Biomüll mit PotenzialBeim Kompostieren gibt es noch Luft nach oben
Die Schweiz ist das Land des Recyclings. Beim Küchenabfall hapert es allerdings noch ziemlich. Dabei trägt Biomüll zu Energiewende und Düngewirtschaft bei.
Manchmal geht es ganz schnell. Ohne gross zu überlegen, öffnet man den Abfallkübel, und schon landet die Bananen- oder Orangenschale im Kehricht. Auch der Rüstabfall von den Rüebli oder den Kartoffeln ist dort schnell entsorgt. Trennen von Papier, Glas und PET ist bei der Schweizerin und beim Schweizer nicht mehr wegzudenken, das ist schon fast in Fleisch und Blut übergegangen. Bei organischen Abfällen ist das noch nicht der Fall.
Das zeigt die jüngste Kehrrichtsackanalyse 2022 des Bundesamts für Umwelt: 23 Kilogramm Rüstabfälle sind 2022 im Durchschnitt pro Person in den normalen Abfall gelangt, der in der Kehrichtverbrennungsanlage verbrannt wird. Dazu kommen 25 Kilogramm Lebensmittel und 2,2 Kilogramm Fleisch. Nicht zu vergessen die verdörrten Schnittblumen oder das geschnittene Gras vom kleinen Vorplatz – auch gut 2 Kilogramm. Diese sogenannten biogenen Abfälle machen rund 35 Prozent des jährlichen Siedlungsabfalls in den Haushalten aus.
Hier sieht das Bundesamt für Umwelt den grössten Handlungsbedarf. Auch der Verein Biomasse Schweiz empfiehlt einen schnellen Ausbau des Sammelguts in den Schweizer Gemeinden. «Manche Gemeinden scheuen noch die Kosten für eine Sammlung und Verwertung», sagt Annelies Uebersax von der Geschäftsstelle Biomasse Suisse. Vor allem sei aber die Bevölkerung noch zu wenig informiert und sensibilisiert. «Immer weniger Menschen haben einen Garten und kennen das Kompostieren aus eigener Erfahrung.»
In der Regel haben die meisten Gemeinden und Städte Sammelstellen für Gartengut. Rüstabfälle und Lebensmittel werden aber noch viel zu wenig gesammelt. «Die Bevölkerung wäre eigentlich gemäss Abfallverordnung des Bundes dazu verpflichtet», sagt Annelies Uebersax. In Zürich zum Beispiel gibt es aber erst seit dem letzten Jahr eine kombinierte Sammlung von Grüngut und organischem Abfall aus dem Haushalt. Pro Haus stellt die Stadt einen grünen Container zur Verfügung, Kostenpunkt pro Haushalt: 100 Franken jährlich.
Ob eine Gemeinde beides, Grüngut und Küchenabfälle, sammelt, hängt letztlich auch von den kommunalen Möglichkeiten ab, den Abfall entsprechend zu verwerten. «Es gibt immer mehr Gemeinden, die eine Doppelverwertung anbieten», sagt Uebersax. Das heisst: Die organischen Stoffe werden zuerst in einer Biogasanlage vergärt und anschliessend kompostiert. Speisereste eignen sich grundsätzlich besser für die Vergärung.
Die Sammlung von Bioabfall im Haushalt ist eigentlich eine einfache Sache, dennoch lohnt es sich, sich zuvor etwas damit zu beschäftigen, wie sinnvoll eine Sammlung überhaupt ist. Wir haben die wichtigsten Antworten.
Was gehört zum organischen Abfall?
Oft wird zwischen Grüngut und biogenem Abfall unterschieden. Doch eigentlich ist der Begriff «biogene Abfälle» ein Oberbegriff für alle Stoffe, die von Pflanzen, Tieren oder von Mikroorganismen stammen. Für den Haushalt ist wichtig: Zum biogenen Abfall oder Grünabfall gehört Grüngut aus dem Garten wie Laub, Rasen-, Blumen- oder Strauchschnittgut. Aber auch Küchenabfälle wie Rüstabfall und Lebensmittel.
Auf was soll man achten, wenn man mit Trennen beginnt?
Wichtig ist, sich zuerst bei der Gemeinde zu erkundigen, ob es Möglichkeiten gibt für die separate Sammlung von Grünabfall und welcher Abfall angenommen wird. Mithilfe der Recycling-App lässt sich auf Gemeindeebene grob das Angebot prüfen. Die App unterscheidet allerdings zwischen Grüngut und biogenem Abfall als Küchenabfall. Für die Küchenabfälle kauft man sich einen speziellen Kompostkübel, der in jedem Haushalt-Geschäft erhältlich ist. Er sollte einen Deckel haben, um Gerüche zu vermeiden. Es gibt Gemeinden wie Zürich, die für den Sammeldienst einen speziellen Behälter anbieten. Bequem sind kompostierbare, mit dem unverkennbaren Gitterdruck gekennzeichnete Säcke als Einlage für den Kompostkübel, die aber nicht alle Gemeinden akzeptieren. Da sollte man erst nachfragen.
Was muss man beim Trennen besonders beachten?
Das grösste Problem beim Sammelgut von Grünabfall sind die Fremdstoffe. So hat zum Beispiel die Gemeinde Oberglatt und der Anlagebetreiber Axpo Biomass AG ein Verbot für Küchenabfälle und Speisereste erlassen, weil zu viel Plastik im Küchenabfall war und das Sammelgut dadurch von schlechter Qualität für die Vergärung und Kompostierung war. Diese künstlichen Stoffe verbleiben in der Vergärungsanlage und gelangen schliesslich mit dem Kompostdünger in den Boden. Die Gemeinde wird fortan nur noch Gartenabfälle annehmen. Was zudem zu beachten ist: Auf Früchte geklebte Etiketten müssen entfernt werden. Auch Teebeutel gehören nur separiert, wenn sie keinen Kunststoff und keine Metallklammern beinhalten.
Wie viel Energie lässt sich aus Grünabfall produzieren?
Das lässt sich am Beispiel der Axpo erklären. Das Energieunternehmen produziert in seinen Biogasanlagen aus Grüngut, Rüstabfällen und Speiseresten nach eigenen Angaben jährlich 75 Gigawattstunden erneuerbaren Strom. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von rund 17’000 Haushalten. Biogas wird aber auch für die Fernwärme verwendet und ins Gasnetz eingespeist. Über 300 Städte, Gemeinden und Unternehmen in der Schweiz liefern der Axpo regelmässig ihre organischen Abfälle.
Schätzungen einer Studie im Auftrag der Energiefachstellenkonferenz (Fachstelle der Konferenz der kantonalen Energiedirektoren) gehen davon aus, dass das theoretische zusätzliche Produktionspotenzial biogener Abfälle etwa bei 6,5 Terawattstunden liegt, das entspricht etwa 3 Prozent des Schweizer Bruttoenergieverbrauchs. Davon stammen allerdings rund zwei Drittel aus tierischen Ausscheidungen in der Landwirtschaft und ein Drittel aus organischen Industrie- und Siedlungsabfällen. Im Unterschied zur Solarenergie liefern Biogasanlagen unabhängig von den Wetterverhältnissen das ganze Jahr hindurch kontinuierlich Energie.
Bei den Berechnungen gibt es jedoch eine Einschränkung. Der Bundesrat will bis 2030 die Menge des Food-Waste in der Schweiz halbieren. (Lesen Sie hier: Wie unsere Autorin versucht hat, Food-Waste zu vermeiden) Das heisst: Im Siedlungsabfall sollen bedeutend weniger Essensreste landen. Das hat nicht nur einen moralischen, sondern auch energetische und klimatechnische Gründe: Denn die Energie, welche in die Produktion von Lebensmitteln gesteckt wird, kann aus der Biogasanlage nicht wieder zurückgewonnen werden. Zudem wird der persönliche CO₂-Fussabdruck verbessert, wenn weniger Fleisch gegessen wird. Das heisst: Sollte das Ziel des Bundesrats erreicht werden, wird der Biogasertrag sinken.
Wie gross ist das Düngerpotenzial?
Es gilt die Faustregel: Eine Tonne biogener Abfall ergibt einen Kubikmeter Dünger. Auch hier ein Beispiel: Eine Studie des Bundesamts zeigt 2022 auf, dass etwa 167’000 Tonnen Grüngut im Abfallsack landen. 80 Prozent davon könnte separat gesammelt werden. Das hiesse: Man könnte zusätzlich allein aus Grüngut etwa 134’000 Kubikmeter Dünger produzieren.
Die schweizweite Gesamtsumme der Verarbeitungsmenge ohne Hofdünger wird gemäss dem Verein Inspektorat Kompostier- und Vergärbranche für das Jahr 2017 auf rund 1’450’000 Tonnen geschätzt. Kompost und Gärgut beinhaltet nicht erneuerbare Pflanzennährstoffe wie Phosphor, Kalium und Magnesium. «Diese Nährstoffe gibt es in der Schweiz nicht, sie müssen alle importiert werden», sagt Annelies Uebersax vom Verein Biomasse Schweiz. Das gilt auch für Stickstoff aus Mineraldünger, der energetisch aufwendig produziert wird – und ebenfalls importiert werden muss. Ein beträchtlicher Teil des importierten Düngers könnte laut Annelies Uebersax durch Kompost und Gärgut aus Biogasanlagen ersetzt werden.
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