Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Interview über Shopping
«Die ‹Geiz ist geil›-Kultur funktioniert in der Schweiz nicht»

Schaufenster in Thun mit Werbung für einen Sale: Rote Schilder mit Prozentzeichen und Rabatten zwischen 30% und 50%.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Schweiz ist im Rabattfieber: Januarausverkauf, Tiefpreisschlacht der Detailhändler und der bevorstehende Markteintritt der Discounter Action und Rossmann. Da stellt sich die Frage, ob sich im Land eine «Geiz ist geil»-Kultur breitzumachen beginnt.

Christian Kies ist Kreativchef bei Jung von Matt Schweiz. Die Agentur hat 2002 mit dem Slogan «Geiz ist geil» für die Elektronikkette Saturn Aufsehen erregt und die Billigkultur salonfähig gemacht. Der Deutsche erklärt, warum das in der Schweiz nicht funktioniert.

Herr Kies, Sie sind letzten August von Berlin nach Zürich gezogen, funktioniert Shopping in der Schweiz anders?

Ja, ich hatte einen kleinen Kulturschock, denn das Qualitätsbewusstsein ist hier unfassbar hoch.

Wie kommen Sie darauf?

In Deutschland gibt es eine Bratwurst für 2 Euro am Bahnhof, hier wird das zu diesem Preis nie angeboten. Schweizerinnen und Schweizer kaufen das nicht, weil, was so günstig ist, nicht gut sein kann. Anders als in Deutschland dürfen die Waren in der Schweiz nicht zu billig sein. Qualität hat ihren Preis.

Die Schweiz gerät jedoch in den Schnäppchenrausch. Das zeigt sich nicht nur im Neujahrsausverkauf, sondern auch an der Tiefpreisschlacht im Lebensmittelhandel.

Absolut. Dennoch ist der Preis nicht allein das, was zieht. Das sieht man bei Lidl und Aldi, die bei ihrem Eintritt in die Schweiz vor allem mit Qualität und Regionalität geworben haben. Im Gegensatz zu Deutschland sehen die Läden hier auch ansprechender aus. Ich war überrascht, als ich einen Schweizer Lidl betreten habe: mehr Platz, mehr Licht, und die Waren sind schöner präsentiert. Und der Ramsch fehlt.

Vermissen Sie den Ramsch?

Nein. Ramsch allein verkauft sich nicht – weder im Discounter noch in der Werbung. Gute Ideen und Qualität bleiben immer der bessere Deal.

Black-Friday-Rabattschilder in Schaufenster mit 30%, 50% und 20% in Zürich, Coop City, Globus und weitere Geschäfte, Menschen mit Einkaufstüten.

Dennoch ziehen zunehmend Billigdiscounter wie Rossmann in die Schweiz, und auch die Non-Food-Kette Action hat viele Produkte unter 1 Euro im Angebot. Und sogar die Migros wirbt mit Tiefpreisen.

Das Preisbewusstsein ist der aktuellen weltpolitischen Lage geschuldet: Gemäss dem Sorgenbarometer der UBS drehen sich 4 der Top-10-Sorgen um Geld – die Inflation, Altersvorsorge und auch die steigenden Mieten und Krankenkassenprämien beschäftigen die Bevölkerung. Die Deutschen sparen um des Sparens willen, Schweizer hingegen aus Antrieb und Vernunft. Bei all dem ist die Qualität in der Schweiz aber wesentlich höher.

Seit letztem Sommer in der Schweiz: Der deutsche Werber Christian Kies.

Sie beobachten hier keinen Trash-Trend?

Nein. Die Preisspirale nach unten ist eindeutig durch den hohen Qualitätsanspruch begrenzt. Die Discounter ändern daran nichts. Die «Geiz ist geil»-Kultur funktioniert hier nicht. Hier müsste es heissen: «Günstige Qualität ist geil». Ausserdem könnte in der Schweiz nicht mit dem groben Wort «Geiz» geworben werden. Hierzulande muss Werbung feinfühlig und etwas diplomatischer sein.

Temu ist jedoch auch in der Schweiz sehr beliebt. Die in China bestellten Waren haben mit Qualität nichts zu tun.

Das stimmt. Aber kaum jemand kauft bei Temu Waren, die von Dauer sein sollen. Es geht dort um reine Trendprodukte, die alsbald wieder weggeworfen werden. Das ist eine andere Art von Shopping, bei der es ums kurzzeitige Besitzen und nicht ums Behalten geht. Anders als in Deutschland finde ich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit hier verbreiteter. Allein schon dadurch, dass auf Schweizer oder sogar regionale Produktion grossen Wert gelegt wird.