Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Macht der Rechtspopulisten
Kickls Aufstieg ist ein Versagen der demokratischen Kräfte

Herbert Kickl, der Vorsitzende der rechtsextremen FPÖ, verlässt das Gespräch mit Österreichs Präsidenten im Hofburg-Palast in Wien, Januar 2025.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Ein bekanntes Zitat über Österreich geht so: «Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles 50 Jahre später.» Es wird dem Komponisten Gustav Mahler, dem Schriftsteller Karl Kraus und noch einigen anderen in den Mund gelegt und bedeutet, dass sich das für seine gemütliche Lebensweise bekannte Land nicht so schnell in politische Abgründe reissen lässt. Zuschreibungen wie diese haben dazu geführt, dass man von aussen gern mit belustigter Sympathie auf das Land blickt. Man schätzt das gute Essen und die Urlaubsorte und findet die vielen politischen Verwerfungen dort höchstens skurril.

Nichts könnte falscher sein. Österreich ist zwar ein kleines Land, es war aber immer schon ein Modellfall für grössere Entwicklungen. Mitte der Neunzigerjahre war hier mit Jörg Haider so etwas wie die Geburt des europäischen Rechtspopulismus zu beobachten. Haider gewann mit seiner Inszenierung als Anwalt der kleinen Leute nicht nur eine Wahl nach der anderen, er war auch ein Meister darin, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben.

Damit fand er schnell Nachahmer bis tief in die Volksparteien hinein. Auch da hatte Österreich eine Art Vorreiterrolle, als Sebastian Kurz 2017 für die konservative ÖVP ins Bundeskanzleramt einzog. Kurz hatte das Modell Haider noch eine Stufe weiterentwickelt. Als Populist bekämpfte Kurz nicht nur das traditionelle politische System. Er tat dies auch als einer der höchsten Repräsentanten dieses Systems.

Die FPÖ driftet weiter nach rechts

Und nun, das Jahr 2025 ist erst einige Tage alt, ist es wieder so weit. Das Szenario, das in Österreich als einem der ersten westeuropäischen Länder einzutreten scheint, sieht so aus: Regierungen kommen nicht mehr ohne Beteiligung oder sogar Führung von Parteien zustande, die in Teilen rechtsextrem sind.

Die Situation in Österreich steht exemplarisch für die Schwierigkeit vieler Parteien der Mitte, sich über die Lager hinweg auf ein Bündnis zu einigen. Denn hier ist nicht eine Koalition nach Jahren des Regierens an inneren und äusseren Krisen zerbrochen, so wie die Ampelkoalition in Deutschland. In Österreich haben es die ehemaligen Grossparteien ÖVP und SPÖ nicht einmal geschafft, sich zusammen mit einer liberalen Kleinpartei überhaupt auf eine Regierung zu einigen. Und das, obwohl sie über Jahrzehnte in grossen Koalitionen das Land regiert und dessen politische Kultur geprägt haben.

Wie das passieren konnte, werden Politikwissenschaftler und Historikerinnen untersuchen müssen. Klar ist schon jetzt, dass in Österreich wahrscheinlich ein Mann Regierungschef wird, der gern «Volkskanzler» wäre. Einer, der das Volk vor den «Eliten» beschützen will – der Begriff war schon von den Nationalsozialisten verwendet worden.

Kickl hat die ohnehin schon rechtspopulistische FPÖ noch weiter nach rechts geschoben. Indem er die Nähe von Teilen seiner Partei zu Identitären, Neonazis und Verschwörungsideologen zuliess und nichts dagegen hat, dass Leute wie Udo Landbauer ein hohes politisches Amt bekleiden. Landbauer war Mitglied einer Burschenschaft, in deren Liederbüchern die Schoah verharmlost und verspottet wurde. Heute ist er stellvertretender Landeshauptmann von Niederösterreich, dem grössten österreichischen Bundesland.

ÖVP als Juniorpartnerin von Rechtsextremen

Die Geschichte hat oft gezeigt, dass politische Entwicklungen kein Wetterphänomen sind, das man einfach hinnehmen muss. Es ist daher auch kein Naturgesetz, dass sich die ÖVP nun doch bereit erklärt hat, mit jener FPÖ Koalitionsgespräche zu führen, die man bis vor kurzem noch als Gefahr für die Demokratie bezeichnet hat.

Es hätte Möglichkeiten zu politischen Kompromissen gegeben, die Option, mit der SPÖ eine hauchdünne Mehrheit zu bilden und sich anlassbezogene Mehrheiten im Parlament zu organisieren. Sogar an einem Dreierbündnis hatte sich die ÖVP in ihrer Geschichte schon einmal beteiligt, zusammen mit der SPÖ und der kommunistischen KPÖ. Das war in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als klar war, dass man in Krisen auch unkonventionelle Bündnisse eingehen muss.

Stattdessen vollzieht die Partei mit der Begründung, das Land brauche eine stabile Regierung, eine Kehrtwende. Er wolle sich der Verantwortung nicht entziehen, sagte der designierte ÖVP-Chef Christian Stocker. Verantwortungsvolles Handeln bedeutet für eine altehrwürdige Volkspartei nun offenbar, den Juniorpartner für rechtsextreme Kräfte zu machen.