
Schon bei der Zusammenstellung eines Schattenkabinetts sieht sich die neue Parteichefin vor erheblichen Schwierigkeiten. Mehrere zentrale Figuren der Fraktion, wie Ex-Schatzkanzler Jeremy Hunt und Ex-Aussen- und Innenminister James Cleverly, haben früh schon abgewinkt.
Cleverly, der sich als Repräsentant des moderaten Tory-Flügels begreift, spielt dabei eine besonders wichtige Rolle. Dass er im chaotischen Verlauf des Kampfs um den Vorsitz als Kandidat unerwartet auf der Strecke blieb, liess den Aktivisten am Ende nur die Wahl zwischen zwei Kandidaten vom rechten Flügel – dem ehemaligen Immigrations-Staatsekretär Robert Jenrick und eben Kemi Badenoch.
Viel Unterstützung nur unter Vorbehalt
Tausende von Tories, denen das kontinuierliche Abdriften ihrer Partei in Richtung Rechtspopulismus seit den Brexit-Zeiten unheimlich ist, nahmen denn auch an der letzten Entscheidung gar nicht mehr teil. Sie weigerten sich mitzustimmen. Und selbst viele Jenrick-Anhänger unterstützen die Parteichefin nur mit Vorbehalt.
In der Fraktion weiss Badenoch nicht mal ein Drittel der Abgeordneten hinter sich. Skeptische Tories wie Ruth Davidson, die langjährige Führerin der schottischen Konservativen, die inzwischen im Oberhaus sitzt, bezweifeln schon jetzt, dass Badenoch die Partei überhaupt in die nächsten Wahlen führen wird.
Zu den Zweifeln trägt auch bei, dass sich viele Tories unklar darüber sind, wohin die neue Parteichefin sie nun eigentlich führen will. Wiewohl Kemi Badenoch in der Vergangenheit immer wieder unbekümmert Meinungen äusserte, die bei Brexit-Hardlinern und sozialkonservativen Landsleuten Anklang fanden, hat sie es bisher vermieden, sich auf ein konkretes Programm festzulegen. Ein solches Abwarten wird nun aber nicht länger möglich sein.
Kluft ist so gross wie seit langem nicht
Denn der bemerkenswerte Haushaltsplan, den Labours Schatzkanzlerin Rachel Reeves vorige Woche enthüllte, stellt eine enorme Herausforderung für die Tory-Partei dar. Mit seinen rekordhohen Steuern, seinen ebenso hohen Staatsausgaben und der weit höheren Staatsverschuldung als bisher steht dieser Plan zu den ideologischen Prinzipien der Tory-Rechten in scharfem, in diametralem Gegensatz.
Mit Reeves «rosarotem» Finanzplan und der gleichzeitigen Wahl einer «tiefblauen» – also rechtskonservativen – Tory-Vorsitzenden hat sich die traditionelle Kluft in der britischen Politik tatsächlich binnen weniger Tage geweitet wie seit langem nicht mehr.
Wenn nun aber über die Haushaltsvorlage im Unterhaus entschieden werden muss, wird sich Badenoch fragen müssen, ob sie die von Labour angepeilte Sanierung der öffentlichen Dienste – und insbesondere des nationalen Gesundheitswesens – ohne weiteres ablehnen kann, ohne die eigenen Wähler vor den Kopf zu stossen.
Dabei ringen durchaus auch Reeves und Premierminister Keir Starmer noch um Konsens, um weitere Zustimmung zu ihren Plänen. Ein Schwall zorniger Reaktionen seitens mittelständischer Betriebe und der einflussreichen Rechtspresse ist ihnen entgegengeschwappt.
Die Labour-Linke klagt über anhaltende Versäumnisse im Kampf gegen die Armut im Lande. Und ob die Regierung tatsächlich Wachstum und Wohlstand erzielen kann mit ihren Beschlüssen, weiss zu diesem Zeitpunkt noch niemand zu sagen.
Geduld war bisher nicht Badenochs Stärke
Aber mit ihrer Zweidrittelmehrheit im Unterhaus hat die Labour-Führung zumindest eine Chance zur Umsetzung ihrer Politik, über die nächsten viereinhalb Jahre. Dagegen muss die neue Tory-Chefin sich, auf dem undankbaren Posten der Oppositionsführerin, erst einmal bewähren. Sie muss sich Gehör verschaffen, ihre eigene Basis absichern und die beiden bitter zerstrittenen Flügel der Partei auszusöhnen suchen.
Vor allem aber muss sie, nach der katastrophalen Wahlniederlage der Tories im Juli, mit viel Geduld um neues Vertrauen in der Wählerschaft werben. Nur war Geduld eben nie ihre Stärke bisher. Eher war es ihre Impulsivität, ihre unverblümte Art, von der ihre Anhänger hoffen, dass sie Aufmerksamkeit erheischt auf der politischen Bühne – und mit der sie Starmer und die seinen ihrerseits in Schwierigkeiten bringen soll.
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