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Ringen um neue Regierung
Warum Boris Johnson wohl bis September weiterregiert

Das Misstrauensvotum der Opposition dürfte er erneut überstehen: Premierminister Boris Johnson. 
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Penny Mordaunt kennt keine Furcht, daran kann kein Zweifel bestehen. Sie ist vor ein paar Jahren in einer etwas seltsamen, aber recht populären Fernsehshow namens «Splash!» rückwärts vom Zehnmeterbrett ins Wasser, man möchte fast sagen: geplatscht, und zwar bäuchlings. Die Show wurde präsentiert vom späteren britischen Olympiasieger im Turmspringen, Tom Daley, diverse halbwegs bekannte Menschen traten darin auf und versuchten sich in Daleys Disziplin. Acht Jahre ist das her, aber das Video ist derzeit wieder überall zu sehen. Penny Mordaunt hat schliesslich keine schlechten Chancen, die nächste britische Premierministerin zu werden.

Lustige Videos von britischen Regierungschefs waren in den vergangenen Jahren keine Seltenheit, aber seit Boris Johnson seinen Rücktritt verkündet hat, bemühen sich die Tories sehr um Seriosität. «Ernsthaftigkeit», «Verantwortungsbewusstsein», «Ehrlichkeit» – solche Worte sind dieser Tage in praktisch jeder Bewerbungsrede zu hören. An diesem Mittwoch beginnt das Wahlprozedere, jeder Bewerber auf dem Zettel brauchte als Voraussetzung die Unterstützung von mindestens 20 Abgeordneten. Wer im ersten Wahlgang weniger als 30 Stimmen der derzeit 358 Abgeordneten der Tories bekommt, scheidet aus. Am Donnerstag folgt Runde zwei, der Letztplatzierte dieser Runde wird gestrichen.

Von den TV-Debatten zu Fragerunden im Parlament

Weiter geht es am Sonntag und Montag mit TV-Debatten, live übertragen. Am Montag müssen sich die Kandidaten ausserdem den Abgeordneten in diversen Fragerunden im Parlament stellen. Hustings heissen solche Fragerunden im Englischen, weshalb auch der kommende Montag schon einen Namen in Westminster hat: Hustings Super Monday. Danach folgen weitere Wahlgänge, ehe schliesslich am Donnerstag kommender Woche die beiden Finalisten verkündet werden sollen. Diese werden sich in den nächsten beiden Monaten den rund 100’000 Mitgliedern der Partei vorstellen, die den neuen Premierminister wählen, und zwar bis spätestens 5. September. Anders gesagt: Es ist wieder Wahlkampf im Land.

Labour-Chef Keir Starmer bestätigte, am Mittwoch ein Misstrauensvotum im Unterhaus einbringen zu wollen.

Zum Wahlkampf gehören Slogans und Kampagnen. Am Dienstagnachmittag stellten einige Bewerber ihre vor, manche wählten eher schlichte Varianten, die als Aussenseiterin geltende Kemi Badenoch etwa tritt mit «Kemi for Prime Minister» an. Andere versuchen es mit einer Botschaft wie Tom Tugendhat, dessen Wahlspruch «Tom: A Clean Start» lautet, ein sauberer Neuanfang.

Besonders professionell und gut vorbereitet wirkte der Auftritt des ehemaligen Finanzministers Rishi Sunak, der mit seinem Rücktritt Johnsons Ende eingeleitet hatte. Sunak sprach umgeben vom Logo «Ready for Rishi», immer wieder bejubelt von seinen Unterstützern. Er ist derzeit der Favorit, obwohl er bei Boris Johnsons immer noch vorhandenen Verbündeten als Feindbild Nummer eins gilt. Intern soll daher die Losung ausgegeben worden sein, sich hinter Aussenministerin Liz Truss zu stellen, die zumindest öffentlich Johnson treu blieb.

Führt in diversen Umfragen unter den Tory-Wählern: Die ehemalige Verteidigungsministerin Penny Mordaunt. 

Neben Sunak und Truss gehört allerdings auch Penny Mordaunt zu den aussichtsreichsten Bewerbern für das Finale, «Splash!» hin oder her. Mordaunt, 49-jährige Abgeordnete für Portsmouth North, führt gar in diversen Umfragen unter den Tory-Wählern. Sie wird dem moderaten Tory-Flügel zugerechnet und war die erste weibliche Verteidigungsministerin des Landes, wenn auch nur für kurze Zeit. Theresa May hatte sie am 1. Mai 2019 ernannt, Boris Johnson hat sie dann zweieinhalb Monate später, als er May als Premierminister nachfolgte, wieder entlassen.

Johnson wird «Caretaker Prime Minister»

Johnson wiederum sagte in einem seiner ersten Auftritte nach seiner Rücktrittsrede, er werde keinen Kandidaten öffentlich unterstützen. Er wolle doch «von niemandem die Chancen schmälern, indem ich mich für ihn oder sie ausspreche», sagte Johnson, dessen Witzel-Lust unter seinem Rücktritt kaum gelitten hat. Dass die Partei sich dafür entschieden hat, ihn tatsächlich bis 5. September weitermachen zu lassen als sogenannter Caretaker Prime Minister, als Hausmeister-Premier, kritisierte die Opposition am Dienstag allerdings scharf. Labour-Chef Keir Starmer bestätigte, am Mittwoch ein Misstrauensvotum im Unterhaus einbringen zu wollen, um Johnson zum sofortigen Auszug aus Downing Street zu bringen.

Sollte eine Mehrheit aller 650 Abgeordneten im Parlament tatsächlich gegen Boris Johnson stimmen, wären Neuwahlen die Folge, was allerdings unwahrscheinlich ist. Die Tories wollen zwar einen neuen Premierminister, auch deshalb haben sie Johnson ja zum Rücktritt gezwungen. Aber sie wollen einen, der aus ihrer Partei kommt.